[S] Prozessbericht: Frauenkampf gegen Burschis

burschis

Am 9. März fand um 9:00 Uhr vor dem Stuttgarter Amtsgericht ein Prozess gegen drei linke AktivistInnen statt, denen linke Sprühereien zum Frauenkampftag 2010 beim Haus der Burschenschaft Alemannia vorgeworfen wurden. Mit einer Erklärung bekannten sich zwei der Angeklagten zu der Aktion, stellten den reaktionären und frauenfeindlichen Charakter von Burschenschaften heraus und verdeutlichten, dass der Widerstand gegen diese stets legitim bleiben wird. Etwa 15 solidarische ProzessbeobachterInnen begleiteten das Geschehen.

 

Den drei AktivistInnen wurde vorgeworfen in der Nacht zum 8. März 2010 einen Mülleimer der Burschenschaft „Allemannia“ auf der Uhlandshöhe in Stuttgart mit der Parole "Frauenkampf ist Klassenkampf" und einem Aufruf zur internationalen Frauenkampftag besprüht zu haben.

Während der Aktion wurden zwei Aktivistinnen von Burschenschaftler überrascht, die sie anschließend verfolgten und festhielten. Dem dritte Angeklagte wurde vorgeworfen dabei "Schmiere gestanden zu haben"

Nach der Verlesung der Erklärung der beiden Aktivistinnen, wurde ein beteiligter Burschenschaftler als Zeuge gehört. Er bestätigte den zuvor geschilderten Tatverlauf und bemerkte im Rahmen der Befragung unter anderem, dass das rein männliche Klientel der Burschenschaft sich für eine Mitgliedschaft zum "deutschen Vaterland" bekennen müsse.

Den dritten Angeklagten konnte er nicht klar der Aktion vor dem Burschenschaftshaus zuordnen.

 

Der Richter gab in seiner Urteilserklärung zu verstehen, dass er die politische Motivation der Aktion nachvollziehen könne. Anschließend kam er jedoch schnell auf den Vorwurf des bürgerlichen Regelbruchs zu sprechen, den es in keiner Weise guthzueißen gelte.

Aufgrund der Geringfügigkeit der Tat stellte er das Verfahren gegen 20 Arbeitsstunden für die beiden Aktivistinnen ein, dem dritten Angeklagten konnte er eine Beteiligung nicht klar zurechnen, weshalb er auch sein Verfahren einstellen ließ.

 

Wir begrüßen das konsequente Engagement der Aktivistinnen und hoffen auch weiterhin auf ein entschlossenenes und kämpferisches Eintreten für die Befreiung der Frau und eine antikapitalistische Perspektive.

Um auch in diesem Jahr klar Stellung zum internationalen Frauenkampftag zu beziehen, laden wir alle Interessierten zum internationalistischem Kulturfest am 12. März im Bürgerhaus West in Stuttgart ein.

Nach Vorträgen, Stellwänden und Kulturprogramm ab 16:00 Uhr im Bürgerhaus West, geht es abends im Linken Zentrum Lilo Herrmann mit einem Ska-Konzert (Jagga Bites Combo) und anschließender Party weiter.

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Hier die durch die beiden Aktivistinnen verlesene Erklärung:

Wir haben in der Nacht zum 8. März 2010 einen Mülleimer am Haus der Burschenschaft Alemannia mit einer Sprühschablone zum internationalen Frauenkampftag und der Parole „Frauenkampf ist Klassenkampf“ besprüht. Uns ist es wichtig, dass diese Aktion nicht als Form von undurchdachtem jugendlichem Leichtsinn verstanden, sondern als klares politisches Symbol zur Kenntnis genommen wird.

Um deutlich zu machen, warum wir die farbliche Veränderung am Burschenschaftshaus nach wie vor für richtig und wichtig halten, haben wir diese Erklärung vorbereitet.

Die im Verbindungswesen an deutschen Universitäten eingegliederten Burschenschaften stehen für das Festhalten an reaktionären Geschlechterrollen und für autoritäre und konservative Gesellschaftsvorstellungen. Sie verstehen sich als gesellschaftliche Elite, die dem Großteil der Bevölkerung überlegen sei und räumen sich und ihren Nachfolgern durch finanzielle Stärke häufig wirtschaftliche und politische Machtpositionen ein.

Bezeichnend ist, dass diese studentischen Vereinigungen sowohl nach Innen, wie auch nach Außen schon immer klar frauenfeindliche Positionen vertreten. Schon zu Ende des 19. Jahrhunderts haben sie vehement gegen die Zulassung von Frauen an deutschen Universitäten gekämpft. Nachdem die Frauenbewegung sich dieses Ziel nicht hat nehmen lassen, traten die Bruschenschaften offensiv als „Männerbünde“ an den Universitäten auf, mobbten ihre Komilitoninnen und beklagten sich über eine angebliche „Verweiblichung der Gesellschaft“.

Wie ihr Name schon sagt, sind Burschenschaften auch heute noch reine Männerveranstaltungen, die den Frauen lediglich nebensächliche Rollen neben ihrer selbsternannten Eliteposition einräumen. Gesellschaftlich festgesetzte Geschlechterrollen werden als naturgegeben und unveränderlich präsentiert: Der Mann soll harter Bestimmer sein, die Frau die gefühlvolle Umsorgerin.

Innerhalb dieser geschlechtlicher Zuordnungen gibt es selbstverständlich keinen Platz und keine Akzeptanz für Homosexualität und Menschen, die sich ihren Verhaltensstandards nicht beugen.

Eng verbunden mit den steinzeitlichen Vorstellungen von Geschlechterrollen sind reaktionäre und rassistische Gesellschaftsvorstellungen. Auch wenn es deutlich rechtere Burschenschaften gibt, glänzt ebenso die “Alemannia” durch klare Bezüge zur konservativen und islamfeindlichen Rechten. Im letzten Jahr fanden im Haus der Burschenschaft zwei Veranstaltungen mit Referenten aus der rechten Wochenzeitung “Junge Freiheit” und der stramm antikommunistischen “Internationalen Gemeinschaft für Menschenrechte” statt. Nebenbei hat sich die “Alemannia” in Heidelberg auf ihrer Internetpräsenz dafür gerühmt, schon 1930 vollzählig auf NSDAP-Veranstaltungen erschienen zu sein.

Sicherlich lassen sich die heutigen Mitglieder der Burschenschaft nicht als Faschisten bezeichnen, dennoch bietet ihre Struktur auch weiterhin Platz für die Konservierung und Verbreitung rechter und frauenfeindlicher Positionen.

Wir finden es legitim, solche Zustände auch nach außen hin deutlich sichtbar zu machen. Wer sich bewusst in einem derartigen Sumpf reaktionärer Gesellschaftsvorstellungen bewegt, muss damit rechnen, mit öffentlichem Protest konfrontiert zu werden.

Wir streben eine Gesellschaft freier und gleicher Menschen an. Die Burschenschaften stehen für die Diskriminierung, Ausgrenzung und Entmündigung. Dagegen werden wir uns stets wehren. Und das lassen wir uns nicht nehmen!