Am 19. Februar 2011 verhinderten zum zweiten mal in Folge tausende Antifaschistinnen und Antifaschisten einen geplanten Naziaufmarsch in Dresden, bei dem es sich bisher um den größten Europas gehandelt hatte. Während im vergangenen Jahr die Polizei im Vorfeld der Proteste versucht hatte, den Aufruf zu Blockaden zu kriminalisieren und unter anderem Plakate beschlagnahmte und linke Räumlichkeiten durchsuchte, schien sie nicht zuletzt deshalb und wegen der einsetzenden Solidarität am 13. Februar 2010 selbst in der Defensive sein. So gelang es 2010 relativ „einfach“ die Blockadepunkte zu erreichen und die Blockaden am Tage aufrecht zu halten.
Höchstrichterlich wurde in der Folge festgestellt, dass die Polizei den Nazis den Weg hätte frei räumen müssen, um den geistigen Nachfahren der Mörder von Auschwitz einen ungestörten Aufmarsch zu ermöglichen. Dementsprechend stellte sich dann auch am 19. März 2011 das Szenario dar:
Busse wurden bereits auf der Autobahn gestoppt, gewerkschaftliche Kundgebungen in dem für die Nazis reservierten Stadtviertel bereits im Vorfeld verboten, die Polizei ging mit massiver Gewalt gegen Demonstranten vor. Geholfen hat es ihnen alles nichts: so machten sich tausende Menschen zu Fuß von der Autobahn auf den Weg in die Innenstadt, Polizeisperren wurden durchbrochen, Blockaden den Tag über gehalten, Barrikaden errichtet, den Angriffen der Polizei teilweise konsequent geantwortet und auf diesem Wege der Hauptbahnhof über Stunden umzingelt, so dass die Nazis unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren mussten. „Regionalzug statt Umzug“, so spotteten am Abend selbst bürgerliche Medien und stellten in der Regel die Verhinderung des Naziaufmarsch und nicht (nur) die „Krawalle“ in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung.
Mit dem Bus aus Freiburg und Südbaden
Die diesjährige Mobilisierung in unserer Region war ein voller Erfolg. Aus Freiburg und Südbaden ünterstützten über 120 Antifaschistinnen und Antifaschisten die Blockaden. Wir reisten gemeinsam mit unzähligen Bussen aus Baden-Württemberg koordiniert nach Dresden an – eine organisatorische Meisterleistung.
Das Freiburger Bündnis „No pasarán!“, an dem neben uns mehrere lokale Gruppen mitwirkten, organisierte im Vorfeld einige Infoveranstaltungen, finanzierte die Busse und plakatierte Freiburg und das Umland. Die intensive Vorarbeit, die Auseinandersetzung mit Opfermythos, Extremismusquatsch und Naziideologie sorgte für den Mobilisierungserfolg. Daran werden wir auch in Zukunft anknüpfen.
Wer hätte das gedacht
Seien wir mal ehrlich, wer hätte die Erfolge von Dresden in den letzten beiden Jahren noch vor ein paar Jahren für möglich gehalten? Europas größter Naziaufmarsch schien gefestigt, begleitet von einem offiziellen Gedenken der Stadt, die sich in ihrer Darstellung der Ereignisse rund um den 13. Februar 1945 von den Nazis nur noch punktuell unterschied, antifaschistische Proteste waren wenn überhaupt nur eine Randnotiz der Geschehnisse, den Dresdner Bürgerinnen und Bürger selbst schien der Aufmarsch größtenteils am Arsch vorbei zu gehen.
Dass die antifaschistischen Proteste dann auch noch größtenteils von sog. „antideutschen“ Gruppen dominiert waren, machte die Sache nicht besser. Deren natürlich berechtigte Kritik am Gedenken der Stadt wurde ihrerseits instrumentalisiert um ihre absurden Thesen zu untermauern und mit so menschenverachtenden Parolen wie „Bomber Harris do it again“ oder „Bomber Harris und die Flut – das tut allen Deutschen gut“ wurde Bündnisarbeit im Vorfeld und eine Solidarisierung der Bevölkerung mit antifaschistischen Protesten nahezu unmöglich gemacht. Bleibt nur noch anzumerken, dass es natürlich auch nicht im Interesse der „Antideutschen“ war, Bündnisse mit irgendwelche Teilen der von ihnen als „deutsche Volksgemeinschaft“ verleumdeten Bevölkerung einzugehen.
Es ist und bleibt ein sensationeller Erfolg der Bündnisse „No Pasarán“ und „Dresden Nazifrei“, dass es gelungen ist, mit sachlicher Kritik an der Gedenkpolitik der Stadt, einer deutlicher Zurückweisung der Gleichsetzung von rechts und links und vor allem mit der klaren Ansage, mit klaren Absprachen und kalkulierbarem Risiko die Nazis auf jeden Fall am Marschieren hindern zu wollen, innerhalb von einigen wenigen Monaten erstmals im Jahre 2010 über 10.000 Menschen verschiedenster politischer Spektren nach Dresden zu mobilisieren. Auch die Teilnahme von Dresdner Bürgerinnen und Bürger an den Protesten und Blockaden – und eben nicht nur an Gottesdiensten und Menschenketten – hat erfreulich zugenommen und konnte 2011 sowohl am 13. als auch am 19. Februar noch gesteigert werden.
Der Geist von Dresden
Die Erfolge von Dresden wirken sich vielfach aus. Nicht nur, dass der Naziszene eines ihrer letzten noch vorhanden Großevents genommen wurde, das hoffentlich bald ganz der Geschichte angehört, die Proteste zeigen auch, dass gemeinsames, entschlossenes Handeln zum Erfolg führen kann, auch gegen tausende Polizisten mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray. Und vor allem, die Bereitschaft, die Nazis direkt am Laufen zu hindern, dafür auch Gesetze zu übertreten und (kalkulierbare) Risiken in Kauf zu nehmen, sich nicht von Pressehetze und dem dummen Gerede, den Feinden jeder Demokratie und Freiheit auch Meinungsfreiheit zu gewähren, abhalten zu lassen, hat z.B. innerhalb der Gewerkschaften, unter Anhängern von SPD, Linke, Grüne etc. sowie dem Teil der Bevölkerung, der potenziell von uns ansprechbar ist, extrem zugenommen.
So herrschte vor einigen Jahren bei Naziaufmärschen noch in der Regel das Szenario, dass „die Bürger“ (so sie sich überhaupt zum Naziaufmarsch in ihrer Stadt verhielten) weit weg vom Geschehen irgendwelche „Feste der Demokratie“ veranstalteten, während „die Antifa“ der polizeilichen Übermacht meist schutzlos ausgeliefert und in der Regel Naziaufmärsche kaum noch behindern, geschweige den verhindern konnte. (Natürlich gab es hier Ausnahmen und auch vor „Dresden“ erfolgreiche Verhinderungen von Naziaufmärschen, aber einen allgemeinen Trend meinen wir doch erkennen zu können).
Erwähntes Szenario gehört zwar leider noch nicht völlig der Vergangenheit an, ist aber vielerorts dem gemeinsamen Interesse verschiedener Spektren, den Naziaufmarsch konkret zu verhindern, gewichen. Ohne große und nervtötende Diskussion ist es heute in vielen antifaschistischen Bündnissen Konsens, einen Naziaufmarsch konkret mittels Massenblockaden zu unterbinden. Dass wenige Wochen nach dem Erfolg von Dresden 2010 in Lübeck (Schleswig-Holstein) ein Naziaufmarsch zu Jahrestag der Bombardierung Lübecks nach Jahren der mehr oder minder erfolgreichen Proteste erstmals mittels Blockaden komplett unterbunden werden konnte, spricht für sich.
Aus Dresden lässt sich ne Menge lernen, einige Punkte seien hier mal exemplarisch aufgeführt:
1. Die Polizei ist nicht allmächtig. Sind wir
viele und oben drein noch gut organisiert, dann muss nicht an jeder
Polizeisperre sofort Schluss sein, sondern es ist auch mal
möglich diese beiseite zu räumen und unser Ziel zu erreichen.
2. Es ist möglich, auch weit über das
linksradikale Antifaspektrum hinaus Menschen zu
mobilisieren, ohne dabei inhaltlich und praktisch hinter die
eigenen Vorstellungen zurückzufallen.
3. Hat eine linke Bewegung wieder Erfolg und ist
öffentlich wahrnehmbar, dann verliert die fatale Gleichsetzung
von rechts und links immer mehr an Bedeutung und dann hat auch die
„antideutsche“ Szene politisch nix mehr zu bestellen.
Schattenseiten
Über die Schattenseiten wollen wir an dieser Stelle freilich auch nicht schweigen:
Zu diesen gehörte die zehnminütige Randale von etwa 250 Faschisten im Dresdner Stadtteil Löbtau unter den Augen der Polizei. Die Faschisten, die sich begleitet von Polizei von Freital aus in Richtung der Dresdner Innenstadt bewegten, griffen mehrere Wohnhäuser mit Stöcken, Pfefferspray und Steinen an. Über 50 Scheiben gingen dabei zu Bruch. Verletzt wurde niemand. Eines der angegriffenen Häuser war das Wohnprojekt „Praxis“, welches in der Vergangenheit schon mehrfach Ziel faschistischer Anschläge war. Die Angreifer hoben Steine und Gullideckel aus, zertrümmerten Betonblumenkübel, um Munition zu erhalten. Versuche, das Haus über Fenster und den Hof zu erstürmen, konnten glücklicherweise abgewehrt werden.
Zum Anderen sei an dieser Stelle auf die massive staatliche Repression gegen das Bündnis „Dresden Nazifrei“ hingewiesen. Noch am Abend des 19. Februar 2011 überfielen 120 Polizisten das „Haus der Begegnung“ in Dresden, in dem Gebäude ist die Pressestelle des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ untergebracht. Die Beamten wollten Aktivisten des Bündnisses festnehmen und Technik beschlagnahmen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung und Landfriedensbruch. Offensichtlich wollte sich die Polizei wegen der erfolgreichen Blockaden rächen. Weiter soll eine Sonderkommission „19. Februar“, der 20 Beamte angehören, noch im Nachhinein gegen antifaschistische Aktivisten vorgehen.
Bereits zu Beginn der Busfahrt aus Freiburg/Südbaden war die Staatsmacht auch hier in Aktion getreten:
Bei der Abfahrt des Busses aus Südbaden wurde dieser von einem größeren Polizeiaufgebot offenbar geplant gestoppt und durchsucht. Erklärtes Ziel dieser Massnahmen war laut Aussagen beteiligter Polizisten die Feststellung der Personalien der Mitfahrenden „für den Verfassungsschutz“. Auch wenn hier letztlich sonst nicht viel passiert ist und auch die verlorene Zeit wieder aufgeholt werden konnte, stellt auch dies einen Angriff auf linke Strukturen in der Region und reiht sich möglicherweise, mit den in jüngster Zeit erfolgten Anquatschversuchen des Geheimdienstes, ein in Versuche staatlicherseits, linke Strukturen in der Region zu „ergründen“.
Zum Schluss sei noch erwähnt, das wir selbstverständlich mit der gleichen Ent- und Geschlossenheit, mit der wir am 19. Februar 2011 aktiv waren, auch der einsetzenden Repression entgegentreten werden und unsere Genossinnen und Genossen von „Dresden Nazifrei“ auch hier nicht alleine lassen.
Und falls die Nazis im Februar 2012 noch immer nicht die Schnauze voll haben, dann kommen wir natürlich wieder nach Dresden!
In diesem Sinne:
No pasarán – Für eine starke antifaschistische Linke!
Antifaschistische Linke Freiburg, März 2011
interessant und nett geschrieben
okayer bericht
bis auf die undifferenzierte hetze gegen "antideutsche"
wollt ihr euch gerne zur den förder_innen/rern des "deutschtums (im ausland)" machen (lassen)?
ach nee das macht ihr völkischen freaks ja eh schon.
es gibt auch noch andere die euren reformistischen bis sozialdemokratischen mitte(-rechts) kram nicht mehr schlucken wollen!
"sie waren die antideutschesten der deutschen linken" (g. hanloser) aber ihr offenbar nicht mehr...
anonym
"Dass die antifaschistischen Proteste dann auch noch größtenteils von sog. „antideutschen“ Gruppen dominiert waren, machte die Sache nicht besser."
Ich gebe dir voll und ganz recht.
mehr Fotos hier
http://www.flickr.com/photos/mikaelzellmann/sets/72157625964628849/
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http://www.flickr.com/photos/realname/sets/72157626088626240/with/545931...
https://westhavelland.wordpress.com/2011/02/20/19-februar-the-battle-of-...
http://www.flickr.com/photos/52374249@N04/sets/72157625968299139/
http://www.stern.de/panorama/dresden-schwere-krawalle-bei-anti-neonazi-d...
http://www.woschod.de/2011/02/19/dresden-am-19-februar-2011-diese-stadt-...
http://www.flickr.com/photos/bundphotography/sets/72157625968212291/
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http://www.dnn-online.de/dnn-krawalle-am-192/r-detailansicht-galerie-757...
genau falsch
Ihr schreibt: "Deren [der Antideutschen] natürlich berechtigte Kritik am Gedenken der Stadt wurde ihrerseits instrumentalisiert um ihre absurden Thesen zu untermauern"
und habt damit genau die falschen Schlüsse daraus gezogen; Dresden hat so gut geklappt, weil die linke Szene zusammengearbeitet hat. Wenn also ihr jetzt versucht gegen die Antideutschen zu lästern (Wer instrumentalisiert jetzt übrigens?), macht ihr genau den Fehler, der dafür gesorgt hat, dass die Nazis früher laufen konnten, ihr wollt nicht vereint mit den anderen Antifas kämpfen.
Antiimps und Antid's müssen sich in Dresden auf die Nazis konzentrieren. Echt, ey!
unfassbar
Dein Beitrag ist eine Frechheit und zeugt entweder von Unwisenheit oder Dummheit.
Früher konnten die Nazis in Dresden marschieren, weil keine 20.000 Leute blockiert haben. Und wer waren diese Leute? Keine "linke Szene", sondern Antifaschisten von jung bis alt. Die Antideutschen spielten einfach keine Rolle und No pasarán! hat es seit 2009 mit kontinuierlicher Arbeit geschafft, dass über die Antifa-Szene hinaus Leute aktiviert wurden (siehe Aktionskonferenzen). Bevor No pasarán! aktiv wurde marschierten in Dresden ein paar Hundert Anti-Ds mit ihren blau-weißen Putzlappen, USA-Fahnen und anderem Müll. An Verhinderung war nicht zu denken.
Und hör mit diesem Anti-D vs. Anti-Imp - Dreck auf. Antideutsche sind weit entfernt von linjken Standpunkten und nicht jeder, der Antideutsche verachtet, ist ein sog. Anti-Imp. Wo lernst du denn diesen Schwachsinn?
gegen Spalterei
Vielleicht bist du halt nicht der Einzige der links sein definieren darf. Antids sind nicht weniger links als Antiimps und beide haben echt merkwürdige Positionen. Dresden hat gut geklappt, weil es eine spektrenübergreifende Orga war und eben nicht nur Antiimps unterwegs waren. Pluralistische Aktionsformen waren erfolgreich. Auch wenn man mit verschiedenen Leuten vielleicht ein Problem hat, sollte man sich an so einem Tag auf die Aufgabe konzentrieren.
Schön, dass wenigstens die MannheimerInnen auf http://linksunten.indymedia.org/de/node/35270 Solidarität statt Gewalt fordern!
Antids
Es gibt genug 'Antids' die sich nicht als Links bezeichnen.
Außerdem schaue sich einer mal die Bündnisse an, soweit ich das sehe steckt in beiden Bündnissen keine Gruppe mehr die sich irgendwie in ein Antideutsches-Licht schieben lässt.
bäää
Ja, wem gebührt denn nun eigentlich der Ruhm für die Blockaden? Das ist doch sowieso die wichtigste Frage. Was nützt ein verhinderter Naziaufmarsch, wenn sich nachher niemand die Federn dafür an den Hut stecken kann?
Wer in den Gruppen und Bündnissen ideologisch wie drauf ist, ist zum einen eine absolut irrelevante Frage und zum anderen hast du ja auch anscheinend keine Ahnung davon.
Das gerade Menschen, die sich antiimp nennen aber anscheinend nicht damit klar kommen, dass es nciht um Fame geht, dass macht sie neben ihrer unreflektiertheit auch noch unsympatisch. Beispiele dafür sind der Artikel und die Kommentare.
Insbesondere in Freiburg scheint es ja Menschen zu geben, die absolut alles in ihr komisches Machtkampf-Schema pressen müssen. Das ist mir jetzt schon bei mehreren Artikeln aus Freiburg aufgefallen und ist IMHO ziemlich erbärmlich.
Und BTW: Nur weil es einige Menschen gibt die sich "Antideutsch" und nciht links nennen, sagt das auch noch lange ncihts über den Rest aus. Oder sind Antiimps jetzt auch ncoiht mehr links weil MakkssDamage, der sich ja bekanntlich als Antiimperialist begreift sich jetzt auch nicht mehr links nennt? Oder weil die Antiimperialisten bei den autonomen Nationalisten sich nicht links nennen? Sind jetzt alle Antiimps rechts, oder zumindest nicht mehr links?
Solche Argumentationen bringen einen weiter....
dummes gelaber
weder antiimp noch antid, sondern ANTIFA. wann blickt ihr das endlich?! die antifaschistische "bewegung" lässt sich nicht wie schwarz und weiss in antiimp und antid aufteilen. meine güte echt mal.
volle Zustimmung
Ich sehe das genauso. Wie soll denn bitte ein vernünftiger Widerstand entstehen wenn sich die Leute untereinander so sehr bekämpfen. Und diese endlosen Debatten wer "links" ist oder nicht, oder wer in welcher Form AntiImp oder AntiD ist helfen UNS im Kampf gegen Faschisten nicht weiter.
Meine Devise: Gemeinsam kämpfen, jede_r so gut wie sie_er kann und das auf allen Ebenen.