Proteste gegen GenitalverstümmlerInnen in Weiß

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen

Zum dritten Mal in Folge gab‘s am letzten Sommerferienwochenende eine Protestaktion vor einem schweizer Kinderspital, in dem kleine Kinder chirurgisch genitalverstümmelt werden; die dortigen Verantwortlichen wurden in einem Offenen Brief aufgefordert, öffentlich über ihre Handlungen Rechenschaft abzulegen. Gleichzeitig wurden die Menschenrechtsverletzungen an Zwittern im Sport kritisiert.

Zum Genitalabschneider-Jahrestreffen „DGKJ 2010“ in Potsdam-Babelsberg sind diese Woche vom 15.-18.09. weitere Aktionen und sonstige Veranstaltungen angekündigt.

 

   Inhalt
   3. jährliche Protestaktion vor CH-Kinderspital
   Menschenrechtsverletzungen an Zwittern im Sport
   „DGKJ 2010“: Genitalabschneider-Jahrestreffen in Potsdam
   PolitikerInnen als MittäterInnen
   GenitalverstümmlerInnen & Co. hinter Schloss + Riegel!
   Proteste + Infoversanstaltungen Potsdam/Babelsberg/Berlin
   Weitere Veranstaltungen 16.09.
      1) Köln: Buchpremiere von Christiane Völling
      2) Berlin: Fachgespräch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)
   Der Kampf geht weiter ...


3. jährliche Protestaktion vor CH-Kinderspital

Nach Zürich 2008 und Bern 2009 lud die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org auf den 22.08.2010. Medien und solidarische Mitstreiter_innen zu einer weiteren (unangemeldeten) friedlichen Protestaktion, dieses Jahr vor dem Kantonsspital Luzern. Es wurden Flugblätter verteilt, vor Ort über die Menschenrechtsverletzungen hier vor der Haustüre informiert (mit fast ausschliesslich positiven Reaktionen sowohl von BesucherInnen wie auch von MitarbeiterInnen), und an die Verantwortlichen ChirurgInnen und EndokrinologInnen ein Offener Brief überreicht. Darin wurde wurde auf öffentlich gemachte Aussagen aus dem Kinderspital erinnert, die Zwangsbehandlungen dokumentieren und verteidigen, ebenso wie daraus resultierende ethische Konflikte sowie menschen- und strafrechtliche Konsequenzen. Erneut beteiligten sich solidarische Nichtzwitter auch aus anderen Zusammenhängen. Danke!

Die Medienresonanz war diesmal lokal beschränkt, aber wiederum erfreulich. Pikanterweise hatte die zur NZZ-Verlagsgruppe gehörende Quasi-Monopol-Sonntagszeitung der politisch C-dominierten Zentralschweiz in einem ganzseitigen Artikel zum Thema im Voraus auf die unangemeldete „Demonstration“ hingewiesen – die Kurzmeldung in der lokalen Montagsausgabe schloss prompt: „Die Aktion verlief gemäss der Polizei friedlich.“


Menschenrechtsverletzungen an Zwittern im Sport

Gleichentags gewann die öffentlich als Zwitter verdächtigte Läuferin Caster Semenya im Berliner Olympiastadion ihr 3. Rennen nach Aufhebung der über 11-monatigen Sperre, letzteres Dank Unterstützung durch südafrikanische Regierung und nicht zuletzt Dank eines unentgeltlich für sie kämpfenden, internationalen Anwaltsteams.

Zwischengeschlecht.org dokumentierte zu diesem Anlass erneut die Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen durch die offensichtlich lernresistenten internationalen Sportverbände IAAF (Weltathletikverband) und IOC (Internationales Olympisches Komitee), die als Reaktion künftig noch enger mit den GenitalverstümmlerInnen zusammenarbeiten wollen:

Zwitter (und als solche Verdächtigte) sollen nur noch zugelassen werden nach „Operationen und Hormontherapie“ (IOC-Chefmedizyner Arne Ljungqvist, 20.01.2010).

„Diejenigen, welche in die Behandlung einwilligen, werden eine Starterlaubnis erhalten. Diejenigen, die eine Behandlung auf einer Fall-zu-Fall-Basis verweigern, werden keine Starterlaubnis erhalten.“ (IOC/IAAF-Expertin Maria I. New, 20.01.2010 – Dr. New steht aktuell in den USA unter Beschuss wegen unethischer pränataler Hormonzwangsbehandlungen.)

Erfreulicherweise wurde am Tag von Caster Semenyas Sieg in deutschsprachigen Onlinemedien auch dieser Aspekt aufgegriffen (mehr dazu hier und hier).


„DGKJ 2010“: Genitalabschneider-Jahrestreffen in Potsdam

Jeden Tag wird in Deutschland in einer Kinderklinik mindestens ein wehrloses Kind irreversibel genitalverstümmelt.

Diese Woche versammeln sich in Potsdam-Babelsberg 2 der 3 hauptsächlich verantwortlichen Genitalabschneider-Standesorganisationen zur „DGKJ 2010“:

- Die organisierende „Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ)“ ist auch federführend bei der aktuell geltenden AWMF-Verstümmlerleitlinie 027/022 „Störungen der Geschlechtsentwicklung“.

Diese Leitlinie steht seit längerem in der Kritik, weil sie ethische Empfehlungen zwar anführt, jedoch hauptsächlich als Feigenblatt und Rechtfertigung zu menschenverachtenden Zwangseingriffen.

Und dadurch „Situation[en]“ schafft, in denen „der informed consent aller Wahrscheinlichkeit nach Makulatur ist und letztendlich die Ethik nur noch als Freifahrtschein dazu dient, an die Eltern eine ohnehin feststehende Entscheidung abzudelegieren.“ (Claudia Wiesemann am „Forum Bioethik“ des Deutschen Ethikrates, 23.06.2010).

- Die mitorganisierende „Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH)“ führt in diesen „Situation[en]“ das Skalpell – sowie in Babelsberg zeitgleich mit der DGKJ ihre Jahrestagung durch (mit Preisverleihung).

(Die 3. Gruppe der medizynischen Hauptverantwortlichen, die EndokrinologInnenverbände APE und DGE, sind in Potsdam zwar auch anwesend, führen ihre Jahresversammlungen aber getrennt im November durch.)


PolitikerInnen als MittäterInnen

Nach wie vor operieren die ChirurgInnen offensichtlich ebenso unkontrolliert wie unbeirrbar weiter. Und werden von Behörden und PolitikerInnen offensichtlich ebenso unkontrolliert wie unbeirrbar weiter gedeckt:

- Eröffnet wird der Genitalverstümmlerkongress in Potsdam hochoffiziell von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD).

- Der Senat Wowereit III behauptete betreffend Genitalverstümmelungen vor der eigenen Haustüre noch am 17.06.2010 treuherzig:

„Dem Senat liegen keine Erkenntnisse über konkrete Fälle mit derartigen Eingriffen oder Therapien vor. Eine rechtliche Beurteilung ist somit nicht möglich.“ (Drucks. 16 / 14436, S. 2).

„Auch gibt es keine Erkenntnisse darüber, ob und welche Krankenhäuser in Berlin solche Behandlungen an Kindern vorgenommen haben.“ (Drucks. 16 / 14436, S. 1).

Tatsache bleibt, dass „solche Behandlungen an Kindern“ im Zuständigkeitsbereich des Berliner Senats z.B. in der Charité seit Jahr und Tag systematisch „vorgenommen“ werden

– während der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sich gleichzeitig öffentlich als Zwitterbeschützer aufspielt.

Die ZwangsoperateurInnen und HelfershelferInnen danken.

 
GenitalverstümmlerInnen & Co. hinter Schloss + Riegel!

Auch in der aktuell laufenden Debatte um die Einführung eines eigenen Straftatbestandes „weibliche Genitalverstümmelung“ blieben die chirurgischen Verstümmelungen an Zwittern bisher bezeichnenderweise einmal mehr komplett aussen vor (anders als in der Schweiz).

Obwohl bekanntlich diverse ExpertInnen, darunter Hanny Lightfoot-Klein, Marion Hulverscheidt und Fana Asefaw, wie auch Terre des Femmes seit Jahren die öffentliche Anklage überlebender Zwitter untermauern, die Zwangsoperationen seien nichts anderes als eine „westliche Form der Genitalverstümmelung“.

2009 war es Christiane Völling als erster überhaupt gelungen, in Köln einen Chirurg für einen Zwangseingriff an einem Zwitter wenigstens zivilrechtlich vor die Justiz zu bringen. Mit Erfolg: Nach 2-jährigem „Zwitterprozess“ wurden ihr in 3. Instanz 100‘000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

Der Zwangsoperateur hatte Christiane Völling laut OLG Köln „vor der Operation nicht hinreichend aufgeklärt und sie daher mangels wirksamer Einwilligung schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt“, und zwar „in ganz erheblichem Maße“ (5 U 51/08).

Seither scheiterten wiederum alle Versuche, einen Zwangsoperateur vor Gericht zu bringen, stets am selben Knackpunkt – Verjährung.

Immerhin hielt 2010 nun auch Amnesty Deutschland an der Generalversammlung 2010 in einem bahnbrechenden Beschluss zum ersten mal unmissverständlich öffentlich fest:

„Im Mittelpunkt der Bemühungen steht die Ächtung einer medizinischen Praxis, intersexuellen Menschen entweder im frühen Kindesalter ohne Einwilligungsfähigkeit – oder Erwachsenen ohne Aufklärung über Folgen – auf operativ-medikamentösem Weg ein eindeutiges Geschlecht „zuzuweisen“. Dies wird als fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde und auf Nicht-Diskriminierung) gewertet, da solche Maßnahmen in den allermeisten Fällen aus medizinisch-gesundheitlicher Sicht keinerlei Begründung haben.“


Proteste + Infoveranstaltungen Potsdam/Babelsberg/Berlin 15.-18.09.

Zwischengeschlecht.org protestiert anlässlich der „DGKJ 2010“ vor Ort in Potsdam-Babelsberg – gegen die täglichen Verstümmelungen und gegen die Untätigkeit von Justiz und Politik:

--> Bewilligter friedlicher Protest während der Medizyner-Pressekonferenz zur Eröffnung der „DGKJ 2010“ am Do 16.09.2010 von 12:30-15:30 Uhr.

--> Ebensolche Mahnwache während der parallel stattfindenden Jahresversammlungen von DGKJ und DGKCH am Sa 18.09.2010 von 15:30 bis 18:30 Uhr.

>>> Mehr Infos zu den Protesten hier!

--> Informationsveranstaltungen zu den Protesten
Potsdam: Mi 15.9. 20h @ KUZE
Berlin: Do 16.9. 20h @ TRISTEZA


Weitere Veranstaltungen Do 16.09.2010

Am Eröffnungstag der „DGKJ 2010“ sind zusätzlich folgende Veranstaltungen angekündigt:


1) Köln: Buchpremiere von Christiane Völling

Christiane Völling, die als erster (und immer noch einziger) Zwitter ihren ehemaligen Chirurgen vor Gericht brachte und auch noch gegen ihn gewann, liest in Köln aus ihrem Buch „Ich war Mann und Frau. Mein Leben als Intersexuelle“, mit anschliessendem Gespräch und Diskussion. Ebenfalls anwesend: Buch-Co-Autorin Britta Dombrowe, die soeben einem Dok-Film zum Thema fertigstellte (Erstausstrahlung: ARTE 08.10.2010, 21.45 Uhr).
Frauenbuchladen „Buch am Dreieck“, 19:30 Uhr.


2) Berlin: Fachgespräch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)

Zeitgleich zum ersten Protest in Potsdam findet einer der immer wieder beliebten Blabla-Anlässe statt, an denen die Genitalverstümmelungen an Zwittern jeweils (auch) irgendwie "(mit)gemeint" sind, diesmal in einem Workshop Nr. 6 „Geschlechtsausdruck, geschlechtliche Identität, Zwei-Geschlechter-Ordnung: Diskriminierung von Trans*, Inter* und schwul-lesbisch-bi lebenden Menschen“.
Anmeldung und Programm: http://www.ads-fachtagung.de/

Intersexuelle Menschen e.V. wird dort eine schriftliche Note „Diskriminierungen im Leben von intersexuellen Menschen“ übergeben.

Ob sich daraus eine konkrete Praxis gegen die GenitalabschneiderInnen entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Zumindest bisher dienten solche Veranstaltungen ausschließlich als Feigenblatt, wenn verantwortliche PolitikerInnen sich später öffentlich herauslügen wollen, eigentlich würden sie im Gegenteil ja etwas für die Menschenrechte der Zwitter tun:

Bezeichnenderweise waren mehrere der am aktuellen „Fachgespräch“ Beteiligten bereits an einer ähnlichen Veranstaltung des Berliner Senats vom November 2004 mit von der Partie – auf welche vom heutigen Berliner Senat nach bewährtem Muster in der oben bereits erwähnten Drucksache 16/14436 vom 17.06.2010 auf S. 2 abschließend „verwiesen wird“ ...


Der Kampf geht weiter ...

Solange die GenitalabschneiderInnen und ihre HelfershelferInnen sich weiter in Sicherheit wiegen können, verjährungshalber für ihre an Kleinkindern begangenen medizinischen Verbrechen von vornherein nicht strafrechtlich belangt werden zu können, werden sie kaum je freiwillig mit den für sie lukrativen Verstümmelungen aufhören.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und „Menschenrechte auch für Zwitter!“.

http://Zwischengeschlecht.org

Regelmässige Updates: http://Zwischengeschlecht.info

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Hoffe das solche Aktionen auch endlich mal gegen Muslime und Juden organisiert werden. Beschneidungen sind Genitalverstümmelung.

 

Im Namen "Gottes".

ich gebe dir inhaltlich recht. aber deine anspruchshaltung ist zum kotzen.