Männer-Fußballweltmeisterschaft und Gesamtgesellschaftlicher Nationalismus

1759005240_092ae3a712.jpg

Senf zur Bockwurstparty 2010

Mit dem Eröffnungsspiel, Südafrika gegen Mexiko, beginnt die Fußballweltmeisterschaft der Männer am 11. Juni 2010. Schon im Vorfeld sind sie wieder überall zu gegen: Die Nationalfahnen und -trikots. Ob an Autos oder Häußern, ob auf der Straße oder in Gaststätten, das Feiern des Konstrukts Nation hat sich über die letzten Jahre in den Gesellschaften, allen voran in der Deutschen, etabliert. Eine Art neue Volksgemeinschaft wird projektiert.

 

Gerade einmal 65 Jahre nach Auschwitz, 18 Jahre nach den Progromen in Rostock- Lichtenhagen, suggerien Medien und Nationale Politiker ein völkisches Kollektiv. Und dieses wird von den Deutschen ohne Widerspruch, sondern dankend angenommen. Reflexion erscheint hierbei als Fremdwort. Stattdessen wird einheitlich die Nation gefeiert. "Wir"- Gefühl, wie es die Medien und Zeitungen wie beispielsweise die Bild, RTL oder Pro Sieben schon seit Jahren suggerieren, macht sich wieder breit. Dem zu Folge gibt es auch einen Gegenpol: "Die Anderen". "Die Anderen", dass sind die, die nicht mit Schwarz- Rot- Goldenen Fahnen im Pulk mitmischen, oder die, die eine andere Nation, ebenso völkisch, abfeiern. Ausgrenzung, eine Spaltung der Menschen untereinander, ist die Folge. Xenophobe, rassistische und antisemitische Übergriffe sind das Ergebnis. Dieses Ergebnis bestätigt die letzte Fußballweltmeisterschaft der Männer 2006, als der Deutsche Mob in Sachsen[1] hatz auf MigrantInnen machte, Dönerbuden anzündete und der Welt zeigte, dass sie nicht "zu Gast bei Freunden" ist. Gerade diese Menschen, rechte (-offene) Hooligans und Neonazis, leben das im Extremen aus, was die deutsche Zivilgesellschaft im Latenten lebt: Der Stolz auf die Nation. Hooligans, die sich bei der Männerfußballweltmeisterschaft unter dem Dach "Deutschland" aus teils verfeindeten Städten nur deswegen zusammenrotten, um für die "Ehre der Nation" zu streiten, leben diesen geamtgesellschaftlichen Standard exzessiv und unter Anwendung von Gewalt gegen "die Anderen".[2] Die nationalistische Zivilgesellschaft distanziert sich nur über die Presse entrüstet, wenn es zu solchen völkischmotivierten Übergriffen kommt. Die Presse stellt mit ihrer Berichterstattung die Nation wieder ins rechte (wie treffend) Licht, um das Konstrukt gegenüber den anderen Nationen nicht rassistisch wirken zu lassen, verschleiert aber die gesellschaftlichen Zustände, die diese Übergriffe erst möglich gemacht haben und dass die Gesamtgesellschaft latent und eher zurückhaltend die Nation feiert. So können sich auf die gesamte Masse ganz ohne Gegenwehr Rassismus und Antisemtismus breit machen. In den östlichen Bundesländern dürfte dieser wohl am weitesten Fortgeschritten sein.

Mügeln; dieser Ort hat sich aufgrund der xenophoben Hetzjagd eines deutschen Mobs in das Gedächnis gebrannt. Hier haben eben nicht nur rechte (-offene) Hooligans und Neonazis ihren Nationalismus offen ausgelebt, sondern die gesamte Gesellschaft. Ein deutscher Mob, der sich wie bei der Weltmeisterschaft zusammenrottet, jagde acht Menschen indischer Herkunft durch die Straßen[3]. Seit dem hat sich nichts geändert. Im April 2010 zeigte die Gesellschaft Mügelns, dem Paradebeispiel deutscher Ordnung und Norm, wieder einmal Gesicht beim Männerfußballspiel gegen den Roten Stern Leipzig. Über die gesamte Spielzeit wurden Anhänger und Spieler der Leipziger Mannschaft als "Juden" im Sinne einer Beleidigung bezeichnet oder "einen Baum, ein Strick, ein Judengenick" gefordert[4]. Erst in der 80. Minute brach der deutsche Schiedsrichter das Spiel ab, nachdem von sogenannten Fans des SV Mügeln das berühmt- berüchtigtge U-Bahn-Lied angestimmt und "ein Zug von Jerusalem bis nach Auschwitz" gesungen wurde. Eben typisch Deutsch. Genauso Deutsch und Stolz darauf wie Peter Harry Carstensen. Nur ist dieser, wie die gesamte Zivilgesellschaft, geistiger Brandstifter. Auch wenn sie sich offiziell gegen Rassismus und Antisemitismus ausspricht, ist sie keineswegs reflektiert. Ebenso wie die FIFA oder all jene die behaupten, die Männerfußballweltmeisterschaft diene der "Rassenfreundschaft". Seit Monaten gibt es immer die Frage im Allgemeinen in den Medien: "Schaffen die Schwarzen das überhaupt, eine Weltmeisterschaft zu organisieren?" Gerade, just in diesem Moment geht diese Frage wieder um, nachdem es beim Freundschaftsspiel Nigeria gegen Nordkorea zu turbulenten Szenen gekommen ist, bei denen mehrere Menschen teils schwer verletzt wurden[5]. Auch wenn nicht Südafrika, sondern die Veranstalter für die Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich waren, wird nun so getan als ob es "die Schwarzen nicht hinbekommen". Da erinnern die Medien in einem Atemzug auch gerne an die Männerfußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, in deren Verlauf, dank Deutscher Ordentlichkeit, es nicht zu solchen Szenen gekommen ist, ohne dabei die Übergriffe auf "die Anderen" zu nennen. Und eben dies schürt den Rassismus. Jeder Soziologe wird bestätigen, dass es innerhalb einer Nationalen Großveranstaltung zu zunehmenden Rassismus kommt. Immer dann, wenn die Nationen wieder aufgefordert sind gegeneinander zu streiten. Dabei geht es gerade in der WM der Männer überhaupt nicht mehr um Fußball. Es ist ein kollektives Abfeiern und Fahnenschwenken im Sinne der Nation, völkisch motiviert. Anders lässt sich sogenanntes Public Viewing nicht beschreiben. Jede_r die_der schon einmal dabei war weiß, dass hier kaum einer Fußball schaut. Dort darf der Durchschnittsdeutsche sich seinen Bierbauch Schwarz- Rot- Gold anmalen, nebenbei ein Paar Bier trinken, ohne dabei aber die sexistischen Kommentare zum Spielverlauf zu vergessen. Und nach dem Spiel wird dann die Bockwurst in die Luft geschmissen und die Straße gestürmt. Hierbei ist egal ob Sieg oder Niederlage, was nochmals deutlich zeigt dass es hierbei keineswegs mehr um den Fußball geht. Xenophobe und antisemitische Parolen werden unter einem Adrenalinschub in der Masse der "Deutschland, Deutschland" Schreienden gegröhlt. Alles was nicht in den deutschen Schwarz- Rot- Goldenen Freudentaumel passt, wird hemmungslos ausgegrenzt. Ebenso wie Frauen. Fußball wird immer noch als Männerdomäne in der Gesellschaft angesehen. Auch das zeigt die Männerfußballweltmeisterschaft durch ihre große Resonanz deutlich. Sexistische Wortwahl und Forderungen kommen fast nirgendwo anders so häufig vor, wie beim Fußball[6]. Ebenso wie die unterschwellig- sexistische Werbung für die Männerfußballweltmeisterschaft. Während hier die Männer die Funktion des Starken und Kräftigen auf Plakattafeln oder im Fernsehn übernehmen, werden Frauen als sexuelle Anschaungsobjekte in kurzen Hosen und mit knappen Trikot der Nationalmannschaft gezeigt. Ich möchte damit nicht sagen, dass Frauen sich nicht in diesem Kollektiv bewegen, sondern, dass sie innerhalb dieses Kollektivs nicht die Akzeptanz wie ein Männer erhalten. Es herrscht ein extremes Patriarchat.

Aus genau diesen Gründen ist die Männerfußballweltmeisterschaft, der Wettstreit der Nationen, für eine fortschrittliche Gesellschaft nicht tragbar und eine Gefahr für jegliches solidarisches und emanzipatorisches Zusammenleben. Dieser Spuk muss auf Negation unter den Menschen treffen und darf keinerlei Resonanz erfahren. Nationalismus muss durch Kritik und Praxis einhalt geboten und die Menschen aufgeklärt werden. Frei nach Adorno: "Die Menschen sind davon abzubringen, ohne Reflexion auf sich selbst nach außen zu schlagen."

 

Kritik und Ergänzungen erwünscht.

 

[1] http://www.sueddeutsche.de/sport/ausschreitungen-nach-em-halbfinale-angr...

[2] http://npd-blog.info/2010/04/25/mugeln-rsl-100/

[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,500884,00.html

[4] http://www.taz.de/1/sport/artikel/1/die-hetzer-von-muegeln/

[5] http://sportbild.bild.de/SPORT/fussball-wm-2010/2010/06/06/nordkorea-nig...

[6] http://maedchenblog.blogsport.de/?p=204

 

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Am 12.6 raus nach Weilheim gegen Fanmeile,Volksparty und Mackerscheiße!

 

Infos gibts unter: www.platzverweis.tk

 

 

:

Bald ist es wieder so weit: Der Alltag der kommenden Wochen wird durch
ein eigentlich banales Sportereignis geprägt sein, und wie 2006 werden
schwarz-rot-goldene Fanmeilen die harmloseste Zumutung der WM darstellen.
Wenn die Deutschen, wie auch andere Nationen, sich feiern, wird Rassismus zur Normalität. Eindrucksvoll zu sehen war das schon zur WM 2006, als Dönerbuden und Pizzerien auch vom „ganz normalen Fußball-Partyvolk“ gestürmt wurden. Wo der deutsche Mob grölend sein „Deutsch-Sein“ abfeiert und zur Aggressivität gegenüber Allem „volksfremdem“ neigt, ist eine strukturelle Nähe zu den Pogromen von Mölln, Solingen, Hoyerswerda usw. kaum von der Hand zu weisen.

Die verbreitete These vom guten Patriotismus auf der einen und schlechtem Nationalismus auf der anderen Seite, ist bürgerliche Propaganda. Der positive Bezug auf die „eigene“ Nation ist immer ein Akt des Ausschlusses Anderer, ob er sich durch Hervorhebung vermeintlich ganz besonderer, eigener Kulturleistungen oder der Sprache legitimiert, oder durch eine rassistisch begründete Volkszugehörigkeit, die andere „Rassen“ als „volksfremd“ und Minderwertig ablehnt.

Die moderne Stadionkultur ist zusätzlich durchdrungen von Sexismus.Eine Kultur, die Werte wie Ehre, Ruhm, Stärke und Männlichkeit affirmiert, muss zur Zielscheibe emanzipatorischer Kritik werden. Auch die diesjährige WM wird nicht ohne rassistische Ausschreitungen und einem unertragbaren Männerkult über die Bühne gehen. Dies sind nur einige der Probleme, die letztlich in der Mitte der Gesellschaft verankert sind und für die die WM nur einen Verstärker und eine Ausdrucksplattform darstellt.

Mit der „Deutschland? — Platzverweis!“ Kampagne wollen wir ein
Zeichen setzen gegen die Zumutungen des bürgerlichen Alltags,
insbesondere während der WM!

Wir rufen auf zur:

Antinationalen Demonstration
am 12.06.2010 in Weilheim
um 14.00 Uhr, Bahnhof