Nach drei Verhandlungstagen ist am gestrigen Dienstag am Amtsgericht Pforzheim das Urteil gegen drei Antifas gesprochen worden. Die drei Genossen wurden wegen einer Auseinandersetzung mit lokalen Nazis zu Haftstrafen von einem Jahr und vier Monaten bis zu einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Für Samstag ruft das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region zu einer Solidaritätskundgebung in Pforzheim auf.
>> Der Vorfall
Zu Hochzeiten der Pegida-Bewegung fanden in Karlsruhe wöchentliche Aufmärsche des lokalen Ablegers „Kargida“ statt. Von Beginn an waren die Aufmärsche von der lokalen Naziszene dominiert und auch aus Pforzheim beteiligten sich regelmäßig Nazis der faschistischen Kleinstpartei „Die Rechte – Enzkreis“.
Am 10. März 2015 kam es im Regionalzug von Stuttgart nach Karlsruhe zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Antifas, welche die Gegenproteste in Karlsruhe unterstützen wollten, und zugestiegenen Nazis. Die kurze Auseinandersetzung verlief zu Ungunsten der Faschisten, sodass diese im Nachgang wahllos ihnen bekannte Antifas beschuldigten. Schließlich wurde vor Ort niemand festgenommen.
>> Der Prozess & das Urteil
Auf Basis der widersprüchlichen und willkürlichen Aussagen der Nazis wurde letztlich gegen drei Antifas Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft warf den Genossen gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung zu Ungunsten der Pforzheimer Nazis um Fabian Koeters vor. Diese traten im Prozess als Nebenkläger auf, vertreten wurden sie vom bekannten rechten Szeneanwalt Heinig.
Die umfangreiche Beweisaufnahme zog sich über zwei Verhandlungstage, am dritten fiel dann das Urteil. Weder die Vielzahl an ZeugInnen, noch andere Beweise konnten die Angeklagten eindeutig belasten. Dennoch forderte der Staatsanwalt, mit dem Verweis auf die „Signalwirkung“, ein Exempel zu statuieren. Der Richter am Pforzheimer Amtsgericht verurteile die drei Antifas letztlich zu Haftstrafen ohne Bewährung und war sich nicht zu schade in der Urteilsbegründung antifaschistische Politik mit der menschenverachtenden Praxis der deutschen Faschisten 1933 gleichzusetzen.
>> Antifaschismus bleibt notwendig und legitim!
Das Pforzheimer Urteil ist in Anbetracht der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein Skandal. Während in der gesamten Bundesrepublik immer wieder Unterkünfte für Geflüchtete brennen und ein immenser Anstieg faschistischer Gewalt zu verzeichnen ist, trifft die staatliche Repression genau die, die sich der Hetze von Rechts in den Weg stellen.
Gerade in und um Pforzheim ist das Engagement gegen Rechts mehr als notwendig. Neben der alljährlichen faschistischen Fackelmahnwache kommt es regelmäßig zu Übergriffen auf MigrantInnen und Linke. Während die Stadt das Problem totschweigt oder sich in Totalitarismustheorien flüchtet, gibt es seit Jahren einen kontinuierlichen antifaschistischen Widerstand. Mit dem Urteil gegen die drei Genossen soll dieses Engagement stellvertretend kriminalisiert werden.
Zeigt euch solidarisch mit den betroffenen Antifas!
Kommt zur Kundgebung am Samstag (20. Mai) um 16 Uhr auf den Leopoldplatz in der Pforzheimer Innenstadt!
Antifaschismus ist und bleibt legitim!
Erklärung des Bundesvorstands der Roten Hilfe
Haftstrafen für Angriff auf Neonazis in Pforzheim
Am 16. Mai wurden drei Antifaschist*nnen in erster Instanz zu Haftstrafen zwischen eineinhalb Jahren und einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Sie sollen laut Anklage im März 2015 zwei Neonazis auf dem Weg zu einer „Kargida“-Veranstaltung in Karlsruhe angegriffen haben.
Bei der Gruppierung handelt es sich um eine der zahlreichen Ableger der „Pediga“, einem Sammelbecken rechtspopulistischer bis neonazistischer Kräfte, die in diesem Zeitraum ihren Hochpunkt erlebt und bundesweit vielerorts wöchentlich gegen Geflüchtete und Migrant*innen, insbesondere Muslime, gehetzt hatte. Zudem hatten sie im Ermittlungsverfahren wahllos Fotos und Videos von Teilnehmer*innen linker Kundgebungen in Pforzheim vorgelegt und damit willkürlich Personen beschuldigt. Das Urteil ging letztlich sogar in zwei Fällen über das Plädoyer der Staatsanwaltschaft hinaus. Begründet wurde dies mit der „Verteidigung der Rechtsordnung“.
Hierzu erklärt Heiko Lange, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.: „Das Urteil schützt keine Rechtsordnung, es ist ein Freibrief für organisierte Neonazis, wahllos Aktivist*innen gegen Rechts anzuzeigen und damit vor Gericht noch Recht zu bekommen. Es hat den Anschein, als sollten Antifaschist*innen eingeschüchtert und vom legitimen Protest gegen nationalistische Hetze und rechte Gewalt abgehalten werden. Gerade vor dem Hintergrund einer erstarkenden Rechten in Deutschland ein fatales Zeichen.“
Quelle: https://rote-hilfe.de/78-news/presse/791-haftstrafen-fuer-angriff-auf-ne...
Widerspruch?
Kann das Urteil noch angefochten werden?
Ja
Da es im Amtsgericht war, gibt es die Möglichkeiten der Berufung wie auch der Sprungrevision. Wobei ersteres mehr Sinn machen würde, da bei der Revision keine neuen Tatsachen verhandelt werden. Und bei dieser eigenartigen Beweisführung würde eine Berufung die Möglichkeiten bieten, angeblich belastende Punkte anzugreifen.
Was ich den drei Angeklagten aber raten würde: Verzichtet doch auf die Prozessbeteiligung aus dem eigenen Lager. Diese würde ich nämlich als einen Faktor benennen, warum der Richter mit seinem Urteil "die Antifa"(lol) ansprach, und auch das Urteil entsprechend ein Exempel statuieren sollte. Er war sichtlich genervt während des Prozesses.
Werte Genoss*innen,
fragt doch mal bei eurer örtlichen Rote Hilfe Gruppe nach ein paar Tipps, wie und warum man so eine Aktion unerkannt durchzieht. Trotzdem viel zu hartes Urteil, das wird keiner Revision standhalten.
Viel Glück!