Der Einsatz im Inneren ist längst Realität

Bundeswehrsoldaten der Spezialeinheit KSK bei einer Übung im mecklenburg-vorpommerischen Putgarten

Boris Boillon, der Vorsitzende der Innenminister*innenkonferenz freut sich. Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren zusammen mit der Polizei steht kurz vor dem Durchbruch: „Ich erwarte, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bundesinnenminister Thomas de Maizière am 31. August grünes Licht für die Übungen geben", sagte er laut „Zeit online“. Doch der Einsatz des Militärs im Inneren ist längst Realität.

 

Dürfen die das?

Die „Zeit“ fängt nach der Ansage der Innenminster*innenkonferenz immerhin an zu rätseln: „Erlaubt das Grundgesetz einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren?“ und beantwortet die Frage mit einem klaren Jain. Cem Özdemir von den Grünen nutzt die Gelegenheit, eine stärkere Polizei zu fordern und staatstragend Kritik an staatlich bezahlten Gewalttäter*innen zu diskreditieren, denn er hält derartige Forderungen für einen „Misstrauensbeweis“ gegenüber der Polizei: „Wenn ich mit der Polizei rede und höre, wo dort der Schuh drückt, hat mir noch kein einziger Polizist gesagt, er brauche die Bundeswehr im Innern. Aber viele haben mir gesagt, wir haben ein Ausstattungs-, wir haben ein Kommunikations- und Abstimmungsproblem, wir haben auch ein Personalausstattungsproblem.“ Und der Protest des Bundesvorsitzenden der Linken, Bernd Riexinger, ist butterweich: „ Wir haben aus gutem Grund eine klare Aufgabenteilung zwischen Bundeswehr und Polizei. Ich halte nichts von Einsätzen der BW im Innern.“ Durch den Verweis auf das „ich“ lässt er regierenden Parteimitgliedern (z.B. in Thüringen) Hintertüren offen.

 

Der Einsatz im Inneren ist längst da

Doch was weder die Zeit noch die Opposition beachten: Der Militäreinsatz im Inneren ist längst da. So jubelt die Grüne Bundestags-Fraktion selber in einer kleinen Anfrage: „Die Bundeswehr vermag bei Naturkatastrophen und ggf. besonders schweren Unglücksfällen Hervorragendes zu leisten. Das zeigte die Flutkatastrophe von 2013 mit erfolgreicher zivil-militärischer Zusammenarbeit und zeigt die gegenwärtige Amtshilfe zugunsten von nach Deutschland Geflüchteten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, außer dass das natürlich auch für die Zusammenarbeit von Militär und Polizei bei Protesten wie dem G7-Gipfel in Elmau gilt. Bereits vor 10 Jahren beim G8-Gipfel in Heiligendamm bewachten Panzer Genfelder und Tornado-Kampfflugzeuge überwachten Camps der Protestierenden.

 

Rechtliche und materielle Grundlagen längst geschaffen

Auch das Argument, dass die Verfassung den Militäreinsatz im Inneren verbieten würde, ist mittlerweile Quatsch. Egal, was sich Polizei und Militär in den letzten Jahren bei Protesten herausgenommen haben, erklärten Gerichte für legal. Auch die Infrastruktur für die Verzahnung von Polizei und Militär gibt es bereits. Zum einen sitzt in jedem Landratsamt der Republik mittlerweile ein Militärberater für „Zivil-Militärische-Zusammenarbeit“, der Zugang zu allen Krisenstäben hat und „beratend“ an Sitzungen teilnehmen darf. Und bei den Regionalkommandos wurden Reservist*innenkompanien eingerichtet, die extra für die Unterstützung der Polizei bei „Großlagen“ zuständig sind.

 

Fehlenden Ausbildung?

Die Grünen behaupten zudem, dass das deutsche Militär nicht für den Einsatz in Inneren ausgerüstet oder ausgebildet sei. Dabei müssten sie es besser wissen. Seitdem die Grünen die Bundeswehr in Kolonialkriege in Ex-Jugoslawien und Afghanistan schickten, bekommen alle dort eingesetzten Soldaten ein rudimentäres „Riot- and Crowd-Control-Training“ verpasst. Die Sicherungseinheiten der Bundeswehr werden zusätzlich im Bekämpfen von Demos ausgebildet. Deutsche Militärs erschossen in Afghanistan sogar schon Demonstrierende, die sich gegen die Präsenz westlicher Truppen im Land richtete. Die Truppe kommt mit dem im Ausland erprobten Wissen nun zurück: „Unsere Soldaten haben zudem in diversen Auslandseinsätzen umfassende Erfahrungen wie Organisation von Checkpoints, Umgang mit Sprengstoffbedrohungen oder Objektschutz gesammelt. Sie bringen Kenntnisse und Fähigkeiten ein, die bei einer Terrorlage gebraucht werden könnten", sagt der Generalleutnant Schnelleis am 2.8.2016 nach dem Amoklauf eines Nazis zur Süddeutschen Zeitung.

 

Die erste Übung?

Sogar die Behauptung, die Bundeswehr und die Polizei würden nun bald zum ersten Mal zusammen üben, ist Propaganda. Das geschieht seit Jahren. Doch genau dieses Argument einer vermeintlichen Normalität wird das Argument der Militärs bei Kritik sein. Und es wird das liberale Bürger*innentum entwaffnen. Schließlich müsste es sonst zugeben, entscheidende Entwicklungen in der Republik verschlafen zu haben.

 

Mehr Infos:

 

Adbusting zum Zapfenstreich:

http://maqui.blogsport.eu/2015/11/12/adbusting-aktion-in-berlin-anlaesslich-zapfenstreich/

 

Bundeswehr-Werbung zerstört? Was bringt es?

http://maqui.blogsport.eu/2016/01/11/bundeswehr-werbung-zerstoert-was-bringt-es/

 

Adbusting am Innensenat:

http://maqui.blogsport.eu/2016/08/20/b-adbusting-aktion-am-innensenat/

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Hab ich was verpasst?

Die mittlerweile durchgängige Sprachregelung für die Ermordung der neun überwiegend jungen Menschen (großteils 'mit Migrationshintergrund') in München lautet: "Amoklauf".
Demgegenüber wird in Bezug auf die Anschläge von Würzburg und Ansbach konsequent von "(versuchten) Terroranschlägen" berichtet.
Letztere kosteten - soweit mir bekannt - letztlich 'nur' die Attentäter selbst das Leben; abgesehen von den Verletzungen der Opfer in Würzburg.
In München wurde demgegenüber tatsächlich eine größere Anzahl von Menschen durch den rechtsextremen Täter 'mit Migrationshintergund' ermordet.
Was rechtfertigt/legimiert diese unterschiedlichen Sprechweisen?
Warum wird rechte Gewalt, die vor Mord nicht zureckschreckt, wieder einmal verharmlost?
Immer noch nicht genug gelernt aus der Diffamierung der NSU-Mordopfer?!
Und auch viele Leute auf linksunten/indymedia verwenden die Begriffe anscheinend ohne darüber nachzudenken, was sie transportieren.
Weitergehende Gedanken zu Terror/Amok macht sich seit langem immer wieder der Sozialpsychologe Götz Eisenberg. Einfach mal hier reinschauen:

http://www.nachdenkseiten.de/?tag=eisenberg-goetz

man man man

Dass in dem Kommentar der Titel des mopo-Zeitungsartikels wörtlich wiedergegeben wird, ist Teil des Problems. Jede* die das liest, müsste erstmal Distanz zum ausgesagten Inhalt aktiv herstellen. Ohne Hintergrundwissen gelingt das nicht allen und selbst mit bedeutet es Aufwand bzw. gedankliche Arbeit. Somit trägt derart unkritische Sprachverwendung zum Einschleifen von Assoziationsketten ins Bewusstsein der Lesenden bei.

Ein einfaches "sorry, ich habe nicht nachgedacht, bevor ich kommentiert habe" hätte gereicht.