Wir freuen uns vom 28.-30.10.2016 zu einer Neuauflage des „Anarchistische Perspektiven auf die Wissenschaft“-Kongresses nach Hamburg einladen zu können. Wer ist dieses Wir? Das ist erst mal die Vorbereitungsgruppe, die sich aus unterschiedlichen Individuen der „anarchistischen Galaxie“ mit ebenso unterschiedlichen Ideen und Vorstellungen zusammensetzt.
Das „Wir“ will sich aber nicht von den vielen unterschiedlichen Menschen, Zusammenhängen und Gruppen im „Anarchismus“ abgrenzen, die – mal informell, mal formell organisiert – die vielseitigen Strömungen und Ausformungen ausmachen und sich manchmal nur auf Grundsätze wie Gegenseitige Hilfe, Direkte Aktion, Herrschaftsfeindlichkeit, Freie Assoziation, Ablehnung von Staat, Religion und Eigentum einigen können. Trotz aller Uneinigkeiten machen sie das aus, was sich heute in vielfältiger Weise auf dem Begriff Anarchie im Positiven bezieht. Das schließt per se „Anarchokapitalist*innen“ und „Anarchonationalist*innen" aus.
So wünschen wir uns, dass der kommende Kongress ein Begegnungsort für all diese unterschiedlichen Anarchist*innen und daran Interessierten wird. Ein solcher Begegnungsort ist für uns ein Ort für direkte Debatten unter Menschen auch ohne Computer und Internet; ein Ort auch für kontroverse Diskussionen; ein Ort an dem uns gegenseitige Kritik helfen soll, Alternativen zu einem exklusiven Umgang mit Wissen zu denken und bestenfalls zu praktizieren, welche heute im akademischen Zirkus eingesperrt zu sein scheinen.
Eine anarchistische Bewegung steht heute und zukünftig vor der Herausforderung aktuelle Antworten auf drängende Fragen ihrer Zeit zu finden und diese zu allgemein nutzbaren, änderungsfähigen Praxen zu entwickeln. Dazu gehört nicht nur das Anstellen von Analysen und der Austausch darüber, sondern gerade auch die permanente Weiterentwicklung anarchistischer Theorien und Strategien. Wir brauchen Begegnungsräume, in denen wir vergangene Erfahrungen betrachten, reflektieren und Schlüsse für die Zukunft ziehen. So beinhalten „alte Bücher“ meist etwas Interessantes, auch heute noch Aktuelles. Es gilt sie jedoch neu zu lesen, auf ihre heutige Brauchbarkeit hin zu prüfen, sie sich wieder- und neu anzueignen; auch sollten neue Theorien aufgestellt werden. Wir brauchen freie Formen der Wissensweitergabe, die allen Menschen offen steht, und wir brauchen Orte, an denen dies möglich wird.
Um diesem Anspruch näher zu kommen, möchten wir bei dem, was wir hier Kongress genannt haben, unterschiedlichen Formen Raum geben. Unsere Vorstellung ist eine bunte Mischung aus Vorträgen, Lesungen, Workshops, Gesprächskreisen und vielleicht auch Filmvorführungen, um so den Kongress für viele Menschen so zugänglich und attraktiv wie möglich werden zu lassen. Wichtig ist uns kein exklusives Happening für Akademiker*innen zu organisieren. Wir wünschen uns allen Menschen einen Ort des Wissensaustausches und der Begegnung anzubieten, egal welchen Zugang zu Bildung diese bisher haben konnten. Dies soll als eine Einladung verstanden werden, zu beginnen, die gesellschaftlichen Barrieren nach besten Möglichkeiten zu überwinden.
Ausgehend von der Abschlussdiskussion des Kongresses 2015 erscheint es uns sinnvoll, die im Folgenden aufgeführten Punkte als eine Art inhaltlichen Rahmen vorzuschlagen:
1. Wege zu anarchistischen Formen der Wissensaneignung und Theorieproduktion:
a) Formen/Praktiken einer anarchistischen Wissenschaft und Wissensvermittlung; Wie sind diese im Hier und Jetzt zu realisieren, unabhängig und im Konflikt stehend zu den normierenden, disziplinierenden und Herrschaft reproduzierenden Institutionen (Schule, Uni, …) der aktuellen Gesellschaft?
b) Möglichkeiten der inhaltlichen und methodischen Einflussnahme auf „wissenschaftliche Fächer“, auf Grundlage anarchistischer Grundsätze (sicherstellen das Wissenschaft ohne Herrschaft möglich wird) z.B. Zugang zu Wissen und Weitergabe, Öffnung der Forschung für anarchistische Interessengebiete.
2. Wissenschaftliche Betrachtungen und Aneignung der anarchistischen Ideengeschichte – Erforschung und zugänglich Machen diesbezüglicher historischer Schriften und Überlieferungen. Was können brauchbare anarchistisch-wissenschaftliche Methoden sein? Wie konstituiert sich eine „Anarchismusforschung“, welche sich der Vereinnahmung und Kontrolle durch die aktuellen Wissensinstitutionen entziehen kann?
3. Anarchistische Betrachtungen von Wissenschaft aus einem erkenntnistheoretischen Blickwinkel, mit dem Ziel der Weiterentwicklung bestehender anarchistischer Ideen/Theorien bspw. in Bezug auf die nicht Repressiven Techniken der Herrschaftssicherung, zur Frage der sozialen und interkulturellen Differenzen, Schnittmenge von verschiedenen Diskriminierungsformen (Intersektionalität), Queertheorie, …
Hierzu laden wir alle Interessierten zu einem „Call for Papers“ ein, mit eigenen Beiträgen am Kongress teilzunehmen, so dass das Programm nicht nur aus unserer Filterblase entspringt und weiter an Vielseitigkeit gewinnen wird.
Wir bitten um das Einreichen einer aussagekräftigen Beschreibung des geplanten Inhalts (max. 2 Seiten) mit einem Titel bis zum 31.07.2016 an anarchie-uhh@riseup.net (PGP möglich*)mit dem Betreff „Beitrag A-Kongress 2016“. Eine kurze Information zu Person oder zum Gruppenzusammenhang wäre ebenfalls gut. Eine Antwort als Resultat der Auswahl durch die Vorbereitungsgruppe wird ab dem 17.08.2016 erfolgen.
Als Orientierung sind für Vorträge/Lesungen 30-45 Minuten (+30Min. Diskussion) und für Gesprächskreise/Workshops 2.5 Stunden Zeit angedacht.
Des Weiteren wollen wir dazu einladen, 2-3 Tage direkt vor dem Kongress für ein vertieftes Arbeiten zum Thema zusammen zu kommen. Dazu bitten wir auch um eine Anmeldung per Mail, um sehen zu können, ob sich dafür ausreichend Teilnehmer*innen finden. Schickt uns gerne auch Feedback, Kritik und Anmerkungen!
Wir freuen uns auf deine/eure Teilnahme!
Die diesjährige Vorbereitungsgruppe
* PGP-Key gibt es vom Schlüsselserver oder per Mailanfrage
Zur Wissenschaft gehört auch Kritikfähigkeit
Und die seh ich bei euch nicht gegeben. Jede Wissenschaft ist normierend, denn nur so lassen sich vergleichbare Arbeits- und Herangehensweisen schaffen und Versuche reproduzieren bzw. Anleitung zur Reproduktion zu geben.
Uni Hamburg...wissen eure Professoren, was ihr für einen Mist redet? "sicherstellen das Wissenschaft ohne Herrschaft möglich wird" was für ein Quatsch! Wie viele Entdeckungen sind im stillen Keller geschehen, ohne das ein Herrschender Einfluß genommen hat. Wie nimmt Herrschaft deines Erachtens Einfluß auf wissenschaftliche Arbeit?
Wie nimmt Herrschaft deines Erachtens Einfluß ?
Einfach: durch die zunehmend notwendige Drittmitteleinwerbung in den finanziell intensiven Fächern (z.B. Physik oder Ingenieurwissenschaften) ist der Einfluß der Geldgeber teilweise direkt gesichert, teilweise werden im vorauseilenden Gehorsam (um auch die nächste Finanzierung zu sichern) Forschungsthemen gar nicht mehr eingereicht. Guck in die USA, wenn dich die Details interessieren, die sind schon etwas weiter damit.
Zum Kommentieren gehört ebenfalls Kritikfähigkeit
Aber eine solche sollte dir nicht nur wegen dieses wenig durchdachten Kommentars abgesprochen werden.
Jede Wissenschaft soll normierend sein? Nö, wohl kaum! Zwar hat die existierende Wissenschaftsform zweifelsfrei bürgerliche Funktionen. Doch gibt es sehr wohl Widerstands-, Aneignungs- und Selbstbestimmungspotentiale, auf die man nicht so einfach verzichten sollte. Würdest du auch in einer befreiten Gesellschaft mit diesem Normierungsargument auf jede Wissenschaft verzichten wollen?
Ich halte es bei allen Widersprüchen für sehr begrüssenswert, anarchistische Ausandersetzungen in bürgerliche und herrschaftliche Institutionen wie zum Beispiel Universitäten zu tragen. Dass Leute mit Pöbelmanie und Radikalitätsneurose das anders sehen, ist mir allerdings auch nicht neu.
ohne herrschaft ohne titel
waere doch ein erster schritt bei "wissenschaft" ohne herrschaft die titel bei einladungstexten (dr.phil) und sowieso wegzulassen...d