[HRO] 180 Menschen protestieren gegen rassistische Tumulte in Groß-Klein

Demo

Etwa 180 Menschen demonstrierten am Freitagabend im Rostocker Stadtteil Groß-Klein gegen rassistiche Tumulte gegen eine Einrichtung für unbgleitete, minderjährige Geflüchtete.

 

Um 17.15 Uhr startete die kurzfristig organisierte Demo vom S-Bahnhof Rostock Lütten-Klein in Richtung Groß-Klein, einem Stadtteil unmittelbar neben Rostock-Lichtenhagen. Die Demonstration lief betont bunt und offen, wohl wissend, dass im Stadtteil neben einigen Rassist_innen auch zahlreiche antirassistisch eingestellte und klassenbewusste Menschen wohnen. In Redebeiträgen und Flyern wurde auf die versuchte Spaltung der lohnabhängigen und unterdrückten Klasse durch Rassimus hingewiesen und deutlich gemacht, dass nur solidarisches Handeln, unabhängig von Herkunft und Nation eine starke Klasse gegen Kapitalismus und Ausbeutung schafft. Rassistischen Erklärungsmustern für kapitalistische Symptome wurde eine klare Absage erteilt. Rassist_innen und Neonazis mieden die Demonstration in weiser Vorraussicht. Die Polizei begnügte sich mit zurückhaltender Begleitung des Aufzugs. Anwohner_innen hingegen zeigten ihre Begeisterung für die Sache der Demonstrant_innen.

 

Bereits am Vortag versammelten sich Antirassist_innen, Kommunist_innen und Jugendliche vor einer Einrichtung für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete im Stadtteil Groß-Klein, nachdem Neonazis, Rassist_innen und besorgte Rassist_innen im Internet massiv hetzten und zu Aktionen gegen die Einichtungen aufriefen. Tatsächlich folgten etwa 30 Menschenfeinde diesem Aufruf, standen aber einer Überzahl an Genoss_innen gegenüber, die ihnen den Zugriff auf die Einrichtung verwehrten. Am Abend des 2. Juni kam es dann zu gewalttätigen Vorfällen. Zunächst zogen etwa 40 Faschist_innen unter rassistischen und nationalsozialistischen Parolen durch den Stadtteil, später schlugen Rassist_innen auf zwei Geflüchtete ein.

 

Auch in den kommenden Tagen werden Genoss_innen ein wachsames Auge auf den Stadtteil haben und rassistischen Vorkommnissen und Versammlungen ihren Widerstand entgegen setzen. Fotos der Aktion vom 3. Juni findet ihr hier. Eine Pressemitteilung zur Demonstration von der Initiative Solidarität gibt es hier.

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Zur Dokumentation der Redebeitrag gerichtet an die Anwohner_innen in Groß Klein:

 

Groß Kleinerinnen und Groß Kleiner,

wir sind heute hier um unsere Solidarität mit den Jugendlichen in diesem Viertel zu bekunden. Wir stehen an der Seite der Unterdrückten und Ausgebeuteten. Wir mischen uns ein, wenn Nazis in diesem Stadtteil versuchen ihre menschenverachtende Hetze zu verbreiten, und besonders hier auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen, die fliehen mussten. Ihnen sollten wir helfen hier in diesem Viertel anzukommen. Wir stellen uns in den Weg, wenn alle anderen wegschauen, oder wenn Land, Stadt und Polizei den Nazis den Raum für die Hetze bereiten.

Aber wir stellen uns auch an eure Seite und gegen die Idee der sozialen Partnerschaft und des falschen Friedens mit den Verhältnissen. Wir wissen, dass Armut kein Zufall ist, deshalb lassen wir auch Widerstand keinen Zufall sein. Gegen die herrschenden Zustände hilft nur der organisierte Widerstand von unten: im Klassenzimmer, im Hörsaal oder im Betrieb.

Organisieren wir uns gegen eine Welt, in der nur die Frage der Verwertung zählt. Denn: Politik unterteilt Menschen nach Nützlichkeit; Bildungsreformen werden verabschiedet, um junge Menschen zu brechen und an den Arbeitsmarkt anzupassen; Eltern können weder Schulsachen noch Spielzeug finanzieren, obwohl sie zwei Jobs haben und ihre Kinder nur noch selten sehen; Menschen werden aus ihren Wohnungen geworfen. Die Angst vor dem weiteren Abstieg und vor weiteren Demütigungen auf dem Amt ist so präsent wie das ständig leere Konto.

In Deutschland erleben wir eine Normalität in der Ausgrenzung, Ausbeutung und Zwang zu akzeptierten Formen des Lebens gehören. Eine Normalität, in der Menschen von so wenig Geld leben müssen, dass sie von jeglicher gesellschaftlicher Teilhabe abgeschnitten werden. Eine Normalität, in der das Bildungssystem nur darauf ausgerichtet ist, junge Menschen für die Interessen des Kapitals zu optimieren, und den Konkurrenzgedanken zu verfestigen. Eine Normalität, in der Menschen ihre Wohnungen verlieren und für Ladendiebstahl und Schwarzfahren ins Gefängnis gehen. Eine Normalität, in der Flüchtlingsunterkünfte brennen und Menschen abgeschoben werden. Dieser Normalität stehen wir unversöhnlich gegenüber!

Weltweit gehen in diesen Tagen Menschen auf die Straße, schlagen zurück im Kampf für ein besseres Leben. In Frankreich rebellieren die Jugendlichen vereint mit großen Teilen der Gesellschaft gegen immer größere Entrechtung. In Spanien wehren sich ganze Viertel gegen Zwangsräumungen. Wir sind solidarisch mit all diesen Kämpfen. Doch Angst und Frustration sowie die permanente Kontrolle über unser Leben und die Unnachgiebigkeit des kapitalistischen Systems spalten und vereinzeln uns. Vereinen wir uns deshalb trotz alledem als Jugend im Zorn und Widerstand gegen die staatlichen Versuche uns diese beschissenen Lebensbedingungen aufzuzwängen. Gegen die Bullen und Jugendgerichtshilfe, die diese durchsetzen sollen, gegen Bildungsapparate, die uns Konkurrenz, Wettbewerb und Verwertung lehren wollen. Organisieren wir uns also gegen die Verwertungslogik und gegen Ausbeutung, aber nicht gegen minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge sondern mit ihnen und allen unterdrückten Menschen.

Vereinen wir uns gegen selbsterklärte Patrioten und Aufklärungsblogger. Erinnern wir sie daran, dass sie hier kein Hausrecht haben und auf unseren Widerstand treffen werden. Verbinden wir diesen Kampf mit den Kämpfen für unsere Idee einer Welt jenseits von Ausbeutung und Unterdrückung, und die Vorstellung eines solidarischen Zusammenlebens mit der Möglichkeit freier Entfaltung.

 

Groß Kleinerinnen und Groß Kleiner, heraus gegen Kapitalismus und rechte Hetze!

Deshalb rote Jugend voran, heraus gegen Ausbeutung und Spaltung!

Unsere Antwort: Solidarität und Klassenkampf für Revolution und Kommunismus!

Ich kann mich nicht erinnern in letzter Zeite jemals die Verbindung des Kampfes gegen die kapitalistischen Verhältnisse und den notwendigen Einsatz für den Schutz der Flüchtlinge so klar propagiert gesehen zu haben. Es mangelt ansonsten ja eher daran, das die Bedürfnisse der schon länger hier lebenden Menschen ebenfalls aufgegriffen werden.

Eure Herangehensweise ist unbedingt richtig, der Hauptteil der Bevölkerung besteht nicht aus Rechten oder sogar Nazis. Bezüglich dieser Grundeinschätzung mangelt es allerdings bei vielen Linken und Antifaschisten erheblich.

Ich finde eure Vorgehensweise hervorragend und nachahmenswert, wenn ihr jetzt noch auf diese schwachsinnigen Gender-Formulierungen verzichten würdet, könnte euch die Bevölkerung Rostocks evtl. noch besser verstehen.

....find ich aber auch sehr wichtig

ist unnötig und bringt keinem was. Jeder weiß das man nicht nur die Männer anspricht wenn man nicht gendert, vorallem wenn man von Menschen in der Mehrzahl und nicht in der Einzahl spricht.

Klasse, was ihr da gemacht habt! Rostock scheint ja traditionell kein einfaches Pflaster für Linke und AntirassitInnen zu sein, da ist eure hernagehensweise top. Den proletarischen Selbstschutz organisieren!

Solidarische Grüße aus dem Süden

Der Redebeitrag und die Gesamtstimmung - Wow!
Danke an alle Beteiligten und auch an die, die durch Wasserbomben für Abkühlung sorgten ;)