In der Nacht auf den 27.5. haben wir am Sachsen-Lotto-Kiosk auf dem Lindenauer Markt für Glasbruch gesorgt. Die Betreiberin des Ladens hat sich dafür entschieden Nazi Propaganda zu vertreiben. So finden sich in ihrer Auslage die Deutsche Stimme, sowie die National-Zeitung.
Wer Nazi Hetze verbreitet und damit Geld verdienen will, muss mit unserer Intervention rechnen.
Antifa heißt Angriff.
Frage
Wurde sie wenigstens vorher drauf aufmerksam gemacht?
Sachverstand?!
Ich bitte euch, eines zu bedenken: dank des Pressegrosso-Systems ist der Händler VERPFLICHTET, ihm angelieferte Zeitungen und Zeitschriften auszulegen.
Anlässlich des Bildboykotts vor ein paar Jahren wurden mehreren Händlern, die die BILD nicht ausgelegt hatten, die Belieferungsverträge gekündigt - und da das Pressegrosso ein staatlich geschaffenes Monopol ist, konnten die Händler nicht zu einem Alternativanbieter wechseln.
Folgefrage
Würden geklaute Nazizeitungen denn dann im Sinne dieses Pressegrosso System auch als "verkauft" zählen und der Händler würde noch mehr angeleifert bekommen? Oder würde ein ständiges klauen ein legitimer Grund für den Händler darstellen diese Ware nicht mehr anzunehmen?
Bzw muss es ja noch mehr Wege aus diesem vermeitnlichen Zwang geben, da ja nicht alle Händler rechten Mist auslegen...
Ja
Die Abrechnung "verkauft" erfolgt üblicherweise aus der Differenz der angelieferten Zeitungen und den abgelieferten Zeitungen. Je nach Grossist muss entweder die ganze Zeitung oder (ein Teil des) Deckblatts sowie Begleitmedien (CD ROMs, Spielzeugbeigaben,...) zurückgeliefert werden.
Der Händler muss jede so als "verkauft" ermittelte Zeitung zu seinem (vorgeschriebenen! es gibt KEINEN Wettbewerb!!) EK voll bezahlen.
Das heißt, dass auch ein Klau einem Händler schadet.
Genauso läuft es übrigens auch bei "stummen Zeitungsverkäufern", die auch nicht gegen Brandanschläge (gern bei BILD-Automaten) versichert sind. Die meisten Pressevertriebler sind knapp an der "schwarzen Null"; wer also Zeitungen klaut / beschädigt, schadet nicht einem "Bonzenverlag", sondern einem Klein(st)unternehmer!
Von daher habe ich kein Verständnis für solche Aktionen, denn sie schaden dem System für eine freie Presse, die die "vierte Gewalt" darstellt, unendlich.
Nachtrag
> Oder würde ein ständiges klauen ein legitimer Grund für den Händler darstellen diese Ware nicht mehr anzunehmen?
Nein. Nur ein dauerhafter Nichtvertrieb (Menge ausgeliefert = Menge zurückgeliefert) wird den Grossisten über lange Frist dazu bringen.
> Bzw muss es ja noch mehr Wege aus diesem vermeitnlichen Zwang geben, da ja nicht alle Händler rechten Mist auslegen...
Auch hier: nein. Siehe BILD-Zeitungsboykott. Der Grossist schreibt dem Händler vor, was er auszulegen hat. Und auch der Grossist unterliegt ggü. den rechten Verlagen dem Kontrahierungszwang und muss auch rechten Verlagen nach besten Möglichkeiten den Vertrieb ermöglichen.
Bei den Büchern von Akif Pirincci sieht das leicht anders aus: der Buchhandel ist zwar nicht verpflichtet, Pirinccis Bücher auszulegen, aber solange ein Buch im Verzeichnis lieferbarer Bücher steht, muss er das Buch einem Kunden auf Bestellung ausliefern (unbeschädigt und zum aufgedruckten Preis, Stichwort Buchpreisbindung). Amazon hingegen ist nicht dem Grossosystem unterworfen, sondern verhandelt mit den Verlagen direkt, daher konnte Amazon auch Akif Pirincci aus dem System nehmen.
Verlage unterliegen übrigens keinem Kontrahierungszwang, aber es steht jedem Autor frei, zur Not im Selbstverlag seine Werke herauszubringen. Der Autor muss sich dann halt selber um den Druck, Lagerung, Vertrieb an die Grossisten und das Marketing kümmern; daher ist dieser Weg praktisch nur für ohnehin schon medienrelevante Autoren (Pirincci) und Wissenschaftler relevant.
@Mods: bitte diesen und meinen Kommentar von eben mergen, liebsten Dank!
Antwort auf Folgefrage
Zeitungen, die die Kioskbetreiberin nicht zurückliefert muss sie bezahlen, dumm für sie, wenn sie kein Geld dafür gesehen hat. Das wäre ein Anreiz für sie den Scheiß besser zu verstecken. Auf Nachfrage müsste sie das Zeug dann aber rausgeben. Wenn sie den Schund dann so platziert, dass sie nicht mehr entwendet aber immer noch gesehen werden können kann man sich wieder getrost den Scheiben widmen.
Folgefrage
Es ist so dass das Pressegrosso ein Zeitungs-/Zeitschriftenpaket zusammenstellt für den jeweiligen Kisok. Wenn die Umfragen oder ältere Verkaufszahlen zeigen das sich Nazimüll an diesem Standort gut verkauft werden Sie den Kiosk "zwingen" diesen Schrott anzubieten. Es wird weiterhin ab und zu nachgeprüft ob die Zeitung auch angeboten wird und nicht irgendwo im Müll landet. Also eine schwierige Situation für den Kisok da er sich "rechtlich" nicht wehren kann.
Diebstahl bringt nur dann was wenn der Kisok nachweisen kann dass es wirklich geklaut wurde. Weil er die Zeitungen ja auf Remission bekommt. Ich denke der Kiosk ist dann (in den Augen des Pressegrosso) selber Schuld weil er sich nicht gut genug gegen den Diebstahl gesichert hat.
Einzig wenn keine Nazi-Zeitung verkauft wird wird der Pressegrosso die Zeitung nicht mehr anliefern heißt die Zeitungen hinter anderen Zeitungen verstecken oder den/der Käuferin eine in die Fresse hauen sind wohl die besten Methoden.
Glasbruch bringt hier in jedem Fall nichts solange nicht nachweisbar ist das der/die Inhaberin nicht mit den Nazimüll sympathisiert.
Handlungsoption
Nazimüll "verstecken" ist ja schon mal etwas was viele Menschen ohne große Hürden im Alltag leisten können und somit ne gute Sache die Leuten mit auf den Weg gegeben werden kann...
Warum auf die Fresse hauen zu den besten Methoden zählen soll, während Glasbruch nichts bringt scheint mir nicht so klar.
Ein nächtlicher Glasbruch ist doch einfacher, als in einem vermutlich videoüberwachten Laden Schellen fürs Nachdenken zu verteilen...
Nicht ganz.
> Nazimüll "verstecken" ist ja schon mal etwas was viele Menschen ohne große Hürden im Alltag leisten können und somit ne gute Sache die Leuten mit auf den Weg gegeben werden kann...
Auch hier wieder: nein, leider nicht. Der Händler kann dafür böse auf den Deckel kriegen, wenn der Grossist einen Kontrolleur vorbeischickt. Das kann bis zur Vertragskündigung gehen, und dann hat der Händler aufgrund des Monopols Pech gehabt, was es Presseerzeugnisse angeht.
> Warum auf die Fresse hauen zu den besten Methoden zählen soll, während Glasbruch nichts bringt scheint mir nicht so klar.
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Endlich mal eine spannende, inhaltsreiche und sinnvolle Diskussion hier!
Das mit dem "auf die Fresse hauen" war auch evtl ironisch gemeint, hoffe ich zumindest.
Gibt es Berichte von (erfolgreichen) Kampagnen, die Nazipropaganda aus Kiosken vertreiben? Die Deutsche Stimme, Zuerst, Compact und alle anderen liegen ja fast überall aus...
Nicht dass ich wüsste
Leider nein, das Pressegrossosystem verhindert den Erfolg solcher Aktionen ziemlich gut.
Und die Bullen tun ihr Übriges, die schicken teilweise schon Helis auf Spurensuche, wenn jemand nachts n Automaten abfackelt. Ist aber auch verständlich, weil die meisten Automaten an Hausmauern und Hecken aufgestellt sind, und einen Großbrand (z.B. trockene Heckenreihe im Sommer) mit den "Spätfolgen" will ich, ganz ehrlich, auch nicht sehen.
Da trifft es zumeist vollkommen Unbeteiligte. Wenn jetzt jemand einen Mollie in ein Bildzeitungsgebäude wirft, ist das was Anderes. Ich persönlich bin der Meinung, dass Aktionen, die unbeteiligte Dritte reinziehen oder gefährden, keine Solidarität verdienen; das mögen Andere halt anders sehen. Ein bisschen über den sprichwörtlichen Tellerrand gucken hat noch keinem Autonomen geschadet ;)
Erfolgreiche Kampagne gegen Zuerst in Göttingen
In Göttingen hat's funktioniert. Hier der Link zur 2010er Kampagne der ALI gegen "Zuerst":
http://www.inventati.org/ali/index.php?option=com_content&view=article&i...
Cool, danke!
Da müssen halt wirklich alle Beteiligten an einem Strang ziehen - Endverkäufer und Grossisten, und jeder der Beteiligten muss die Bereitschaft haben, das Ganze zur Not auch vor Gericht auszufechten.
Sehr coole Aktion, Hut ab Göttingen!
ich hoffe nicht
Ich hoffe nicht, dass das ironisch war. Jeder Nazi ist ein potentieller Mörder. Ein demolierter Nazi ist dementsprechend weitestgehend handlungsunfähig und stellt erst mal keine Gefahr mehr dar. Gewaltloser Widerstand gegen Nazis ist ein Hohn auf die Geschichte. Niemals wurden Faschisten mit Pazifismus besiegt. Das heißt nicht, das Gewalt das einzige Mittel sein darf und jede/r von uns muss für sich die Aktionsform wählen, die er oder sie für sich als richtig erachtet, aber trotz alledem braucht es auch "handfeste Argumente" gegen die Menschenfeinde.
Re: Folgefrage
Über Handlungsweisen lässt sich ja immer streiten, jedoch verstehe ich nicht ganz warum die Inhaberin hier so stark verteidigt wird.
Es könnte ja darauf aufmerksam gemacht werden, dass man diese Zeitungen verkaufen muss, wenn es denn so ist.
Ich kenne mich persönlich nicht sonderlich mit dem Presse-Grosso-System aus, hab aber bei meiner kurzen Recherche nicht gefunden, wie Zeitungen denn erst in die "geschnürten Pakete" kommen. Die Grossisten müssen ja einen Anlass haben diese Zeitungen in die Pakete für diesen Laden zu stecken, oder irre ich mich da?
Zusätzlich habe bin ich noch auf eine Broschüre gegen rechtsextreme Presse gestoßen (http://aktiv-gegen-diskriminierung.info/sites/aktiv-gegen-diskriminierun...) da heißt es:
"National-Zeitung wird lediglich an den Kisoken angeboten, bei denen sich die Betreiber/-innen darum bemühen."
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> Über Handlungsweisen lässt sich ja immer streiten, jedoch verstehe ich nicht ganz warum die Inhaberin hier so stark verteidigt wird.
Ich persönlich bin der Ansicht, dass vor einer "Schuldigsprechung" (was die Glasbruchaktion definitiv war) erst einmal die Fakten auf dem Tisch liegen sollten und die Unschuldsvermutung gelten sollte. Gerade in einem so hochkomplexen juristischen Geflecht wie dem Pressegrosso. Da spielen ja je nach Bundesland, teilweise auch je nach Region, völlig andere Zwänge für die Händler.
Natürlich, auch Glasbruch mag seinen Sinn haben, aber direkte Gewalt gegen Personen und Objekte befürworte ich erst, wenn feststeht, dass das Opfer wirklich mit Faschisten und/oder ihrem Gedankengut sympathisiert.
> Ich kenne mich persönlich nicht sonderlich mit dem Presse-Grosso-System aus, hab aber bei meiner kurzen Recherche nicht gefunden, wie Zeitungen denn erst in die "geschnürten Pakete" kommen. Die Grossisten müssen ja einen Anlass haben diese Zeitungen in die Pakete für diesen Laden zu stecken, oder irre ich mich da?
Auch hier wieder je nach Grossist und Abnehmer unterschiedlich: manche Verträge erlauben dem Händler, selber seine Medienauswahl zu treffen (insbesondere klein(st)e Kioske mit bekannten Abverkaufszahlen und vor allem bekanntem Publikum, was meistens auf die Blöd und die lokale Regenbogenpresse rausläuft), aber je größer der Abnehmer ist, umso mehr Einfluss hat auch der Grossist. Gibt auch irgendwo Sinn, dann muss nämlich z.B. bei diesen Modellbau-Sammelheftchen sich der individuelle Händler nicht dauernd informiert halten, sondern der Grossist legt halt einfach was dazu ins Packerl. Oder der Händler ordert "Pakete" (Sportzeitschrift national, international wären zwei) und der Grossist legt passend zur Themenauswahl und historischer Abverkaufsdaten die genauen Medien mit. Auch genutzt wird auf Grossistenebene die "ethnische Zusammensetzung" der Umgebung des Kiosks, z.B. um in einem mehrheitlich migrantenbewohnten Viertel den Kunden Medien in ihrer Muttersprache zur Verfügung zu stellen. In München-Grünwald oder Schwabing zB würde sich eine türkische kroatische Tageszeitung sehr schlecht verkaufen, aber im Bahnhofsviertel und Neuperlach stehen die Chancen schon höher.
Oh, und manche Hersteller bezahlen die Grossisten auch für höhere Reichweite - das ist etwas, das ich mir gerade bei rechten Magazinen sehr gut vorstellen kann. Der Händler muss auch oft nur einmalig "Vorkasse" leisten und die Folgeabrechnungen mit dem Händler laufen dann über die Retourenmengen; es ist daher im geschäftlichen Interesse des Grossisten, die Gebietsauswahl und Bestückung für verschiedene Endverkäufer richtig zu steuern. Denn der Endverkäufer hat (abgesehen von der verlorenen Gewinnspanne und Diebstählen) kein Risiko.
Wie dargelegt, ist es ein von außen sehr einfach erscheinendes System, das aber in Wahrheit sehr komplex und ziemlich intransparent ist - und in der Form für eine freie Presse leider ziemlich alternativlos ist. Nur so kann ich, selbst wenn ich aufs tiefste Land ziehe, meinem Kiosk sagen, er möchte die taz beziehen und am nächsten Tag kann er die taz führen, ohne sich Gedanken zu machen ob er das Zeug loswird (im Unterschied zB zu Tabakprodukten, deswegen gibt es so wenig Läden die Black Devil führen - für die Nichtraucher: Zigaretten mit Vanille- und Kirscharoma - da der Händler erstmal mit mindestens 50€ in Vorleistung gehen muss, bei Gewinnspannen von 3-5€ *pro Stange*).