Colonia Dignidad: Verurteiltes Mitglied der Führungsriege lebt weitgehend unbehelligt in Krefeld

Hartmut Hopp, wohnhaft in Krefeld, wird wegen seiner Verbrechen in der Colonia Dignidad von Interpol gesucht.

Momentan läuft in den Kinos der Spielfilm „Colonia Dignidad – Es gibt kein zurück“. Darin werden die Verbrechen in der Colonia Dignidad, einer deutschen Sektensiedlung in Chile, thematisiert. Die Colonia war jahrzehntelang Ort schwerster Menschenrechtsverletzungen. Hier wurden Gegner_innen der Pinochet-Diktatur gefoltert und ermordet, unzählige Kinder systematisch sexuell missbraucht.

 

Seit 2011 leben zwei Mitglieder der Führungsriege der Colonia Dignidad in Krefeld: Das Ehepaar Hartmut und Dorothea Hopp waren seit den 1970er Jahren Teil der Führung der Sektensiedlung und sind damit verantwortlich für unzählige schwere Verbrechen. Hartmut Hopp war nach dem Sektenführer Paul Schäfer die „Nr. 2“ der Colonia. Er war als „Außenminister“ der abgeschotteten Siedlung zuständig für die Beziehungen zur chilenischen Diktatur, hatte persönlichen Kontakt zu Diktator Pinochet und anderen Regierungsmitgliedern. Auch in der deutschen Botschaft war er ein häufiger und gern gesehener Gast.

 

Die Verbrechen von Hartmut Hopp

 
Hopp unterhielt zudem sehr gute Kontakte zu Manuel Contreras, Chef des berüchtigten chilenischen Geheimdiensts DINA. Während der Pinochet-Diktatur (1973-1990) arbeitete die Colonia Dignidad eng mit dem DINA zusammen und diente als Zentrum für Folter und Mord. Der Geheimdienst verschleppte politische Aktivist_innen in die Siedlung und folterte sie dort. Über 100 von ihnen wurden ermordet oder gelten bis heute als verschwunden. Hartmut Hopp wirkte in seiner Funktion als „Außenminister“ auch an illegalem Waffenhandel und anderen zwielichtigen Geschäften mit, an denen die Sekte zusammen mit deutschen, chilenischen und internationalen Unternehmen und staatlichen Stellen beteiligt war.

 

Auch innerhalb der Colonia Dignidad besaß Hartmut Hopp Führungsfunktionen. Jahrzehntelang kam es hier zu systematische Misshandlung, sexueller Gewalt und Folter von unzähligen Kindern und Erwachsenen. Auch Kinder aus dem Umland, die der Sekte vom chilenischen Staat anvertraut wurden oder die das Krankenhaus der Colonia aufsuchten, wurden hier körperlich und psychisch misshandelt und mussten sexuelle Gewalt erleben. Hopp war Arzt und Krankenhausleiter der Colonia Dignidad. In diesem Krankenhaus wurden Jungen und Mädchen mit Elektroschocks und Medikamenten gefoltert. Nach Zeugenaussagen machte er Minderjährige durch den Einfluss von Medikamenten gefügig, damit sie sexuell missbraucht werden können. Lotti Packmor, der es gelang, aus der Siedlung zu fliehen, berichtete: „Die Kinder standen immer unter starken Medikamenten. Mit einigen Helfern und Herrn Dr. Hopp und Dr. Gisela Seewald wurden die Kinder Tag und Nacht beaufsichtigt. […] In der Nacht wurden die Kinder völlig nackt in einem großen Raum [gelegt] […]. Regte sich ein Augenlid oder in der Intimgegend etwas, wurde das Kind aus dem Bett gerissen und von den betreffenden Personen geschlagen, als da sind: Manfred Schmidke, Hartmut Hopp. […] Viehtreiber hat man benutzt und die Kinder damit bearbeitet – Viehtreiber mit elektrischer Batterie.“ (Quelle)

 

Deutsche Behörden lassen das Ehepaar Hopp weitgehend in Ruhe

 
Als Hartmut Hopp wegen einiger dieser Verbrechen in Chile der Prozess gemacht wurde, floh er mit seiner Frau 2011 nach Deutschland. Zwei Jahre später wurde er in Chile in Abwesenheit wegen Beihilfe zu Vergewaltigung von Kindern in vier Fällen sowie sexuellem Missbrauch von Kindern in 16 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Seitdem wird Hartmut Hopp von Interpol gesucht, doch einen chilenischen Auslieferungsantrag lehnte die deutsche Regierung ab. Nun hat Chile beantragt, dass Hopps Strafe in Deutschland vollstreckt wird. Der Staatsanwaltschaft Krefeld liegen laut dem Juristenverbandes European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) alle Unterlagen der chilenischen Justiz vor, um über die Vollstreckung des Urteils zu entscheiden. Doch weiterhin bewegt sich wenig. Auch bezüglich einer weiteren Strafanzeige gegen Hartmut Hopp wegen Mordes, schwerer Körperverletzung und Beihilfe zum sexuellen Missbrauch tut sich wenig. Diese Strafanzeige hatte das ECCHR 2011 zusätzlich zu dem Vollstreckungsantrag aus Chile gestellt. Eine Anklage wurde von der Krefelder Staatsanwaltschaft bislang nicht erhoben. Das, obwohl es ausreichend Ansatzpunkte für effektive Ermittlungen gegen Hopp gäbe: Bereits 1988 wurde gegen Hartmut Hopp bei der Staatsanwaltschaft Bonn ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Hier wurden zahlreiche Zeugen vernommen und unzählige belastende Unterlagen eingereicht. Weitere Opfer der Colonia Dignidad leben in Deutschland und könnten konkret zum Fall Hopp aussagen.

 

Doch Hartmut Hopp und auch seine Frau leben weiterhin relativ ungestört in Krefeld. Die Verhinderungstaktik und Untätigkeit der deutschen Behörden diesbezüglich passen dabei in das Gesamtbild der deutschen Politik gegenüber den Verbrechen der Colonia Dignidad und die chilenische Diktatur. Jahrzehntelang wurde die Colonia Dignidad von der deutschen Regierung und der deutschen Botschaft unterstützt und beschützt. Bis heute liegen im Auswärtigen Amt stapelweise Akten unter Verschluss, die bei der Aufklärung der Verbrechen und der Rolle der deutschen Politik darin helfen könnten. Während Opfer-Initiativen von der deutschen Regierung bis vor kurzem fast überhaupt nicht unterstützt wurden, wurde die Nachfolgesiedlung der Colonia Dignidad noch bis 2013 jährlich mit einer Viertel Millionen Euro von der Bundesregierung mitfinanziert

 

***


Weitere Infos:
- Artikel zur Colonia Dignidad und zu Hartmut Hopp bei amerika21
- Pascal Beuckert, Colonia-Dignidad in Krefeld, in: taz
- European Center for Constitutional and Human Rights – Stellungnahme zu der Rolle von Hartmut W. Hopp innerhalb der Colonia Dignidad . Seine Kollaboration mit dem Pinochet-Regime und Verbrechen an Bewohnern der Colonia Dignidad
- European Center for Constitutional and Human Rights – Colonia Dignidad: Strafverfahren gegen Hartmut Hopp in Deutschland
- Peter Burghardt, Deutsche Abgründe in Chile, in: Süddeutsche Zeitung
- Wolf-Dieter Vogel, Vom Folterkeller zum Freizeitpark, in: taz
- Horst Rückert, Deutsche Diplomaten und die Colonia Dignidad, in: amerika21
- ARD – Planet Wissen, Colonia Dignidad – gefangen in einer Sekte
- Thomas Stillbauer, Frankfurter deckten einst Skandal in Chile auf, in: Frankfurter Rundschau
- Meldungen und Berichte des Forschungs- und Dokumentationszentrums Chile-Lateinamerika zur Colonia Dignidad

 

¡Alerta! – Lateinamerika Gruppe Düsseldorf

http://alertaduesseldorf.blogsport.de/2016/02/29/hopp/

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Kennt jemand die Adresse der Schweine? Die haben nen Besuch verdient...

Besteht die Verbindung zur NPD noch?

Er soll vor ca 1,5 Jahren referiert haben.

ob die Verbindung noch besteht, aber er hat regelmäßig beim örtlichen Kreisverband seine Vorträge gehalten.

Wenn möglich sollte dem jemand auf den Grund gehen.

Ein Skandal sondergleichen.Ich denke aber,das Euer Artikel( Danke!dafür)dafür sorgen wird,das diesen Verbrechern jetzt endgültig das Handwerk gelegt wird und Sie Ihre Haftstrafe antreten müssen.Der Druck (Interpol)müsste andersweitig sonst nochmal erhöht werden.

Weltfremd? Werd doch Bulle wenn du glaubst dass das funktioniert!

Das Probelm heißt nicht nur Hartmut Hopp. Mindestens 100 Ehemalige der Colonia Dignidad sind von Chile nach Krefeld übergesiedelt, auch Prominente. So lebte auch der ehemalige Finanzchef der Colonia, Schreiber, in Krefeld. Er ist inzwischen tod. Anziehungspunkt für all diese Colonia-Übersiedler ist die Sekte "Freie Volksmission", die in Krefeld ihr Weltzentrum hat. Wer ist die "Freie Volksmission"? Ein radikale christliche Sekte mit stark reaktionären Ansichten: autoritär, frauenfeindlich und mit seltsamen Feindbild. Am Ende der Tage wird - nach ihrer Meinung - Gott drei Schläge führen, einen gegen die USA, einen gegen den Vatikan und einen gegen Israel. Von ihrem Zentrum in Krefeld aus möchte die Gruppe die Welt missionieren. Ihr Zentrum in Krefeld ist auf einem über 10.000 qm großen Gelände, besteht aus einer Gebetshalle für 700 bis 800 Personen, mit allen technischen Ausrüstungen, Simultan-Übersetzung in verschiedene Sprachen etc. Dann sind da noch zwei Übernachtungshäuser für Besucher (nach Geschlechtern getrennt), eine Druckerei ...

Das Oberhaupt der "Freien Volksmission", Ewald Frank, bestreitet das alle Colonia-Übersiedler in seiner Sekte wären, nur eine kleinere Gruppe von ehemaligen der Colonia Dignidad sei heute bei ihnen. Dabei hatte er bereits lange Kontakte nach Chile in die Colonia. Auch Kontakte zu Hartmut Hopp bestreitet Frank. Eine Presseerklärung von Hopp wurde aber von der Fax-Adresse von Ewald Frank abgesendet. Das erklärt er so: diese Erklärung sei zufällig als Fehlläufer bei ihm angekommen sei. Da er gesehen habe, dass das Schreiben an die Presse gerichtet war, und er ein freundlicher Mensch sei, habe er den Text, ohne ihn zu lesen, an die Presse weitergeschickt.