Am heutige Samstag versammelten sich in Pforzheim etwa 600 Menschen zu einer Demonstration unter dem Motto „Flagge zeigen gegen Rechts“.
Ziel war es, gegen die Fackelmahnwache des „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“(FHD) am kommenden Dienstag, den 23. Februar, zu protestieren. An diesem Tag ist Pforzheim 1945 von der Royal Air Force fast vollständig zerstört worden und ca. 17.000 Menschen kamen ums Leben. Deshalb veranstaltet der FHD jedes Jahr eine Mahnwache, um der „deutschen Opfer“ des Angriffs zu gedenken. An dieser beteiligen sich mittlerweile jährlich 100-200 Personen.
Die Demonstration ist von der Initiative gegen Rechts veranstaltet worden und es haben folgende Gruppen dazu aufgerufen:
SPD + Jusos, Grüne, LINKE + Linksjugend ['solid], DGB, Stadtjugendring, ev. Kirche, Israelitische Kultusgemeinde, Afrika-Präsenz, attac, VVN-BdA, alert|a, SJD – die Falken, Infoladen Pforzheim, WIP (Wir in Pforzheim)
Durch das für Pforzheim ungewöhnlich breite Bündnis gab es auch ein breites Spektrum an Teilnehmer/-innen der Demonstration. Von Zeitzeugen/-innen des Angriffs bis zu autonomen Antifaschisten/-innen war alles vertreten.
Die Demonstration startete am Waisenhausplatz, wo sie auch von einem Vertreter des Bündnisses eröffnet wurde. Die erste Zwischenkundgebung fand am Platz der Synagoge statt, wo an die Zerstörung in der Reichspogromnacht 1938 erinnert wurde. Dazu spielte die Liedermacherin Jahne Zahn jiddische Lieder. Sie spielte auch bei den weiteren Kundgebungen noch thematisch passende Lieder.
Die nächste Zwischenkundgebung fand auf dem Leopoldplatz statt. Hier redete zuerst die Pforzheimer Bundestagsabgeordneteder SPD, Katja Mast. Diese ging in Ihrer Rede leider auch auf die unsägliche Extremismustheorie ein, und sagte, dass sie sich natürlich auch von Linksextremisten distanziere. Diese Aussage wurde mit entsprechenden Buh-Rufen kommentiert.
Als nächster sprach der MdB Mehmet Kilic für die Grünen. Er beschrieb, wie er 1990 nach Deutschland kam und von der ausländerfeindlichen Gewalt von Hoyerswerda und Mölln schockiert war. Jedoch beruhigte ihn der Aufstand der Anständigen mit ihren Lichterketten. Er sprach sich dafür aus, klar Position gegen die zu beziehen, die letztendlich auch die Verantwortung für die Toten des Angriffs auf Pforzheim trugen: Die Nazis.
Danach sprach Klaus Spohn für die LINKE. Er ging in seiner Rede sehr detailliert darauf ein, wer denn in der Nazizeit Verbrechen in Pforzheim begangen hat, die Linken oder die Rechten. „Waren es den die Sozialdemokraten, die Kommunisten oder die aufrechten Christen, die die Juden deportiert haben?“ war sinngemäß zu hören. Damit entzog er der extremismustheoretischen Verunglimpfung der vorhergehenden Rede die Grundlage. Er glänzte durch ein hervorragendes historisches Faktenwissen.
Als letztes Sprach der Zeitzeuge Ernst Grube von der VVN-BdA. Als Jude war er im Dritten Reich deportiert worden, und hat viele Angehörige verloren. Er beschrieb dies sehr bewegend und folgerte auch für heute, dass man weder Faschismus noch Krieg jemals wieder zulassen soll. In diesem Zusammenhang sprach er sich auch gegen den Afganistankrieg aus.
Im Anschluss an die Zwischenkundgebung ging's am Bahnhof vorbei zum Platz des 23. Februar hinter dem Rathaus. Hier sprachen ein Vertreter der DBG-Jugend, der sich für Toleranz und gegen Nazis aussprach. Er forderte außerdem ein Verbot der NPD.
Danach sprach ein Vertreter der Linksjugend ['solid]. Er thematisierte die erfolgreichen Blockaden von Antifaschist/-innen letztes Wochenende in Dresden und ging außerdem auf den Missbrauch von linken Symbolen durch Nazigruppen ein.
Zuletzt sprach ein Vertreter von alert|a. Er sprach von Umgang mit dem 23. Februar in Pforzheim und kritisierte in diesem Zusammenhang, dass in der Öffentlichkeit oft nicht klar wird, dass dieses Datum eine Vorgeschichte hat. Schon 1933 sei klar gewesen: „Wer Hitler wählt, wählt Krieg!“.
Im Folgenden ging er darauf ein, dass es unter den 17.000 Toten des 23. Februars nicht nur Opfer, sondern auch viele Täter gab.
Danach benannte er Pforzheim als Akteur des Krieges und sprach ihm damit den Status des „unnötigen Opfers“ ab. Den Angriff auf Pforzheim stellte er als Konsequenz aus einer Kriegslogik heraus dar.
Um die Würde der Opfer des NS zu wahren, forderte er eine differenziertes Geschichtsbild, dass Ursachen, Täter und Profiteure des NS benennt. Zuletzt positionierte er sich gegen das Totschlagargument der „Würde des Pforzheimer Gedenktages“, das hauptsächlich dazu diene, Kritik am Umgang mit der NS-Vergangenheit zu verunglimpfen.
Die Veranstalter schätzen die Demonstration nach der Befragung einiger Beteiligter als Erfolg ein. Es wurde auch die Hoffnung geäußert, dass diese Demo ein Schritt Richtung Verhinderung der Nazimahnwache nächstes Jahr ist.
Zu erwähnen ist außerdem, dass während der Demo Flyer verteilt wurden, die sich inhaltlich mit der Extremismustheorie beschäftigen und diese als bürgerliches Propagandakonstrukt entlarfen.
Weiter geht’s am 23. Februar, um 15:00 Uhr beginn die Dauerkungebung auf dem Marktplatz: Link zum Termin
Weitere Infos wirds wahrscheinlich auch demnächst auf folgenden Seiten geben:
naja
ich bin ziemlich enttäuscht von der demo. hatte mir gerade wegen dem vielversprechenden interview der alerta pforzheim viel mehr erhofft.. im interview wurde der sinn der demo erläutert: es sollten linksradikale inhalte vermittelt werden und das bild der chaoten, welche nur die konfrontation suchen würden durch die vorverlegung der demo zerstört werden. umso mehr hat es mich enttäuscht auf einer solchen demo einen redebeitrag zu hören, in welcher mal wieder ordentlich mit der bürgerlichen extremismus-keule zugeschlagen wurde. mensch sollte sich fragen, ob eine zusammenarbeit mit solchen bündnispartnern überhaupt konstruktiv sein kann. ansonsten: gut gefallen hat mir der redebeitrag von ernst grube, welcher auf die gräueltaten der nationalsozialisten anhand des persönlichen beispiels einging. und auch der redebeitrag von alerta sprach mir zu, da dieser sich gekonnt mit dem deutschen opfermythos auseinandersetzte.
auch sehr schade fand ich, dass der demozug erst in der letzten halben stunde an stimmung & lautstärke gewann..
gute Demo - schlechter Beitrag
Ich fande die Demo für pforzheimer Verhältnisse mehr als erfolgreich und ausbaufähig. In den letzten Jahren konnte mensch leider nicht so viele Menschen zu diesem Thema auf die Straße bringen, anders dieses Jahr. Überflüssig fande ich den Redebeitrag von Katja Mast, die die Extremismus Debatte wieder in den Mittelpunkt setzte und mehr für ihre Partei warb wie gegen die Fackelmahnwache. Trotz des Negativbeispiels eine sehr gelungene Sache. Es hätte mich zwar erfreud, mehr Menschen von anderen Städten gesehen zu haben, aber was die Solidaität betrifft, hatte Pforzheim es ja schon immer besonders schwer.
Weiter geht es am 23.02.2010 in der Hoffnung, die Fackelmahnwache mir vielen kreativen Aktionen zu stören und im besten Fall zu verhintern.
ergänzungen etc
Oberbürgermeister Hager hat gegenüber der Initiative gegen Rechts im Vorhinein geäußert, dass er die Proteste gegen die Nazimahnwache begrüßt und bei der Demo dabei sein wird, jedoch keinen Redebeitrag halten wird, da er dies nur auf städtischen Veranstaltungen täte. Sieht mensch sich das untere (zweite) Video auf der Internetseite der Pforzheimer Zeitung http://www.pz-news.de/Home/Nachrichten/Pforzheim/450-Menschen-demonstrie... an, wo sich Hager gegen "Rechts"- UND "Linksextremismus" ausspricht, ist mensch vielleicht auch ganz froh darüber, dass er von einem Redebeitrag abgesehen hat. OB Hager lief dann vom Waisenhaus bis zur Schlössle Galerie mit, jedoch nicht mehr bis zum Platz des 23. Februar unterhalb des Rathaus, wo Vertreter der DGB-Jugend, solid und alerta Redebeiträge hielten.
Übrigens wurden unterwegs zwei Nazis aus Tuttlingen gesichtet (Tuttlinger Kennzeichen). Mensch hat sie dann aber aus den Augen verloren und nicht mehr ausfindig machen können.
Auch ich fand die Rede von Katja Mast mehr als enttäuschend, jedoch haben diejenigen VertreterInnen der Parteien etc. die sich aktiv in der Initiative beteiligen, meines Wissens nach nie geäußert, dass sie sich auch gegen "Linksextremismus" aussprechen. (Etwaiges ist aus der Initiative auch nicht zu erwarten. Es handelt sich um eine Initiative gegen RECHTS, da sind sich die BündnispartnerInnen einig.) Im Gegenteil: Gerade sie haben bewirkt, dass in der jährlich vor dem 23. Februar vom Gemeinderat verabschiedeten Resolution das Wort "Links"-Extremismus gestrichen wird. Es ist außerdem Konsens, dass sich die Initiative nicht aufgrund von Vorwürfen des Extremismus einzelner BündnispartnerInnen oder zu dem Zweck andere Parteien / Organisationen wie beispielsweise die CDU o.ä. für sich zu gewinnen, spalten lässt oder von MitinitiatorInnen distanziert. Insofern halte ich es weiterhin für richtig und sinnvoll, Bündnisarbeit mit diesen Gruppen zu betreiben, wobei in Zukunft zugegeben darauf geachtet werden sollte, welcher Inhalt in einer Rede zu erwarten ist, wenn man RednerInnen von außen holt, bzw. im Vorhinein zu klären, dass eine Gleichsetzung von Links und Rechts in der Initiative nicht erwünscht ist.
Zum Glück hat Claus Spohn (Die Linke) Katja Mast mit seiner anschließenden Rede den Wind aus den Segeln genommen und übrigens wesentlich mehr Zuspruch und Applaus geerntet als sie.
Dass Pforzheim bzw. die Pforzheimer Antifa in der Vergangenheit keine Unterstützung von außerhalb erfahren hat, würde ich nicht unterschreiben. Beispielsweise im Jahr 2008 war die Unterstützung durch das AA-BaWü nicht gerade gering.
sehrwohl Unterstützung von aussen
ich sehe das auch so, dass in der Vergangenheit sehr viel Druck von anderen Städten aufgebaut wurde, Linke nicht zu Kriminalisieren und die Fackelmahnwache zu verbieten! So Richtig begonnen hatte das alles aber erst ab 2005 mit der "Opfermythos angreifen" Demo, wo immerhin über 500 BlackBlock Menschen aus ganz Ba-Wü, Bayern, Hessen und dem Saarland da waren.
Ich finde aber auch, dass dieses Jahr entweder das Bündniss zu groß von den Organisationsgruppen oder alle Antifas aus anderen Städten noch ausgelaugt vom 13.02.2010 in Dresden waren :)
Nächstes Jahr schaun wir mal und dann noch kraftvoller und nach Möglichkeit ohne Katja Mast und Co.
leider sah es gestern am 23.
leider sah es gestern am 23. Februar mit Unterstützung nicht so gut aus. So fanden sich vieleicht insgesamt 30 Menschen auf dem Marktplatz ein, viel zu wenig um etwas gegen das Nazitreiben auf dem Wartberg zu unternehmen. Die "Szene" ist mittlerweile in Pforzheim sehr schwach besetzt und ohne Unterstützung von außerhalb wird es auch in Zukunft nicht möglich sein den Nazis die Facklen auszupusten. Aber auch gerade deswegen weil wir mittlerweile in Pforzheim personell schwach aufgestellt sind hat es mich gefreut zusehen das in meiner alten Heimat trotzdem sich noch Menschen engagieren, diesen gehört mein Respekt. Man sollte sich nicht auf Dresden ausruhen, wenn einer der größten regelmässigen Naziveranstaltungen vor seiner Haustüre statt findet ist es verwunderlich das es kaum Resonaz von außerhalb gibt...
und warum ist das so ???weil
und warum ist das so ???
weil die szene sich da seit jahren nur um sich selbst dreht
entweder es geht darum das die böse stadt pforzheim demo gebühren verlangt oder um die scheiß nazi mahnwache
wie wärs wenn ihr euch mal um den aufbau eurer strukturen kümmert
mit reglemässigen veranstaltungen, bündnis arbeit kulturprogramm
und dann vernetzt euch ordentlich mit den städten in denen es besser läuft als bei euch
wer immer nur 3 monate vor dem nazi event aufwacht und den rest vom jahr nichts macht wird kein erfolg beschert sein
ich geb dir im Kern Recht,
ich geb dir im Kern Recht, aber ganz so einfach ist es nicht, es ist einfach nicht die attraktivste stadt und mensch zieht ab einem gewissen Alter einfach weg, dieser "Wegbruch" von Erfahrenen müssen die Jüngern ersteinmal kompensieren. Selbst wenn 200 Menschen aus Pforzheim mit dem richtigen Aktionspotential dagewesen wären, reicht das immernoch nicht um auf den Wartberg zukommen. Es bleibt zu hoffen das es im nächsten jahr wieder aufwärts geht, sonst haben die nazis vom heidnischen Sturm ihre national befreite Zone mitten in Bawü, und dass das auch auf andere Städe auswirken kann hat der Umzug von jonathan stumpf nach Freiburg gezeigt....
auch ex-pfhm
Naja so ganz ist das ja nicht das es in Pfhm. keine Strukturen gibt. Es gibt sie sehr wohl und einiges läuft doch Prima in Pforzheim - man darf sich nicht abschrecken lassen - und das hat in Pforzheim doch seit Jahren sehr gut funktioniert - es gibt doch mittlerweile eine nette Szene. Das die noch nicht so Aktiv ist, ist klar aber manches entwickelt sich eben. Auch wenn es mal ein Jahr nicht gut geht.
Wichtig ist wenn man aus Pforzheim abhaut was zu hinterlassen - weil es dort auf Dauer auszuhalten scheint mir fast unmöglich.