Sachsen-Anhalt ist eines der fünf Bundesländer, in denen im nächsten Jahr ein neues Landesparlament gewählt wird. Schon jetzt ist abzusehen, dass die Alternative für Deutschland (AfD) auch hier von der bundesweit rassistisch geführten Debatte um Migration und Zuzug profitieren wird.
Im Gegensatz zu anderen Landesverbänden ist bei der AfD in Sachsen-Anhalt auch nach der Abspaltung des nationalliberalen Flügels um Bernd Lucke zur neugegründeten Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA) kein weiterer Rechtsruck zu verzeichnen. Dies ist jedoch nicht auf die Dominanz gemäßigter Positionen zurückzuführen, sondern entspricht vielmehr der von Anfang an bestehenden offen (neu)- rechten Verortung des AfD-Landesverbandes unter ihrem Vorsitzenden André Poggenburg.1 Gleichwohl stößt die AfD mit ihrer programmatischen Ausrichtung auf eine weiterhin (noch) bestehende Lücke in der bundesdeutschen Parteienlandschaft und trifft in Sachsen-Anhalt auf ein rassistisches Klima, dass sie bisher besser zu nutzen weiß als die regionale neonazistische Szene. Dies hängt zum Einen mit einer Rhetorik zusammen, durch die selbsternannte „Asylkritiker“ an die Partei gebunden werden sollen — zum Anderen findet eine Abgrenzung zur extremen Rechten noch nicht einmal verbal statt.
„Wir für unsere Heimat“
Der deutschen Migrationspolitik geht es nicht mehr ausschließlich um die Aufrechterhaltung eines Einwanderungsstopps, sondern um eine Kontrolle der Migration unter sozioökonomischen Nützlichkeitsaspekten, die fortgesetzt mit Hilfe rassistischer Zuschreibungen geschieht.2 Von der damit verbundenen Konjunktur des Rassismus profitiert aktuell die AfD. Gleichzeitig bestärken die bisherigen Wahlerfolge die Annahme, dass nicht erst eine (ökonomische) Krise mit konkreten Folgen und Maßnahmen für die davon Betroffenen eintreten muss, sondern bereits die Sorge vor Belastungen und Einschnitten rechten Wahlzuspruch begünstigt. Eben darauf setzt die Partei auch für die im März 2016 stattfindende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. „Die zügellose Masseneinwanderung bedroht unseren bescheidenen Wohlstand und unseren inneren Frieden“ heißt es in ihrem Wahlprogramm. Der AfD, die mit 36 ListenkanditatInnen zur Wahl antritt, dürfte bewusst sein, dass sie nicht aufgrund regionaler Verankerung eine durchaus realistische Chance auf den Einzug in ein weiteres Landesparlament hat, sondern von gesellschaftlich vorhandenen rassistischen und sozialchauvinistischen Ressentiments lebt. Diese brechen sich Bahn in der Ablehnung all dessen, was als „anders“ wahrgenommen wird, was unterhalb der sozialen Hierarchie steht oder was „von außen“ kommt. Die damit einhergehenden rassistischen und rechten Positionen bündelt die AfD in Sachsen-Anhalt unter der Parole „Die Stimme der Bürger ist unser Programm“. Sie versucht diese im Sinne einer rechtspopulistischen Diskursstrategie, in der ein (ergebnis-)offener Diskurs nicht nur nicht gesucht wird, sondern dieser — wo immer möglich — verhindert werden soll, als Kampf um „freie Meinungsäußerung“ zu verkaufen. Damit rückt sie den politischen Diskurs weiter nach rechts und verschafft ihren völkisch-nationalistischen Positionen eine breite Resonanz.
(Vorwahl-)Kampf in Sachsen-Anhalt
Die AfD sieht sich in Sachsen-Anhalt in einem Kampf gegen „lebensfremde Gesellschaftsexperimente“, die nicht nur den „politisch-korrekten“ neuen Menschen erschaffen sollen, sondern im Gegenzug gleich noch Deutschland abzuschaffen gedenken. Einem „linken Zeitgeist“ solle „gesunder Menschenverstand und Heimatliebe“ entgegenhalten werden. Was sich hinter solchen Aussagen verbirgt und wie die aktuelle Präsenz rechter und rassistischer Meinungen dabei bedient wird, macht ein Blick in das Landeswahlprogramm deutlich. „Unsere kulturelle Identität ist […] der Kern unserer Existenz. Eine einseitige Konzentration auf zwölf Unglücksjahre unserer Geschichte verstellt den Blick auf Jahrhunderte, in denen eine einzigartige Substanz an Kultur und staatlicher Ordnung aufgebaut wurde.“ Bereits auf den ersten Seiten wird die ideologische Grundlage der AfD deutlich und kulturalistischer Rassismus sowie völkischer Nationalismus finden ihre Entsprechung. Wesentliche Bestandteile eines völkischen Nationalismus sind u.a. ein Verständnis von Nation auf der Basis ethnischer Homogenität, die Vorrangstellung der Nation bzw. Volksgemeinschaft gegenüber den Individuen, ein autoritäres Staatsverständnis sowie ein dichotomisches Freund-Feind-Denken.3 Kulturalistischer Rassismus wiederum geht von einer angeblich tiefgreifenden und unaufhebbaren Differenz zwischen den Kulturen aus. Der AfD dient diese vermeintliche Unvereinbarkeit als Erklärung jedweder tatsächlichen oder möglichen Problemlage. „Die Herausbildung einer multikulturellen Gesellschaft auf deutschem Boden und der fehlende Mut zu unserer deutschen Leitkultur schwächen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gefährden auf lange Sicht die Demokratie selbst.“ Zuwanderung führe dazu, dass „unser geschichtliches Bewusstsein, unsere Kultur und unsere Lebensweise verdrängt werden“ und „Parallelgesellschaften“ entstünden, die Verantwortung dafür trügen, dass sich „die Sicherheitslage noch weiter verschlechtern wird.“ Es zeigt sich deutlich, dass sozioökonomische Themen wie Arbeit und Wirtschaft im Erscheinungsbild der AfD weiter an Bedeutung verlieren, wohingegen soziokulturelle Aspekte — ethnisiert und rassistisch aufgeladen — in den Fokus rücken.
Rassistische Mobilmachung
Im Zuge der sogenannten „Herbstoffensive“ organisierte die AfD auch in Sachsen-Anhalt seit Mitte Oktober bisher 10 Demonstrationen gegen „das Politikversagen“ der „etablierten Parteien“ sowie „das Asyl-Chaos“. Den größten Zuspruch erfuhren diese Veranstaltungen bislang in Magdeburg, wo unter starker Beteiligung aus anderen Bundesländern, zur ersten Veranstaltung etwa 2.000 Teilnehmende zu verzeichnen waren. Die AfD stellt sich selbst in die Tradition vergangener Umbrüche, um derzeit „akut bedrohte Werte“ zu verteidigen. „Wir haben uns die Demokratie in der friedlichen Revolution von 1989 erkämpft, um sie mit Leben zu füllen, und nicht, um miterleben zu müssen, wie sie langsam aber stetig vergeht.“ Das Pluralismus in dieser Vorstellung keinen Platz findet, wird dabei auch durch die immer wieder bemühte Bezugnahme auf die „Lügenpresse“ deutlich. Ohnehin werde das Recht auf Meinungsfreiheit erst eingeschränkt, „um es anschließend auf dem Altar einer abstrusen ‘politischen Korrektheit’ zu opfern.“ Die AfD bedient sich hierbei einer Strategie, die versucht rechte Thesen als Ausdruck eines Kampfes um Meinungsfreiheit gegen einen angeblich vorherrschenden linken „Tugendterror“ zu verkaufen. Eine gewalttätige Entsprechung findet dieser Kampf dann nicht nur in der Anwesenheit einer Vielzahl rechter Hooligans und organisierter Neonazis auf den Demonstrationen der AfD, sondern ebenso in der Gründung von lokal organisierten „Bürgerwehren“. Deren Etablierung stellt folgerichtig eine zentrale Forderung im Wahlprogramm dar. Demnach sollen „Kommunen mit besonderen Kriminalitätsbrennpunkten das Recht erhalten, eine freiwillige Bürgerwehr auf kommunaler Ebene einzuführen.“ Doch bis zu einem möglichen Wahlerfolg müssen „besorgte Bürger“ gar nicht erst warten. Das Online-Portal „Netz gegen Nazis“ zählte bis Sommer 2015 bundesweit etwa 100 solcher Gruppen alleine bei Facebook, wo regelmäßig über vermeintliche Übergriffe oder Störungen durch mehrheitlich Geflüchtete berichtet wird.4 Dass diese Aussagen in erster Linie auf Gerüchten, Lügen und den rassistischen Vorstellungen der sie Verbreitenden zurückgehen, scheint dabei irrelevant zu sein. In Magdeburg griffen Mitglieder einer Bürgerwehr, die vor allem aus rechten Hooligans und Kampfsportlern bestand, in der Nacht zum 1. November eine Gruppe Geflüchteter an und verletzte diese so, dass ein Teil im Krankenhaus behandelt werden musste.5 Diese Entwicklungen machen deutlich, dass es der AfD in Sachsen-Anhalt zu gelingen scheint eine rassistische Stimmung in Wort und Tat zu bedienen und weiter zu verschärfen sowie ein gewalttätig in Erscheinung tretendes Milieu von rechten Hooligans und organisierten Neonazis anzusprechen.
Text auf AIB-Seite
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