Hooligans verhöhnten Polizisten in Köln

Erstveröffentlicht: 
10.01.2016

PEGIDA-DEMONSTRATION NACH ÜBERGRIFFEN AN SILVESTER

 

Schon bei der Ankunft der Hooligans in Köln flogen die ersten Feuerwerkskörper. Eine Zusammenfassung zur Pegida-Demonstration in Köln.

 

Von Peter Berger , Tobias Christ  und Tim Stinauer

 

Köln. Es sind widerliche Bilder, die am Samstag aus Köln um die Welt gehen: Bilder von alkoholisierten und extrem gewaltbereiten Hooligans, die am Nachmittag gegen 15 Uhr unter Polizeischutz vom Breslauer Platz durch die Innenstadt ziehen dürfen. Sie werfen mit Böllern, Flaschen und Steinen, brüllen übelste Parolen und provozieren die gepanzerte Hundertschaft so lange, bis die Einsatzleitung endlich ein Einsehen hat, und die Demonstration mit rund 1700 Teilnehmern nach einer halben Stunde für beendet erklärt, als ein Hooligan versucht, die Polizeisperre zu durchbrechen. Über Lautsprecher spricht die Polizei von „asozialem Verhalten“ und ist gezwungen, durch den Einsatz von Wasserwerfern und Reizgas das Schlimmste zu verhindern.

 

Demonstration von Hooligans beherrscht

 

Dass die Gruppe überhaupt losmarschieren darf, ist äußert verwunderlich und stößt selbst polizeiintern auf Kritik. Denn schon bei der Ankunft der Hooligans, die gegen 13.30 Uhr mit Zügen aus dem Ruhrgebiet den Kölner Hauptbahnhof erreichen, wird deutlich: Die von Pegida NRW angemeldete Demonstration wird von Hooligans beherrscht werden. Ein Regional-Express mit 450 Pediga-Teilnehmern ist gerade erst angekommen, als schon der erste Feuerwerkskörper gezündet wird. Durch die Detonation werden zwei Beamte der Bundespolizei verletzt. Sie erleiden ein Knalltrauma und müssen sich in ärztliche Behandlung begeben. Und schon steht die bange Frage im Raum: Kann die Polizei die Lage diesmal unter Kontrolle halten?

 

Das alles geschieht an der gleichen Stelle wie im Oktober 2014, als fast 5000 Hooligans rund 1300 Polizisten gegenüberstanden, die am Ende die Lage nicht mehr unter Kontrolle halten konnten. Damals war, wie am Silvester-Abend, erstmals von einem rechtsfreien Raum mitten in der Kölner Innenstadt die Rede. Diesmal ist die Landespolizei besser vorbereitet. Sie hat 1700 Einsatzkräfte aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen, die Bundespolizei sichert den Hauptbahnhof zusätzlich mit mehreren 100 Beamten und einer Hundestaffel.

 

Wohl auch deshalb hat sich die Hooligan-Szene erneut nach Köln gewagt und das Kommando der Pegida-Kundgebung übernommen. Der Veranstalter hat erhebliche Schwierigkeiten, die Auflagen der Polizei zu erfüllen und 60 Ordner zu stellen, die weder vorbestraft noch alkoholisiert sind. Auch das Glasflaschen- und Böllerverbot lässt sich trotz massiver Kontrollen nicht durchsetzen. Bei Durchsuchungen werden ein Nothammer, Drogen und Knallkörper sichergestellt. Immer wieder wird Pyrotechnik gezündet. Noch kurz bevor sich der Demonstrationszug in Bewegung setzt, detoniert ein Feuerwerkskörper in der menschenleeren U-Bahn-Station am Breslauer Platz.

 

Gespenstische Szenen am Hauptbahnhof

 

Die Stimmung ist extrem angespannt, schon auf den ersten Metern des Aufmarschs wird deutlich, dass das nicht gutgehen kann. „Wenn diese vielleicht hundert Randalierer der Polizei schon den Gefallen tun, vereint an der Spitze des Aufzugs zu marschieren, hätte man sie spätestens nach dem ersten Böllerwurf gewaltsam von den anderen friedlichen Demo-Teilnehmern abtrennen können“, sagt ein ranghoher Polizist, der bundesweit Großeinsätze leitet, hinterher. „Die Polizei sollte immer das Heft des Handelns in der Hand behalten.“ Der Beamte präzisiert: „Man schneidet die Störer mit einer Polizeikette vom Rest des Aufzugs ab und umstellt sie. Dann teilt man die Randalierer durch weitere Polizeiketten in mehrere, kleine Gruppen auf, zum Beispiel viermal 25 Mann, damit die leichter zu handeln sind. Und schließlich bringt man Grüppchen für Grüppchen mit Gefangenen-Transportern weg, und der restliche Aufzug kann weitermarschieren.“ Wäre man so verfahren, sagt der Beamte, hätte man jetzt auch die Personalien aller Gewalttäter vorliegen. „Das wurde am Samstag versäumt.“

 

Als entsprechend heikel erweist sich die Aufgabe, die Pegida-Demonstranten am frühen Abend wieder in die Züge Richtung Ruhrgebiet zu verfrachten. Es sind gespenstische Szenen, die sich in der B-Tangente des Hauptbahnhofs abspielen. Die Zugänge zu den Bahnsteigen werden von Polizeikräften gesichert, die sich den höhnischen Rufen eines grölenden Mobs gegenübersehen. „Wo wart ihr Silvester? Wo wart ihr Silvester?“, skandiert die Menge. Und: „Deutschland hat wieder eine Jugend.“ Die meisten Geschäfte in diesem Teil der Colonaden haben aus Sicherheitsgründen längst geschlossen. Auf der Rückfahrt, die Züge werden von Beamten der Bundespolizei begleitet, kommt es zu weiteren Ausschreitungen. In Essen spricht die Polizei von Rangeleien mit anderen Personen im Hauptbahnhof, auch am Bahnhof Köln-West soll es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen sein. Als die Polizei dort eintrifft, konnte sie aber keine Personen mehr feststellen.

 

Es sind aber auch diese Bilder aus Köln, die hoffentlich nicht ganz untergehen werden. Bereits am Mittag treffen sich rund 1000 Frauen zu einem Flashmob auf dem Bahnhofsvorplatz und der Freitreppe zum Dom, demonstrieren friedlich und vor allen Dingen fröhlich gegen Gewalttaten an Frauen und Sexismus und – typisch kölsch – schunkelnd mit dem Refrain eines Karnevalsklassikers von Marita Köllner: „Denn mir sin kölsche Mädcher, hann Spetzebötzjer an, mir lossen uns nit dran fummele, mir lossen keiner dran.“

 

Organisiert hat den Flashmob die Kölner Musikerin Martina Schumeckers (57). „Ich habe das getan, weil wir unsere Sicherheit zurückhaben wollen. Und ich stehe hier für alle Mütter, Töchter, Enkeltöchter und Großmütter, die sich alle sicher bewegen wollen. Besonders in unserem Köln.“

 

15 Festnahmen, mehrere verletzte Polizisten

 

„Unser Köln“ hat sich auch auf dem Breslauer Platz versammelt – wenige Meter von den rechtsextremen Pegida-Anhängern und Hooligans entfernt, getrennt durch die U-Bahn-Station und eine Hundertschaft von Polizisten. Das Bündnis „Köln gegen Rechts“ spricht von bis zu 4000 Teilnehmern, die Polizei von 1300, unter ihnen auch Vertreter von Ratsparteien und der Gewerkschaften. Die Kundgebung verläuft friedlich, es kommt lediglich zu ein paar verbalen Scharmützeln mit den Rechtsextremen.

 

In den Reden wird immer wieder deutlich, dass man sich dem Versuch von Pegida entgegenstellen will, „die Empörung über die sexuellen Übergriffe“ in der Silvesternacht für „rassistische Hetze zu instrumentalisieren“. Die gewalttätigen sexistischen Straftaten an Silvester seien unentschuldbar, sagt Sonja Ziegler, Sprecherin von „Köln stellt sich quer“. Gewalt gegen Frauen sei immer ein Verbrechen, egal wer die Täter seien.

 

Die Bilanz des Einsatztages der Polizei: 15 Festnahmen, mehrere verletzte Polizisten, ein verletzter Journalist. Die Bundespolizei leitet Ermittlungen wegen Beleidigungen, gefährlicher Körperverletzung, Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und Widerstands ein.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert