[B] Warum ein Tierbefreiungsblock auf der Wir-haben-es-satt-Demo?

Banner: Tierbefreiungs-Block

So wie im letzten Jahr ruft die Gruppe Grüne Woche demaskieren! dazu auf, sich an der großen Wir-haben-es-satt-Demo (WHES) für eine andere Landwirtschaft am 16. Januar 2016 zu beteiligen und dabei auch die grundsätzliche Kritik an der Ausbeutung von Tieren und der kapitalistisch organisierten Landwirtschaft laut zu vertreten. Mit Schildern und extra für die Demo entworfenen Flyern wollen wir von einem Tierbefreiungsblock aus in die Demo ausschwärmen, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

 

Wir rufen zu dem Block auf, weil wir viele Forderungen des WHES-Bündnisses teilen, diese uns aber zugleich nicht weit genug gehen. Weil in der gegenwärtigen Landwirtschaft nicht nur die agrarindustrielle Massenproduktion nicht hinnehmbar ist. Und weil eine grundsätzliche Kritik an der immanenten Struktur der Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt innerhalb der kapitalistischen Landwirtschaft weitgehend fehlt. Wir wollen diese Themen in die Demo hineintragen und die anderen Demonstrierenden für diese Problematik sensibilisieren.

Von Seiten der WHES-Organisation (Facebook) und Einzelpersonen wurden nun Befürchtungen laut, auf die wir hier eingehen:

  1. Die Befürchtung, wir würden Bäuerinnen und Bauern diffamieren.

Es ist interessant, dass anscheinend allein aufgrund der Tierbefreiungs-Position schon befürchtet wird, wir wollten Bäuer*innen diffamieren. Als Veganer*innen und Tierbefreiungsaktivist*innen sind wir regelmäßig mit dem Vorwurf konfrontiert, wir würden intolerant oder dogmatisch für unsere Lebensweise eintreten. Dabei handelt es sich aus unserer Sicht um eine typische Reaktion auf eine radikale Position, die häufig eine inhaltliche Auseinandersetzung blockiert. Aber darum geht es uns: Nicht um Diffamierung, sondern um Information und Diskussion zu zentralen Fragen des Mensch-Tier-Verhältnisses und der kapitalistischen Wirtschaftsweise.

Wir vertreten eine grundsätzliche Kritik an der Tierhaltung und der vorherrschenden Landwirtschaft. Während wir mit vielen Forderungen des WHES-Bündnisses – gegen die Agrarindustrie, für kleinbäuerliche Landwirtschaft, für Umweltschutz und globale Gerechtigkeit – übereinstimmen, finden wir die Haltung des WHES-Bündnisses in Bezug auf bestimmte Themen nicht überzeugend.

Thema Tierhaltung: Auch bei der „Bio“tierhaltung, die von dem Wir-haben-es-satt Bündnis gefordert wird, handelt es sich meist um Massentierhaltung. Das bisschen mehr Platz, das den Tieren zugesprochen wird, bedeutet noch lange kein gutes Leben. Auch bei den besonders gelobten Biohöfen werden zahlreiche Bedürfnisse von Tieren verletzt. Und auch Bio-Tiere werden am Ende eines kurzen Lebens gewaltsam getötet.

Das WHES-Bündnis blendet die grundsätzliche Kritik an der Tierausbeutung fast komplett aus. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gewaltverhältnis, das die Nutztierhaltung bestimmt, findet kaum statt – wie sich zum Beispiel an der einseitigen Besetzung der Diskussionsveranstaltungen zeigt, die im Rahmen der Demo stattfinden. Das finden wir schade, auch weil ja auch innerhalb der Bauernhöfe-statt-Agrarfabriken-Bewegung so eine Position vorhanden ist und es zunehmend Bündnisse zwischen Bürgerinitiativen und Tierrechts- und Tierbefreiungsgruppen gibt.

Es ist nachvollziehbar, dass das WHES-Bündnis die Tierhalter*innen dabeihaben will. Eine echte Agrarwende ist nur mit den Bäuer*innen möglich, keine Frage. Aber eine echte Agrarwende muss weiter gedacht werden, als der Tierausbeutung ein netteres Aussehen zu geben. Wir müssen uns darüber auseinandersetzen, was Tierhaltung für die Tiere – und auch für Umwelt und Klima – wirklich bedeutet und ob wir als Gesellschaft die damit unleugbar verbundene Gewalt in Zukunft weiter wollen. Wir sehen unsere Arbeit auch als Beitrag zu dieser gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

Uns ist dabei klar, dass die Bäuer*innen vielfach selbst Opfer des vorherrschenden Systems sind. Zur Zeit wird die industrielle Landwirtschaft und die Tierausbeutung – und ihre weitere Intensivierung – von der Politik und den wirtschaftlichen Strukturen unterstützt. Die Verbände der Agrarindustrie wie der Bauernverband nutzen ihre Macht, um diese Unterstützung aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig nutzen sie häufig die Kritik an der gegenwärtigen Landwirtschaft aus, um Bäuer*innen hinter sich zu bringen – wie zum Beispiel bei der vom Bauernverband organisierten Gegendemo „Wir machen euch satt.“

Die Lösung kann nicht sein, mit der Kritik aufzuhören. Vielmehr muss es darum gehen, diese strukturellen Zusammenhänge aufzuzeigen und für alternative Wirtschaftsweisen zu werben. Für uns ist das die nicht nur kleinbäuerliche, sondern auch bio-vegane Landwirtschaft.

  1. Ein Tierbefreiungsblock würde die Demo-Teilnehmer*innen spalten

Das WHES-Bündnis ist ein diverses Bündnis mit zahlreichen Konfliktlinien. Uns erschreckt, dass gerade uns der Vorwurf der Spaltung gemacht wird, obwohl dieser eigentlich alle treffen könnte, die auf der Demo eigene Forderungen vertreten. Auch für Veganer*innen ist es schwer, z. B. mit Milchbäuer*innen auf derselben Demo zu sein. Schwer erträglich – bestimmt nicht nur für uns – ist auch die tragende Rolle des Tierschutzbundes, der mit dem führenden Unternehmen der Geflügelindustrie, Wiesenhof, zusammenarbeitet und damit Geld verdient.

Wir sehen uns trotzdem als Teil dieser diversen Bewegung für eine Agrarwende. Und wir denken, dass radikale Positionen innerhalb dieser Bewegung wichtig sind. Erstens ist die Tierbefreiungsposition und die Arbeit der vielen Tierrechts- und Tierbefreiungsgruppen eine treibende Kraft der gesellschaftlichen Debatte über die Landwirtschaft. Zweitens muss eine Bewegung sich immer auch über die grundsätzliche Ausrichtung auseinandersetzen – wir müssen darüber reden, wo wir eigentlich hinwollen und warum.

 

Wir rufen alle Bäuer*innen und alle Demo-Teilnehmer*innen dazu auf, sich an dieser Auseinandersetzung zu beteiligen. Und wir denken, dass die Demo auch ein Ort ist, die unterschiedlichen Forderungen zu vertreten und die jeweiligen Argumente zu präsentieren. Die Idee, man müsste die anderen Demo-Teilnehmer*innen gleichsam vor den Forderungen der Tierbefreiungsbewegung beschützen, unterschätzt deren eigene Fähigkeit zur Reflexion und kritischen Auseinandersetzung.

 

In diesem Sinne wünschen wir uns, als Teil einer diversen Bewegung mit unseren Forderungen gehört und respektiert zu werden – und hoffen gleichzeitig auf ein kraftvolles gemeinsames Zeichen am 16. Januar in Berlin.

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"Mit Schildern und extra für die Demo entworfenen Flyern wollen wir von einem Tierbefreiungsblock aus in die Demo ausschwärmen, um möglichst viele Menschen zu erreichen." So muss das sein. Fand den antikap-Block als ich die letzten Jahre dabei war immer sehr schön! :)