Free Schubi: Ein Jahr Haft - Ein Jahr Wut

Free Schubi

Während die meisten rassistischen Brandstifter auf freiem Fuß sind, sitzt der Antifaschist und Fußballfreund Schubi seit einem Jahr in U-Haft. Ihm wird vorgeworfen, bei zwei Fußballspielen Polizeibeamte mit Steinen angegriffen zu haben. Nicht nur die Dauer seiner U-Haft macht uns Freunde und andere Genossen_innen wütend, auch die zahlreichen Eigentümlichkeiten im Laufe des Strafprozesses gegen ihn machen uns oft fassungslos. Wir wollen den Jahrestag seiner Verhaftung für einen Rückblick nutzen.


Was ist geschehen?

Am 16.12.2014 wird Schubi verhaftet und sitzt seither in der JVA Waldeck bei Rostock in Untersuchungshaft. Im Juni 2015 wurde der Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Rostock eröffnet. Ihm wird unter anderem gefährliche Körperverletzung in mehreren Fällen vorgeworfen, die er im Rahmen von Spielen des FC Hansa Rostock gegen RB Leipzig und SG Dynamo Dresden im Jahre 2014 begangen haben soll. Einer dieser Steinwürfe ist als versuchter Totschlag in die Anklage eingegangen – die Verletzung: eine Rötung im Rippenbereich eines Polizeibeamten.

Wie verhält sich Schubi?

Schubi informiert Mithäftlinge regelmäßig über politische Themen am schwarzen Brett. Besonders beeindruckend ist Schubis Engagement – schon seit Beginn der U-Haft – das isolierende System des Gefängnisses aufzubrechen und für kollektive Rechte einzutreten. Für dieses Engagement steht die Gründung einer Gefangenengewerkschaft, die in der GG/BO organisiert ist. Die Gründung dieser Gewerkschaft haben Schubi und andere Gefangene der JVA Waldeck umgesetzt. Mittlerweile ist die JVA Waldeck das Gefängnis mit den meisten Gewerkschaftsmitgliedern. Seit der Prozess läuft, ist Schubi intensiv mit seiner Verteidigung rund um die Prozesstage beschäftigt. Nach wie vor verweigert er die Aussage.

Wie verlief der Prozess bisher?

Es wäre zu umfangreich, alle aus unserer Sicht skandalösen Aspekte des Prozesses im Detail nach zu zeichnen, nichtsdestotrotz wollen wir einen stichpunktartigen Einblick geben.

U-Haft-Verlängerung

Erst am 17.07.2015, d. h. über sechs Monate nach seiner Verhaftung, wurde die Anklageschrift am Landgericht Rostock gegen Schubi verlesen. Die Prozesseröffnung war ursprünglich bereits für Mai vorgesehen, doch aufgrund wiederholter Verfahrensfehler des Gerichts konnte der Prozess erst später beginnen. Der Fortbestand der U-Haft wurde mit der absurden Behauptung einer Fluchtgefahr und eines möglichen Abtauchens in den Untergrund begründet. Auch wurden Teilnahmen an linken Demonstrationen, bei denen eine einfache Personalienfeststellung erfolgt war, als Begründung für Schubis Tatmotiv herangezogen: aus politischer Überzeugung lebe er seinen Hass gegen Polizeibeamt_innen bei Fußballspielen und Demonstrationen aus. Hier möchten die heimlichen Extremismusjäger_innen wohl keinen Fehler machen. Auch wurde im März 2015 das Heimspiel gegen RB Leipzig und dabei vorgefallene Straftaten mit in die Anklage mit aufgenommen. Diese nachträgliche Aufnahme rechtfertigt für das Gericht die ‚Neuberechnung‘ der sechs Monate ab März 2015.

Fehler bei der Schöff_innenbesetzung

Noch bevor es zur Verlesung der Anklage kam, trug die Verteidigung eine sogenannte Besetzungsrüge auf Grund einer fehlerhaften Besetzung bei der Zuteilung der Schöff_innen (Laienrichter) des Gerichtes vor. Der Fehler gründet darauf, dass die Hilfsschöff_innen in der Hansestadt Rostock nicht in der gesetzlich vorgesehenen Weise dauerhaft zu Hauptschöffen ernannt wurden. Erstaunlicherweise war diese Fehlbesetzung im Prozess von Schubi kein einmaliger Fehler, sondern wird offenbar seit langer Zeit so praktiziert. Die hier ausgeübte Praxis wurde allerdings bereits 1979 vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt.

Befangenheitsantrag

Die vorsitzende Kammer des Landgerichts Rostock lassen Prozessbeobachter_innen zunehmend an der eigentlich notwendigen neutralen und objektiven Position dieser Akteure zweifeln. Insbesondere der vorsitzende Richter tritt in der Regel launisch und genervt auf. Wir wollen hier die Beobachtungen der BWHR zitieren, da sich das Verhalten des Richters kaum treffender beschreiben lässt. So kann „bei jeder Wortmeldung, bei jedem Beginn einer Befragung oder bei jedem Stellen eines Antrags seitens der Verteidigung eine abwertende Geste beobachtet werden.“ Der Richter, der zuletzt bekannte Neonazis wie Axel Möller und vier Thiazi-Betreiber_innen verurteilt hatte, fällt zudem durch unkontrollierte Impulse auf wie „Gähnen, das Tuscheln mit der Richterin, das Augenschließen, das süffisante Grinsen ins Publikum, die Wippfunktion-des-Stuhles-auf-Korrektheit-Prüfen und das Knabbern auf dem Brillenrahmen“. Noch bevor sich im Laufe des Prozesses diese unprofessionell anmutenden Verhaltensweisen Bahn brachen, wurde von Seiten der Verteidigung bereits ein Befangenheitsantrag gestellt, da das Gericht nicht seiner Pflicht der Wahrheitsfindung und Ermittlungsaufgabe nachkam und vorgefertigte Annahmen der Polizei, bei unterschiedlichen Taten handele es sich immer um denselben Täter, unhinterfragt übernahm. Neben dieser Vorverurteilung griff das Gericht in Schubis Persönlichkeitsrechte als Gefangener ein, indem die Kammer eine Überwachung der Besuche, Telekommunikation und des Schriftverkehrs auch mit seinen Anwälten anordnete. Die Überwachung erhielt die Kammer auch dann noch aufrecht, nachdem das Oberlandesgericht (OLG) die Maßnahme für rechtswidrig erklärt hatte. Mehr noch: die Verteidigerpost wurde geöffnet, mitgelesen, kopiert und der Akte beigelegt. Erst durch eine erneute Beschwerde der Verteidigung wurde die Überwachung drei Wochen nach dem OLG Beschluss eingestellt.

Verweigerung von Videomaterial

Die Verteidigung von Schubi hatte einen umfassenden Einblick in die Ermittlungsakten und das im Zuge der Spieltage von der Polizei angefertigte Videomaterial beantragt. Es existiert eine große Menge von Videoaufzeichnungen, von der der Verteidigung allerdings nur kleinere Zusammenschnitte zur Verfügung gestellt und die auch nur in kleiner Auswahl vor Gericht vorgespielt und den jeweiligen Zeug_innen gezeigt wurden. Diese von der Polizei (!) erstellten Zusammenschnitte, konstruieren das Bild eines vermeintlich einzelnen „Intensivtäters“ beim Begehen von Straftaten im Rahmen der Spiele des FC Hansa Rostock. Eine Vorstellung von der Gesamtsituation des Tathergangs entsteht durch diese Zusammenschnitte nicht. Schon kurz nach der Eröffnung des Prozesses beantragte die Verteidigung erneut die Aushändigung des gesamten Videomaterials und die Aufnahme als Beweismaterial. Nur so könne dem Recht des Beschuldigten auf einen fairen Prozess Geltung verschafft werden. Der Antrag wurde allerdings mit einer erschreckenden Begründung abgelehnt: Die Verteidigung hatte in ihrem Antrag auf Bereitstellung des Videomaterials die Metapher von der Suche nach der Nadel im Heuhaufen benutzt. Dies wiederum griff der Richter in seiner Ablehnungsbegründung auf: erstmal müsse doch Kenntnis von einer Nadel bestehen, die gefunden werden könne. D. h. es müssen Erkenntnisse darüber vorliegen, dass entlastende Beweise in den Videoaufzeichnungen auffindbar wären. Dies ist natürlich ohne Sichtung der Aufnahmen nicht möglich. Und selbst wenn andere Personen mit den gleichen Tätermerkmalen, also Sturmhaube, blauer Jeans und schwarzer Jacke, gefunden werden würden, belege das für die Kammer immer noch nicht, dass Schubi nicht doch schuldig sei. Im deutschen Rechtsstaat allerdings muss die Schuld und nicht die Unschuld vor Gericht zweifelsfrei bewiesen werden.

Die Aussage eines Mithäftlings

Durch die Staatsanwaltschaft wurde am 11. Prozesstag ein Zeuge geladen, der mit Schubi für einige Monate gemeinsam inhaftiert war. Bei der Vernehmung wurde sogar dem Laien offenbar, dass an der psychischen Stabilität und Zurechnungsfähigkeit des Zeugen starke Zweifel anzumelden sind. Nicht nur waren die Behauptungen, die er im Zusammenhang mit Schubis politischer Aktivität aufgestellt hat, abstrus und wirr, auch wurde deutlich, dass sein Realitätsbezug zu anderen Aspekten seines Lebens deutlich verzerrt ist. Dennoch scheint er neben den Polizei-Zeug_innen der wichtigste Zeuge für die Anklage zu sein. Vor Gericht sagte er aus, dass Schubi, der seit seiner Inhaftierung keine Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden gezeigt hat, ihm eine Tat gestanden habe. Seine Erzählungen werden vor Gericht häufiger durch plötzliche Themensprünge und zusammenhanglose Kommentare unterbrochen. Auch dass der Zeuge nachweislich vor Gericht gelogen hatte, als er danach gefragt wurde, ob er im Zusammenhang mit seiner Aussage eine Hafterleichterung beantragt hat, scheint nicht an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu nagen.

Richterbild

Eine weiteres „Highlight“ der Beschuldigungen gegenüber Schubi im Prozess, war die angebliche Verbreitung eines Fotos der vorsitzenden Richters. Der Mitgefangene behauptete diesbezüglich, dass Schubi ein privates Foto dieses Richters auf Zelle besessen hätte. Die Befragung verschiedener Zeug_innen durch die Verteidigung ließen jedoch erahnen, dass es zwar ein Richterbild in der JVA gegeben hatte, aber nicht eines auf dem der vorsitzende Richter dieses Verfahrens abgebildet war. So gab es aber sehr wohl ein Foto eines Richters des Landgerichtes Rostock, auf welchem dieser ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „JVA – Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause“ trug. Ein Spruch der an Zynismus kaum zu überbieten ist und aus nachvollziehbaren Gründen unter den Häftlingen der JVA Waldeck kursierte.

Fluchthelfer

Selbst in Zeiten, in denen sogar ein Großteil des politischen Establishments begriffen hat, dass die Unterstützung von Flüchtlingen auf der Suche nach Sicherheit ein Menschenrecht ist, wird Schubi mit einem weiteren Vorwurf konfrontiert, der in Zusammenhang mit seiner politischen Haltung gesetzt wurde. So wurde die Handlungsweise Schubis im Zuge einer durch die Polizei durchgeführten Abschiebung einer Syrerin zunächst als besonders ideologisierte Handlung und aggressives Auftreten konstruiert. Letztlich ergab jedoch die Befragung seines Arbeitgebers, dass Schubi in der beschriebenen Situation nicht nur ruhig und gefasst war, sondern dass die von der Polizei eingeforderte Zusammenarbeit für das Schiffsunternehmen generell als lästig empfunden wird und nicht erwünscht ist.

Rollentausch bei Gericht

Wie bereits beschrieben, verweigerte das Gericht der Verteidigung mehrmals die Möglichkeit der Einsicht in das gesamte Videomaterial und die Beiziehung dessen als Beweismaterial. Auch wenn die Verweigerungshaltung und der unbedingte Verurteilungswille eigentlich den Rollenbildern entsprechend der Staatsanwaltschaft zuzuschreiben wäre, nimmt die vorsitzende Kammer diese Rolle mehr als deutlich an. Und nicht nur dies: in den vergangenen Tagen drehte sich das Rollenbild einmal um die eigene Achse. So war es nun die Staatsanwaltschaft, die der Verteidigung Zugang zum Videomaterial verschaffte und somit half, der Wahrheitsfindung näher zu kommen, als es die Kammer je zugelassen hat und hätte.

Fehlerhafte Angaben von Polizeibeamten

Die neue Einsicht in das Videomaterial lieferte sogleich einige fulminante Erkenntnisse zu Tage. So zeichnete die Verteidigung in einem Antrag auf Sichtung bestimmter Videosequenzen vor Gericht nach, dass mit Hilfe dieser Sequenzen nicht nur nachzuzeichnen sei, wie Details des Tathergangs verlaufen sind, sondern auch, dass sich diese videographisch festgehaltenen Momente nicht mit den Aussagen der Polizeizeugen decken, die diese vor Gericht gemacht hatten. Uns mag es mittlerweile weniger verwundern, dass Polizist_innen im Zuge von Ideologie, Gruppenzwang und Corpsgeist Falschaussagen tätigen. Umso mehr verwundert es doch, dass ein Gericht mit dem Vorenthalten solch brisanten Videomaterials diesem Fehlverhalten Tür und Tor öffnet. Die geschädigten Polizist_innen selbst können durch die Vorauswahl von belastendem Material und eigenen falschen Aussagen entscheidenden Einfluss auf einen Gerichtsprozess nehmen.

JVA Waldeck

Auf eigene Faust begann die JVA Waldeck im Januar damit, Schubis Besuche, auch die Anwaltsbesuche zu dokumentieren. Die Besucherkartei wurde anschließend der Kriminalpolizei Rostock übergeben. Der Datenschutzbeauftragte von M-V erklärte diese Vorgehensweise später für rechtswidrig. Bei einer Zellendurchsuchung durch den Staatsschutz verhindert die JVA, dass Schubi seinen Anwalt anrufen konnte. Auch versuchte die JVA immer wieder zu verhindern, dass sich Schubi uneingeschränkt auf seine Verteidigung vorbereiten konnte. Der dafür eigens besorgte Laptop wurde dem Gefangenen zur Nutzung immer wieder vorenthalten bzw. die Nutzungszeiten stark eingeschränkt. Auch in diesem Fall wurde der JVA Unrecht zugesprochen. Schubis Verteidigung klagte ein, dass fortan ein Laptop im Haftraum zur Vorbereitung der eigenen Verteidigung durch Gefangene benutzt werden darf.

Was sind die Aussichten?

Der bisherige Verlauf des Prozesses stimmt nicht optimistisch. Seitens der Staatsanwaltschaft, aber vor allem auf richterlicher Seite wird immer wieder ein starker Verurteilungswille erkennbar. Die oben benannten Versuche, Schubi zu kriminalisieren und aus ihm einen gewalt-enthemmten Hooligan und vor allem Antifaschisten zu konstruieren, die Aussagen der Polizisten, die deutlich dem Videomaterial widersprechen und die Vorenthaltung von möglichem entlastendem Videomaterial zeigen, dass man von der Geltung der Unschuldsvermutung in diesem Prozess nicht ausgehen kann, gar von einer einseitigen Konstruktion von Beweisen ausgehen muss, die einer Vorverteilung dienlich sind.

Was könnt ihr tun, um Schubi zu unterstützen?

Spendet Geld! Im Moment sind bereits 23 Prozesstage gelaufen. Die Kosten für seine Verteidigung sind schon jetzt 5-stellig!

René Neumeister, IBAN: DE31 1506 1638 0118 5580 19, BIC: GENODEF1ANK, Volksbank Greifswald.

Schreibt Schubi! Erzählt ihm von draußen.
Solidarisiert euch mit ihm. Zeigt ihm und allen anderen, dass er nicht alleine ist!

Informiert andere über den Fall!
Und denkt immer daran:

Getroffen hat es einen – gemeint sind wir alle.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Ist es immer noch

 

Rote Hilfe e. V. – Ortsgruppe Rostock
Postfach 141011
18021 Rostock

 

???

Ja, die Adresse ist richtig.
Ist der Richter noch ganz frisch? Ist mir im Leben noch nicht vorgekommen, daß sich ein Richter so bescheuert verhält. Null Interesse an der Person, hauptsache auf Höchststrafe verknacken und sich darauf einen runterholen oder wie soll man sich sonst das herumrutschen auf dem Richterstuhl erklären. Man sollte mal die ganzen Justizspacken outen, ob sie dann immer noch lachen. Auch die gehen abends nach hause.