Entmenschlichung bekämpfen – Grenzen überwinden!
In der Nacht vom
30.11. auf den 01.12. wurde der Eingang der EU Kommission in Bonn
teilweise zugemauert. Aufgrund der Polizei konnte die Aktion leider
nicht abgeschlossen werden. Wir möchten damit gegen die
Asylrechtsverschärfung protestieren und auf die unzähligen Opfer
aufmerksam machen, die das Grenzregime der EU fordert. Im Rahmen der
Planung sind zwei Texte zum Zweck der medialen Aufbereitung der Aktion
entstanden. Wir möchten beide veröffentlichen und die Texte als sich
ergänzend verstanden wissen.
1)
Jedes Jahr am Tag der Wiedervereinigung feiert Deutschland die
Überwindung seiner inneren Grenzen. Dabei verkennt es, dass Grenzen
tagtäglich reproduziert werden. Innerhalb der Gesellschaft und an den
real existierenden Grenzen der EU.
Das System Kapitalismus, in dem wir leben, produziert Grenzen Tag für Tag:
Allein deshalb, weil Einige reicher sind als Andere.
Industriestaaten
beuten andere Staaten durch wirtschaftliche Sanktionen aus (siehe
Griechenland) oder destabilisieren sie durch Krieg (siehe Nahost).
Ökonomische Existenzgrundlagen und die Umwelt werden zerstört, wodurch
Menschen zur Flucht gezwungen werden.
Wenn die Menschen dann aufgrund
jener Politik fliehen, wartet auf sie eine nahezu unüberwindbare Grenze
und auf die wenigen die nicht ertrinken, repressive Gesetze,
entwürdigende Unterbringung sowie rassistische Banden, die nicht davor
zurückschrecken zu töten.
Die deutsche Regierung reagiert mit größter
Verschärfung des Asylrechts seit 1990 Jahren und sagt man könne wieder
stolz darauf sein, deutsch zu sein. Hier werden ganz klare Grenzen
gezogen.
Um darauf aufmerksam zu machen, haben wir unsere Absicht eine Mauer zu bauen, in die Tat umgesetzt.
Eine
Mauer vor die EU Kommission, die durch Gesetzgebung mitverantwortlich
ist für die wirtschaftliche Ausbeutung und für mehr Tote an den
EU-Außengrenzen (allein in diesem Jahr) als in den 37 Jahren Berliner
Mauer.
2)
In den bürgerlichen Medien ist viel von einer
Flüchtlingskrise die Rede. Das ist allerdings eine Fehlbezeichnung. Denn
was hier wirklich in der Krise liegt, ist der Ausgrenzungsapparat, der
angesichts des massenhaften Ungehorsams der Menschen die unter
Todesgefahr Grenzen überschreiten, seinem Auftrag nicht mehr vollends
nachkommen kann. Denn wenn Menschen so verzweifelt sind, dass
Todesgefahr sie nicht mehr abschreckt, greifen die üblichen
Herrschaftsmechanismen nicht mehr. So entsteht dann eine humanitäre
Krise, mit zehntausenden Toten im Mittelmeer und Menschen die in
Zeltstädten hausen. Nicht weil es tatsächlich an Kapazitäten fehlen
würde diese Menschen zu versorgen, sondern weil es der politische Wille
ist, durch eine vermeintliche Überlastung zu suggerieren, das Boot sei
voll. Es ist also nicht von einer Flüchtlingskrise, sondern von einer
Ausgrenzungskrise zu reden.
Diese Ausgrenzungskrise ist natürlich nur
ein Aspekt vor dem Hintergrund der globalen Ungleichverteilung von
Gütern. Es findet eine Akkumulation von Reichtum im Westen statt und
jeder Staat, so auch der deutsche (der sich ansonsten ja im Laufe der
Jahrhunderte einen einbahnfreien Leumund erworben hat) versucht ein
möglichst großes Stück vom Kuchen abzukriegen. Das der Reichtum der
einen die Armut der anderen gebietet ist selbst erklärend. Eine
(radikale) Linke muss ganz allgemein fordern, weltweit ein würdiges
Leben möglich zu machen. Zu diesem gehört dann auch die Möglichkeit,
jederzeit zu einem beliebigen Ort zu migrieren.
Es ist zunächst
einmal großartig, dass die radikale Linke es in weiten Teilen geschafft
hat, ihren Elfenbeinturm zu verlassen und der Ausgrenzungskrise mit
praktischer Solidarität zu begegnen. Refugees Welcome Gruppen erhalten
Unterstützung aus dem gesamten linksradikalen Spektrum, es wird
individuelle Hilfe organisiert, Sachspenden werden verteilt und wenn
alles gut läuft kommen sogar die Geflüchteten selbst zu Wort. Aber
grade, dass die die Reaktion der radikalen Linken auf die
Ausgrenzungskrise so positiv ausfällt, macht es nötig sie genauer zu
untersuchen. Denn es gilt sich auch die letzte Arglosigkeit gegenüber
den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu verbieten.
Bei
kritischer Betrachtungsweise treten schnell die Wiedersprüche zutage,
die sich aus dieser praktischen Solidarität ergeben. Eigentlich
herrschafts- und staatskritische Personen investieren einen Großteil
ihrer politischen Aktivität in das Ausfüllen und Bearbeiten von
Papierkram für das BAMF die ARGE oder ähnlich menschenfeindliche
Zurichtungsbetriebe. Radikaler Aktivismus wird hier also auf einmal zum
Schmiermittel für die schwerfällige deutsche Bürokratie. Dabei
entspricht man auch der neoliberalen Vorstellung, von der Ersetzung des
Sozialstaates durch individuelle Initiative. Da wo die Bürokratie im
Rahmen der Ausgrenzungskrise den Geflüchteten würdige Lebensbedingungen
verweigert, sind diese durch Freiwillige herzustellen. Die Schattenseite
ist, das es kein verbrieftes Recht auf diese freiwillige Hilfe geben
kann, die Geflüchteten bleiben also von der positiven Willkür helfender
Hände abhängig. Darüber hinaus gibt es oft auch noch eine gewisse
Diskrepanz zwischen den Zielen der Geflüchteten und den Zielen ihrer
linken Helfer. Auf Demonstrationen von Geflüchteten und linken hört man
zurzeit oft Redebeiträge deutscher Linker, in denen das bürgerliche
Subjekt und seine Privilegien dekonstruiert werden, gefolgt von
Beiträgen der Geflüchteten selbst, in denen genau diese Privilegien, wie
Bürgerrechte, Rechtssicherheit und bescheidener Wohlstand eingefordert
werden.
Die rein praktische Solidarität ist nicht nur Spielfeld der
Linken, sondern auch der religiösen, humanistischen und bürgerlichen
Initiativen. Analog zu Hannah Arends Untersuchungen zu Verantwortung im
Totalitarismus zeigt sich, das auch der Widerstand gegen die
Ausgrenzungskrise quer zu allen sozialen und politischen Entscheidungen
verläuft. Praktische Solidarität ist zuallererst eine Frage des
Gewissens und nicht des politischen Bewusstseins. Aber praktische
Solidarität kann nur das individuelle Leid, dass von diesem System
verursacht wird auffangen. Überwunden werden jedoch nur durch
politisches Handeln, vor dem Hintergrund eines emanzipatorisch
fortschrittlichen Bewusstseins. Die Erlangung und Schärfung dieses
Bewusstseins stellt eine Aufgabe dar, der wir uns vor dem Hintergrund
eines von Entfremdung, Instrumentalisierung und Kommerzialisierung
durchdrungenen Daseins annehmen wollen, obgleich wir uns dem Ziel nur
Schrittweise durch Negation nähern können. Die wichtigste Form, die das
heute hat, ist der Widerstand.
Es gilt also, parallel zur direkten
Hilfe für Geflüchtete, politisch zu arbeiten, emanzipatorische
Strukturen zu etablieren und mit Aktionen und Argumentationen
linksradikale Positionen im öffentlichen Diskurs sichtbar zu machen und
zu vertreten.
Die eigenen Widersprüche müssen benannt und kritisch
beobachtet werden, eine der Hauptaufgaben besteht darin, sich weder von
der eigenen Ohnmacht, noch von der Macht der anderen Dumm machen zu
lassen.
Für das gute und schöne Leben!
Für den Kommunismus!
Für die Anarchie!
Schade..
... das die Mauer nicht so hoch, bzw nicht fertig wurde.
Coole Aktion!
Repression?
Mega cool!
Da ihr nicht schreibt, ob Jemand in Gewahrsam kam,
gehe ich davon aus, dass die Bullen euch nicht erwischt haben.