Der Rektor der Uni Rostock Wolfgang Schareck unterschreibt so manchen Wisch. In diesem Fall geht es um das 85. Doktorjubiläum des 109-jährigen Alumnus Dr. Hans Joachim Polthier. Dieser schrieb sich 1928 für das Jurastudium in Rostock ein, wo er 1930 promovierte. Davor studierte er in Freiburg, wurde 1925 Teil der Aktivitas des dortigen Corps Suevia und schloss dort lebenslange Freundschaften mit Faschisten – zu denen er bis heute steht.
Zugegeben…
Es war noch „die gute alte Zeit“, als Polthier Fux war. Ein Gros der
Studierendenschaft war korporiert. Man befand sich zwischen der Trauer
über den Verlust der Monarchie und der vorfreudigen Hoffnung, dass bald
wieder Ordnung im Land herrsche. Kommunist*innen konnten von
Freikorpsverbänden noch ermordert werden, ohne das es großartige
Ermittlungen nach sich gezogen hätte. Aber irgendwie muss man ja
Anschluss in der neuen Stadt finden und dieser Corps bot sich scheinbar
für Polthier an.
Suevia – lebenslange Freundschaften
Über Polthier selbst ist (noch) recht wenig herauszufinden. Aber wir
können uns ihm eventuell über seinen Verbund, seine Kameraden und
lebenslangen Freunde annähern.
Die Suevia entschied sich 1934 fürs „Weitermachen“ und schloss alle
jüdischen Mitglieder aus. Laut Selbstdarstellung zog nach der
„Auflösung“ eine SS-Einheit in das Haus ein. Zur
SS und zur NSDAP-Parteielite gab es ausgezeichnete Kontakte. Da wäre
zum Beispiel Wolfram Dörinkel, der sich ein Jahr später als Polthier
korporierte und 1933 in die NSDAP eintrat und nicht gerade eine
Karteileiche blieb – er war auch ehrenamtlicher Blockwart und im
Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund (NSRB) aktiv. Nach dem Krieg
ging er wie so viele Nazis in die FDP.
Dann wäre da noch Wilhelm Groh, der prompt 1933 Rektor der Uni
Heidelberg wurde, ebenfalls seit 1933 Mitglied der SA war und erst 1937
(es gab zwischendurch einen Aufnahmestopp) in die NSDAP kam. Ein
weiterer Waffenbruder war Ottfried Hennig, der lange Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen
war. Auch ein Kamerad: Kurt Kleinschmidt, der im Mai 1933 in die NSDAP
eintrat und im Oktober zudem Mitglied der Reiter-SS wurde. Ab 1939 wurde
er von der Front weg für die Deutsche Umsiedlungs-Treuhand
dienstverpflichtet, die dafür sorgte, dass ’blutsdeutsche Volksgenossen
Heim ins Reich` geholt werden.
In einem Interview mit der Suevia bezeichnete Polthier Curt Sonnenschein
als engen Freund. Dieser unterzeichnete am 11. November 1933 das
„Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und
Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialisten Staat“. Er war
zudem Mitglied des Instituts für Rassenhygiene und setzte sich – so
Friedrich Hansen in einem Vortrag über die Geschichte der Deutschen Tropenmedizinischen Gesellschaft (DTG) – im Besonderen für rassistische Säuberungen in der DTG ein. Sonnenschein und Polthier wurden im gleichen Jahr Füxe der Suevia.
109 Jahre nix gelernt
Über Polthier selbst war bisher nur herauszufinden, dass er als Generalbevollmächtigter bei Henkell Sekt tätig war und so laut Interview
„den Zweiten Weltkrieg überlebte“. Er wünscht sich, dass sich die
Suevia mit ihren alten Traditionen „noch 100 Jahre“ fortentwickeln möge.
Der Alte Herr mit dem Schmiss auf der linken Wange kann seiner
Studienzeit und den Erinnerungen an seine Kameraden nur Gutes
abgewinnen: Keine Kritik, keine Reflexion, nichts gelernt. Ein Grund für
die Rostocker Uni zu feiern: „Dass dieses schöne Jubiläum gewürdigt werden konnte, ist dem Matrikelportal Rostock und seinen Nutzern zu verdanken.“
Viele Fragen
Was hat Polthier von ‘33-’45 gemacht? Das Interview legt nahe, dass er
nicht im klassischen Sinne „gedient“ hat. Er war „als Soldat“ bei
Henkell Sekt in Berlin tätig. Wie hat er das geschafft? Da wollte
anscheinend jemand nicht an die Front. War er Parteimitglied? In SS oder
SA? Wurden in der Henkell Sekt-Firma Zwangsarbeiter_innen eingesetzt?
Um all das herauszufinden, bedarf es wohl mehr als ein paar Stunden
Internetrecherche. Wir könnten uns eine Welt vorstellen, in der es der
Anspruch des Repräsentanten einer wissenschaftlichen Institution wäre,
herauszufinden, welche Personen man da eigentlich mit Lorbeeren
schmückt. Wir könnten uns allerdings auch eine Welt vorstellen, in der
eine Uni keinen Repräsentanten in Form eines Rektors bedarf.
Dem in der Tugend Beständigen leuchtet das Heil – „Virtute constantig fulget salus!“ (Wahlspruch der Sueva Freiburg)
herrlich
herrlich, diese Nestbeschmutzerei.
*daumendrück, dass sie euch nie kriegen*