Das mi­li­tan­te Netz­werk der Ju­den­has­ser

Das mi­li­tan­te Netz­werk der Ju­den­has­ser 1
Erstveröffentlicht: 
02.08.2015

Il­le­ga­ler Waf­fen­deal: Deut­sche Jus­tiz er­mit­telt ge­gen Er­satz­bas­sis­ten der Neo­na­zi-Band Amok

 

Von Fa­bi­an Eber­hard

 

Zü­rich. Es war ein Pol­ter­abend vol­ler Hass und Ge­walt. An­fang Ju­li grif­fen 20 Rechts­ex­tre­me ei­nen or­tho­do­xen Ju­den in Zü­rich-Wie­di­kon an. Fo­tos zei­gen die Män­ner kurz vor der Tat, den Arm zum Hit­ler­gruss aus­ge­streckt. Auf ih­ren T-Shirts prangt das Lo­go C 18, der Sze­ne-Code für Com­bat 18. Kampf­trup­pe Adolf Hit­ler.

C 18 wur­de in den Neun­zi­ger­jah­ren als be­waff­ne­ter Arm der in Deutsch­land ver­bo­te­nen Grup­pie­rung Blood and Ho­no­ur ge­grün­det und ist bis heu­te ak­tiv – auch in der Schweiz. Die An­hän­ger bil­den ein lo­ses Netz­werk von meh­re­ren Hun­dert Mi­li­tan­ten. Zu ih­nen ge­hört Ke­vin G., 27, Sän­ger der Rechts­rock­band Amok. Er soll den Ju­den in Wie­di­kon at­ta­ckiert und be­spuckt ha­ben, die Po­li­zei er­mit­telt.

G. lebt in Rü­ti ZH und pflegt en­gen Kon­takt zu aus­län­di­schen Rechts­ex­tre­mis­ten. Be­son­ders in­ten­siv sind sei­ne Be­zie­hun­gen nach Thü­rin­gen. Je­ner ma­le­ri­schen Re­gi­on in Ost­deutsch­land, wo sich das Mör­der­trio des Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Un­ter­grun­des (NSU) for­miert hat.

 

Er­in­ne­run­gen an die Mor­de der NSU wer­den ge­weckt

Als Bin­de­glied zwi­schen der Schwei­zer und der deut­schen Sze­ne agiert der Thü­rin­ger Alex G., 33. Er or­ga­ni­siert ge­hei­me Hass­kon­zer­te von Frank­reich bis Un­garn und ar­bei­tet eng mit Amok zu­sam­men. In den letz­ten Jah­ren soll er mehr­mals als Er­satz­bas­sist für die Band ein­ge­sprun­gen sein. Bis vor kur­zem wohn­te Alex G. in ei­ner Woh­nung in Zü­rich – zu­sam­men mit dem eben­falls aus Thü­rin­gen stam­men­den C-18-Ex­po­nen­ten Mar­cus R. Die bei­den Neo­na­zis jobb­ten als Büh­nen­bau­er in der Schweiz.

Mitt­ler­wei­le zog Alex G. zu­rück nach Deutsch­land, zu sei­ner Freun­din in Augs­burg. Dort fuhr am ver­gan­ge­nen Diens­tag die Po­li­zei ein. Er­mitt­ler durch­such­ten die Woh­nung und be­schlag­nahm­ten Com­pu­ter und Mo­bil­te­le­fo­ne. Grund: Der Amok-Ver­trau­te soll sich kürz­lich auf il­le­ga­lem Weg zwei Waf­fen und die da­zu­ge­hö­ri­ge Mu­ni­ti­on be­schafft ha­ben. Der zu­stän­di­ge Staats­an­walt Götz Wied be­stä­tigt: «Wir füh­ren ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren we­gen des Ver­dachts des Han­del­trei­bens mit Schuss­waf­fen.»

Die Fä­den des Ver­fah­rens lau­fen bei ei­nem wei­te­ren pro­mi­nen­ten Ak­ti­vis­ten zu­sam­men: Mi­chel F., 30, ge­walt­tä­ti­ger Ex­tre­mist und Mit­glied des Ro­cker­clubs Ban­di­dos. Sei­ne Ge­sin­nung trägt er in Form ei­nes Tat­toos auf der Brust: «Mö­gen sie uns has­sen, so­lan­ge sie uns fürch­ten» – der Leit­spruch von Com­bat 18.

F. soll dem Aus­hilfs­bas­sis­ten von Amok die Waf­fen ver­kauft ha­ben. Die Er­mitt­ler ka­men den bei­den auf die Spur, nach­dem ei­ne an­ti­fa­schis­ti­sche Web­site den Mail­ver­kehr zwi­schen den zwei Neo­na­zis pu­blik ge­macht hat­te. Dem­nach bot Mi­chel F. sei­nem Ka­me­ra­den zwei Pa­ra­bel­lum-Pis­to­len, Ka­li­ber 9 mm, samt Mu­ni­ti­on an. Preis: 1600 Eu­ro. Alex G. griff zu. Am 25. Ju­li schrieb er: «Geld geht Moin raus.»

Be­waff­ne­te Neo­na­zi­grup­pen, die vor Ge­walt nicht zu­rück­schre­cken – das weckt Er­in­ne­run­gen an die Mor­de des NSU. Das Ter­ror­trio um Bea­te Zschä­pe for­mier­te sich in den Neun­zi­ger­jah­ren aus rechts­ex­tre­men Ka­me­rad­schaf­ten in Thü­rin­gen und soll Ver­bin­dun­gen in die Schweiz ge­habt ha­ben.

Meh­re­re Ex­tre­mis­ten aus dem Um­feld von Amok sym­pa­thi­sie­ren bis heu­te of­fen mit den Mör­dern. Mar­cus R., der in Zü­rich mit dem deut­schen Er­satz­bas­sis­ten der Band ge­wohnt hat, ver­wen­de­te als Face­book-Pro­fil­bild das Fo­to des NSU-Mör­ders Uwe Böhn­hardt.

Ein wei­te­rer en­ger Freund des Amok-Sän­gers po­sier­te auf ei­nem Fo­to be­waff­net zu­sam­men mit neun an­de­ren Rechts­ex­tre­men. Ei­ner der Män­ner schrieb in ei­nem Kom­men­tar un­ter dem Fo­to: «Der neue NSU aus Thü­rin­gen», ein an­de­rer dop­pel­te nach: «NSU Re­loa­ded!». Meh­re­re Face­book-Freun­de der Amok-Mu­si­ker ver­wen­den zu­dem Pro­fil­bil­der mit der Auf­schrift «Frei­heit für Wol­le». Ge­meint ist der in­haf­tier­te Ralf Wohl­le­ben, der den NSU bei sei­nen Mor­den un­ter­stützt ha­ben soll.

 

Schwei­zer Nach­rich­ten­dienst be­ob­ach­tet die Sze­ne mit Sor­ge

Der Schwei­zer Nach­rich­ten­dienst (NDB) ist sich der Ge­fahr vom rech­ten Rand be­wusst. Im ak­tu­el­len Jah­res­be­richt warnt er vor rechts­ex­tre­men Waf­fen­nar­ren: «Es ist auf­grund von Er­kennt­nis­sen aus Haus­durch­su­chun­gen an­zu­neh­men, dass in der Sze­ne viel­fach grös­se­re Samm­lun­gen funk­ti­ons­tüch­ti­ger Waf­fen be­ste­hen.» Laut den An­ti­ter­ror­spe­zia­lis­ten wer­den Schuss­waf­fen «ge­sam­melt, ge­han­delt und mög­li­cher­wei­se auch über die Gren­ze ge­schmug­gelt». Der NDB kommt zum Schluss, dass die Mi­li­tan­ten «mit­ge­führ­te Waf­fen ge­ge­be­nen­falls auch ein­set­zen kön­nen».

«Ta­ten statt Wor­te» war das Mot­to des NSU. In der rech­ten Sze­ne gilt dies vie­len bis heu­te.

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