In der Auseinandersetzung um bessere Arbeitsbedingungen setzt die Geschäftsleitung des Kino Babylon Mitte weiter auf Konfrontation
Die Arbeitsbedingungen im Babylon sind inzwischen berüchtigt. Niedriglöhne, prekäre Beschäftigung nur mit mündlichen oder befristeten Verträgen und ein selbstherrlicher Führungsstil. Und immer wieder Kündigungen. Schon im letzten Jahr wurde die Servicekraft Jason Kirkpatrick gekündigt, nachdem er sich für bessere Arbeitsbedingungen im Babylon eingesetzt hatte. Nun wurde erneut einem Vorführer unter fadenscheinigen Gründen gekündigt. Für uns ist der wahre Grund klar: Benoît Robin hatte sich gerade in der FAU Berlin gewerkschaftlich organisiert, um gemeinsam mit der Belegschaft für bessere Arbeitsbedingungen im Kino Babylon zu kämpfen.
Am 13.02.09 wollte er an einer gewerkschaftlichen Kundgebung vor dem Babylon teilnehmen, was ihm von der Geschäftsleitung untersagt wurde. Am 11.03.09 kam seine Kündigung. In beiden Fällen wurde die Kündigung ausgesprochen kurz bevor der besondere Kündigungsschutz nach sechs Monaten Beschäftigung einsetzte. Man braucht nicht viel Phantasie, um darin eine Methode zu entdecken.
"Für uns ist dies der Tropfen, der das Fass entgültig zum Überlaufen bringt. Es scheint als müsse man der Geschäftsleitung des Baylon Mitte selbst die banalsten Grundrechte der Beschäftigeten erst beibringen. Wenn Timothy Grossman und Tobias Hackel den offenen gewerkschaftlichen Konflikt haben wollen, sollen sie ihn bekommen. Für uns gibt es nur die Wiedereinstellung von Herrn Robin zu gewinnen und nichts zu verlieren. Für die Geschäftsleitung des Baylon verhält es sich, wie mir scheint, allerdings genau anders herum." so Lars Röhm, Sekretär des Allgemeinen Syndikates der FAU Berlin.
Aus diesem Anlass hat die FAU Berlin der Geschäftsleitung des Kino Babylon Mitte eine Frist gesetzt, die Kündigung bis Montag, den 16.03.09, zurückzunehmen. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, ruft die FAU Berlin u.a. dazu auf, bei der Geschäftsleitung gegen dies gewerkschaftsfeindliche Vorgehen zu protestieren.
Allgemeines Syndikat der FAU Berlin, Pressekontakt: Lars Röhm, 0157 784 910 72
Kontakt zur Geschäftsleitung: Timothy Grossman und Tobias Hackel
tgrossman@kinoundkonzerte.de
hackel@babylonberlin.de
Tel.: 030-24 727 804
Fax: 030-24 727 800
Pressebericht - 23.02.09 von Freundeskreis-Videoclips
Die Arbeitsbedingungen im Kino Babylon (Mitte) machen mal wieder Schlagzeilen. Wir sprachen mit Andreas Heinze vom Betriebsrat, Lars Röhm von der FAU-Betriebsgruppe (Freie ArbeiterInnen Union) und Jason Kirkpatrick, einem früheren Angestellten, der im Juli 2008 vors Arbeitsgericht zog. Kinochef Timothy Grossman stand für ein Interview nicht zur Verfügung. Timothy, wir bleiben dran!
Die Belegschaft aus StudentInnen verdient am Einlass 5,50 EUR, an der Kasse 6 EUR und als Filmvorführer 6,40 EUR (Netto) die Stunde, angeblich der branchenübliche Mindestlohn (s. Brancheninfo). Arbeitsverträge werden in Form von mündlichen Absprachen vereinbart. Auf diese Weise können Angestellte, die nach Lohn, Urlaub oder Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall fragen, ganz schnell ausgetauscht werden.
Protest auf der Berlinale
Genau das ist während der 59. Berlinale passiert. Die Hosen voll von den Forderungen der Belegschaft, engagierte Grossman drei neue Filmvorführer und wechselte das Personal aus, um den reibungslosen Ablauf des „Generation 14plus“ Programms zu sichern. Gefordert wurde eine Erhöhung des Stundenlohns auf 16 EUR/Std. für Vorführer, sowie 12 EUR/Std. für Service und Kasse für die Zeit der Berlinale, da das Glemma-Festival auch eine höhere Arbeitsbelastung mit sich bringt. Mit der Neueinstellung von Aushilfskräften wurden die Forderungen der Belegschaft allerdings kalt abserviert.
Deshalb kamen am 13. Februar 2009 zwischen 40 und 50 Menschen zu einer Kundgebung vor dem roten Teppich zusammen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. In Redebeiträgen und Flugblättern wurden Berlinale-BesucherInnen über die Situation und die Forderungen der Angestellten informiert.
Brancheninfo
Denn dass es so etwas wie „branchenübliche Mindestlöhne“ gar nicht gibt, machen die Kinos der CinemaxX AG und der Yorck-Gruppe vor. Seit dem 7. Februar 2008 gibt es für CinemaxX-Beschäftigte einen Tarifvertrag, der stufenweise Lohnerhöhungen von 6,50 EUR auf 8 EUR vorsieht. Damit werden die von Unternehmensseite seit 2004 eingeführten Niedriglöhne an die bisherigen Einkommenshöhen herangeführt. (http://www.labournet.de/medien-it/) Auch in den 12 Kinos der Berliner Yorck-Gruppe gibt es unbefristete Arbeitsverträge, einen Staffellohn, 30 Tage Urlaub und nach zwei Jahren 8,25 EUR an der Kasse.
Warum? Unternehmen mit Betriebsräten zahlen eben deutlich höhere Löhne und halten die Mindeststandards ein. Zudem ist die sogenannte Lohnspreizung, der Unterschied zwischen den Vergütungsgruppen, geringer. Dass der Arbeitskampf im Berliner Babylon ein Problem vieler prekär Beschäftigter im Kulturbereich öffentlich macht, lässt sich auch durch Tarifmärchen nicht schöner reden. In Museen, Theatern und vielen anderen öffentlich geförderten Unternehmen wird mit den Beschäftigten miserabel umgegangen.
Falsches Programm
Das Babylon ist für seinen erfolgreichen Mix aus öffentlich geförderten und kommerziellen Kulturangeboten bekannt und sorgt für ein spannendes und visionäres Programm, das seinesgleichen sucht. “Ein authentischer Hauch voller Kraft und Anarchie wird uns entgegenwehen”, ließen die Macher im Mai 2008 verlauten. Vor dem Kino wurde ein umgekipptes Auto platziert und Pflastersteine arrangiert. Das macht schon irgendwie Lust auf mehr - vor allem nach dem Kinobesuch! Aber was ist das Babylon anderes, als ein „H&M“ für den pseudo-revolutionären Lifestyle, wenn es sein und unser kulturelles Kapital aus Urlaubstagen, Krankheitsgeldern, mündlichen Arbeitsverträgen und Niedriglöhnen freipresst?
Bittere Ironie: Am Sonntag, den 22.02.2009 um 13.30 Uhr hatte ausgerechnet ein Dokumentarfilm im Kino Babylon Premiere, in dem eine Hausarbeiterin ohne Papiere vors Arbeitsgericht zieht: “Mit einem Lächeln auf den Lippen.” (ein Film von Anne Frisius in Zusammenarbeit mit Nadja Damm und Mónica Orjeda, http://www.kiezfilme.de/laecheln) Die Veranstaltung im Kino selbst wurde vom Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt und aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin realisiert.
Widersprüche dieser Art haben ein Um-die-Ecke-Denken zur Voraussetzung, das an wirklicher gesellschaftlicher Veränderung nicht ernsthaft interessiert ist - ein Hauch „voller Kraft und Anarchie“, der eher an die letzten Atemzüge der liberalistischen Krisenwirtschaft erinnert. Die Kino-GmbH ist nunmal keine „Non-Profit-Organisation“, auch wenn es in Stellungnahmen der Geschäftsleitung gerne so dargestellt wird.
Betriebsrat
Sind die 320.700 EUR der Senatskanzlei für Kultur nun zu wenig für das Babylon? Oder arbeitet die „Neue Babylon Berlin GmbH“ einfach unwirtschaftlich? Sind die Forderungen der Belegschaft eine gemeine Sauerei? Die Frage ist vielmehr, wer die Definitionsmacht über die Leistungen der Beschäftigten innehält und genau darum will der im November 2008 gegründete Betriebsrat kämpfen.
“Wir werden uns von der Geschäftsleitung des Babylon Mitte keinesfalls einschüchtern lassen. Die breite Sympathie, die uns entgegenschlägt, bestätigt uns nur in dem, was wir tun. Darüberhinaus war die Kundgebung am Freitag erst der Anfang - die eigentliche Auseinandersetzung um die Arbeitsbedingungen im Babylon beginnt für uns erst jetzt.” so Lars Röhm, Sprecher der FAU Berlin.
Das geht auf keine Rechnung!
Wir werden nach und nach ein paar betriebswirtschaftliche Zahlen und Fördermittel der Firma „Neue Babylon Berlin GmbH“, soweit sie uns bekannt werden und durch Quellen belegen lassen, veröffentlichen. Wenn uns die Geschäftsleitung dabei unterstützen möchte, borgen wir gerne einen Taschenrechner zur Neubestimmung von Urlaubstagen und „branchenüblichen Mindestlöhnen“ aus:
Das Babylon wird mit 320.700 EUR jährlich aus Mitteln der Senatskanzlei für Kultur gefördert, das sind 26.725 EUR pro Monat.
„Der staatliche Zuschuss des Babylon beträgt etwa 28% der Ausgaben.“ (Quelle: Stellungnahme der Geschäftsleitung) Dann entsprechen 100% 1.145.357,14 EUR an Gesamtausgaben. Auf 12 Monate verteilt sind das 95.446,42 EUR pro Monat.
Es gibt ungefähr 27 Angestellte im Babylon, incl. Theaterleiter, Servicemitarbeitern, Filmvorführern und Haustechnikern.
Ca. 10 Mitarbeiter auf 400 EUR-Basis = 4000 EUR pro Monat
2006 machte das Kino einen Gewinn von 22.500 EUR. Bei einem Eigenkapitalanteil von 25.000 EUR immerhin eine Rendite von 90%.
Real bekommt das Babylon noch wesentlich mehr Geld vom Senat. Laut letztem veröffentlichtem Jahresabschluß 2006 439.900 Euro für dieses Jahr (s. Haushaltsplan Berlin). Interessant auch, dass die Ausgaben fürs Personal von 2004 zu 2006 um etwa 25 % gesunken sind. Grossman und Hackel betreiben das Kino seit 2005.
Weitere Ergänzungen erwünscht…
Quelle (mit allen Links): http://freundeskreis-videoclips.de/
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Pressemitteilung
Berlin, den 13.03. 2009
Freie ArbeiterInnen-Union [FAU-IAA]
Straßburgerstr. 38 / 10405 Berlin
fon: +49 (0)30 287 008 04
fax: +49 (0)30 287 008 04
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