[Malterdingen] Antifa-Spaziergang nach Anschlag auf geplante Flüchtlingsunterkunft

Refugees Welcome 1

Nach dem Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Malterdingen (Kreis Emmendingen, nahe Freiburg) trafen sich am Samstag eine Handvoll Antifaschist*innen für einen Spaziergang durch das Dorf. Auf dem Weg wurden hunderte Flugblätter verteilt und Gespräche mit Anwohner*innen und dem Bürgermeister geführt. In den Gesprächen wurde deutlich, dass der Anschlag ausnahmslos verurteilt wurde, dies jedoch teilweise aus ganz verschiedenen Gründen, die von der generellen Solidarität mit Flüchtlingen bis hin zum Ärger über den Imageschaden für den Ort reichten. Landrat und Bürgermeister veröffentlichten ein Statement, in welchem noch einmal ihre Bereitschaft mit dem Bau der Flüchtlingsunterkunft ein positives Zeichen nach außen zu setzen, betont wurde. Am 17. März trifft sich der neugegründete Freundeskreis Asyl in Malterdingen zum zweiten Mal, um über die Unterstützung der ankommenden Flüchtlinge zu beratschlagen.

 

Folgend noch der Text des verteilten Flugblattes:

 

Zusammen gegen jeden Rassismus - Für eine Willkommenskultur für Flüchtlinge

 

Zum Angriff auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Malterdingen

In Malterdingen bei Freiburg gab es in der Zeit zwischen Freitag, dem 6. März und Sonntag, dem 8.März einen Anschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft am Bahnhof. Die unbekannten Täter kletterten über eine Feuerleiter auf den Balkon, schlugen die Glastüre ein und drehten im Obergeschoss in einer Gemeinschaftsküche und einem Gemeinschaftsbad die Wasserhähne auf und rissen die zugehörigen Abflussrohre weg, so dass Wasser auslaufen und das Gebäude massiv beschädigt wurde. Der Bürgermeister geht von einem Sachschaden von 6000-8000 Euro aus. In das Haus sollen 20 Flüchtlinge einziehen und bis zum Ende des Jahres soll auf dem Grundstück ein zusätzliches Gebäude für weitere 40 Flüchtlinge entstehen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass der Angriff einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat.

 

Anstieg der rassistischen Attacken auf Geflüchtete

In ganz Deutschland steigt die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsheime oder ihre BewohnerInnen stark an. Hier nur die Fälle aus den letzten drei Wochen:
Am 8. März beschmierten Unbekannte eine Flüchtlingsunterkunft in Hof (Bayern) mit Hakenkreuzen; am 6. März schlugen Unbekannte die Scheiben einer Notunterkunft für Geflüchtete in Hoyerswerda (Sachsen) ein und beschmierten diese mit Nazi-Parolen; am 3. März beleidigte ein Unbekannter einen Fahrgast der U-Bahn in Berlin-Neukölln wegen seiner Herkunft und verprügelte ihn anschließend mit einer Pistole; am 26. Februar wurden 2 Flüchtlinge in Strasburg (Mecklenburg-Vorpommern) von mehreren Unbekannten angegriffen und verletzt; am 23. Februar wurde ein Kontrolleur der Waldbahn (Bayern) gegenüber einem Asylbewerber handgreiflich und schmiss diesen trotz gültigem Ticket aus dem Zug; am 22. Februar wurden zwei Asylbewerber bei einem Disco-Besuch in Riesa (Sachsen) mehrfach verprügelt und rassistisch beleidigt.
Laut DPA verdreifachte sich im Jahr 2014 die Zahl der rassistisch motivierten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr.

 

Rassismus auf der Straße…

Angriffe wie der auf das Flüchtlingsheim hier in Malterdingen entstehen nicht aus dem Nichts, sie sind Folge einer zunehmend rassistischer werdenden Stimmung in Deutschland. Die rassistischen und nationalistischen Demonstrationen von Pegida und seinen Ablegern (hier in Baden-Württemberg in Karlsruhe und Villingen) bringen tausende Menschen auf die Straße. Die NPD und andere Neonazis organisieren Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte, besuchen BürgerInnenversammlungen und agitieren oft erfolgreich die AnwohnerInnen.

Auch hier in Malterdingen lebt mit Robert Englisch im Buchenweg 9 ein bekennender Neonazi, der erwiesenermaßen mit seinen Kameraden geplant hatte, über einer Kundgebung von AntifaschistInnen mithilfe eines ferngesteuertes Modellflugzeug einen Sprengsatz abzuwerfen.

Neonazis spielen in den fremdenfeindlichen Protesten zwar oft eine wichtige Rolle, dominieren sie aber bei weitem nicht. Oft kommen die RassistInnen aus der sogenannten “Mitte der Gesellschaft” und sympathisieren mit der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD).

 

…und im Parlament

Die RassistInnen auf der Straße radikalisieren dabei jedoch nur, was sowieso schon praktiziert wird: Die Sortierung von Menschen anhand ihrer Herkunft.
Oft wird hierbei eine Unterscheidung von Geflüchteten in zwei Gruppen vorgenommen. So stehen auf der einen Seite »nützliche« Einwanderer, gut ausgebildet, der deutschen Wirtschaft dienlich, und »Kriegsflüchtlinge«. Wer nicht in diese Kategorien fällt, der wird als »Wirtschaftsflüchtling« oder »Scheinasylant« diffamiert, der das Asylsystem »missbrauchen« würde und so schnell wie möglich wieder abgeschoben werden soll. Die deutsche Abschiebepraxis, die von Grünen, SPD und CDU getragen wird, funktioniert nach ebendieser menschenverachtenden Maßgabe.
Doch die Scheidung in legitime und nicht-legitime Fluchtgründe ist rassistisch. Sie dient der Rechtfertigung der Diskriminierung und Abschiebung eines Großteils der Geflüchteten.

Der Druck von der Straße zeigt auch schon auf parlamentarischer Ebene Wirkung. Mit dem geplanten Gesetz „zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ steht die nächste Verschärfung des Asylrechts auf der Tagesordnung. Neben ein paar Zugeständnissen für Menschen mit Duldungsstatus sollen gleichzeitig Abschiebehaft, Einreise-und Aufenthaltsverbote und Ausweisungen zur gängigen behördlichen Praxis werden.

 

Niemand flieht ohne Grund!

Die Gründe warum Menschen fliehen sind vielfältig: Krieg, Zerstörung, politische & religiöse Verfolgung, Hunger, Armut oder schlicht die Hoffnung auf ein besseres Leben. Die wenigsten verlassen jedoch gern Familie und Freunde in ihrer Heimat.

Die USA, die EU und speziell Deutschland sind keine Opfer der Flüchtlingsströme, sie sind deren Hauptverursacher. Sie sind die maßgeblichen Gestalter einer Weltordnung, in der es darum geht Wirtschaftszonen auszubauen, wirtschaftliche Interessen durchzusetzen oder schlicht imperiale Macht zu demonstrieren. Am Ende steht immer das konkrete Leid von Menschen, denen (mit zum Teil deutschen Waffen) die Häuser zerschossen, deren Freunde und Verwandte getötet, deren Länder verwüstet und deren bisherige Lebensgrundlagen durch einen globalisierten Markt zerstört werden (ohne dass sie auf diesem eine Chance haben könnten).

Anstatt sich mit den Geflüchteten solidarisch zu zeigen, was die einzig richtige Reaktion wäre, fürchten viele Menschen sie bloß als KonkurrentInnen um Arbeitsplätze – und vollstrecken damit die fatale Logik des Nationalismus, nach der alle, die weder deutsche Papiere haben noch das deutsche Kapital auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger machen, aus dieser Gesellschaft ausgeschlossen werden sollen. Das nennt man dann „Flüchtlings-Problem“.
Innerhalb dieser Logik definieren die Interessen des Kapitals, artikuliert durch die ArbeitgeberInnen, wie viele Menschen gebraucht werden und wie viele nicht; insofern soll so auch bestimmt werden, wie viele Menschen in einer bestimmten Weltregion leben dürfen und ab wann eine bestimmte Anzahl Menschen „Überbevölkerung“ darstellen. Das hat nichts mit Platz, Bedürfnissen und Möglichkeiten, sondern ausschließlich mit wirtschaftlicher Verwertbarkeit zu tun.

 

Für eine Willkommenskultur für Flüchtlinge!

Wir lehnen eine Gesellschaftsform ab, welche die Menschen in nützlich und unbrauchbar einteilt. Wir wenden uns gegen eine Ordnung, die lediglich darauf abzielt, Gewinne zu erwirtschaften und in dem sich nur das Kapital frei und grenzenlos bewegen kann.
Armut, Not und die Flucht davor sind keine Naturkatastrophen, sondern Resultate des kapitalistischen Systems. Eines Systems, das Menschen neben leer stehenden Häusern obdachlos werden oder andere neben Tonnen weggeworfener Lebensmittel verhungern lässt. Ein System, das nicht darauf ausgelegt ist, die Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen, sondern alles, ob Mensch oder Natur, ausschließlich seiner mörderischen Verwertungslogik unterwirft.
Wir solidarisieren uns mit den Geflüchteten und stellen uns entschieden gegen alle rassistischen Angriffe! Anstatt nationalistischer Propaganda zu folgen und Flüchtlingen die Schuld zu geben, muss diesen geholfen werden – um schlussendlich zusammen für eine Überwindung des kapitalistischen Irrsinns zu kämpfen!

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