[Thiazi-Prozess] 5. und 6. Verhandlungstag

Thiazi-Pressegruppe

Am 27. und 28. Januar 2015 fanden zwei weitere Prozesstage im «Thiazi-Verfahren» vor dem Landgericht Rostock statt. Vor Beginn der Einlassung von Wagner, Schuster und Stetefeld, stellt Ruthenbergs Rechtsanwalt Junge einen Antrag. Diesem zufolge solle das Gericht u.a. verfügen, dass keine unverpixelten oder unverfremdeten Bilder in Foto- und Fernsehberichterstattungen vom Angeklagten Ruthenberg veröffentlicht werden. Alle weiteren Anwälte schließen sich dem Antrag an, mit der Ergänzung, diesen auch auf ihre jeweiligen Mandantinnen und Mandanten auszudehnen.

 

Die Staatsanwaltschaft nimmt Stellung zum Antrag und erklärt u.a., dass die Angeklagten ihrer Meinung nach relative Personen der Zeitgeschichte seien, weshalb es hier keinen Anspruch auf Wahrung der Persönlichkeitsrechte geben könne, da das Rechtsgut der Information der Öffentlichkeit über ein außergewöhnliches, über den normalen Alltag hinausgehendes Geschehen höher zu gewichten sei als die Persönlichkeitsrechte am eigenen Bild der Angeklagten. Richter Goebels entscheidet nach eineinhalbstündiger Unterbrechung den gestellten Antrag für abgelehnt; in seiner Begründung schließt er sich der Argumentation der Staatsanwalt an, dass es sich bei den Angeklagten um relative Personen der Zeitgeschichte handelt, über die eine Berichterstattung auch in Foto und Film möglich gemacht werden muss.

 

Richter Goebles stellt vor Beginn der Einlassungen fest, dass es ihm in den Ausführungen der Angeklagten weniger um technische Details ginge. Die Angeklagten, die sich einlassen wollen, können selbst bestimmen, wer anfängt, er wolle hier keine Struktur vorgeben. Es sei ihm wichtig, einen Einblick in die Motive und den chronologischen Ablauf der Entstehung und Entwicklung «Thiazis» zu erhalten.

 Einlassung Wagner: „Das war mein Server!“

 

Daniela Wagner beginnt als erste mit der Einlassung: Zu Beginn der Schilderungen mimt Wagner die schüchterne und unwissende Angeklagte. Sie versucht, gewisse Sachverhalte zu verschweigen, zu verdrehen oder einfach komplett anders darzustellen, so sei sie beispielsweise durch eine Suchanfrage der Band „Metalica“ auf das „Nationale Forum“ gestoßen, dort habe sie mehrere Fehler festgestellt, welche sie dort den zuständigen Administratoren weitergeleitet hätte. Etwa zwei Stunden geht das so; nach einer Pause und offensichtlichen Belehrungen durch ihren Anwalt präsentiert sich eine andere Daniela Wagner: erstmals unvermummt, verhältnismäßig selbstbewusst und mit offenbar zurückgekehrter Erinnerung. Sie hätte vorher nicht alles so gesagt, wie es gewesen sei. So führt sie u.a. aus, dass sie damals gezielt für ihren damaligen Nazi-Freund nach Rechtsrock im Internet gesucht habe. Auf Nachfrage des Richters, warum sie die technische Administration für das Skadi-Forum und später für das «Thiazi-Forum» übernommen hätte, gibt sie an: „Mir hat das Programmieren Spaß gemacht. Das war mein Server! Ich hab' den aufgebaut. Das ist wie bei so einem Messi, man kann nicht einfach aufhören.“ Der Richter unterbricht und möchte wissen, warum sie damit nicht aufhören könne. Wagner gibt an: „Ich bin Technikerin. Mir reichen meine Computer. Da bin ich glücklich. Ich bin nicht gern unter Menschen.“ Später gibt Wagner auf die Frage, warum sie erst nach der Hausdurchsuchung und durch Druck seitens des BKA den Server des «Thiazi-Forums» abgeschaltet habe, an: „Es war mein Server. Ich konnte nicht einfach meinen Server abgeben. Sie verstehen das nicht! - Ist das so etwas wie ein eigenes Kind? - Ja, das kann man nicht abgeben. Das machen die anderen doch kaputt. Die können es doch nicht.“


Zunehmend wird deutlich, dass sie die Befragung des Richters unterschätzt. Wahrscheinlich im Vorhaben, durch die Einlassung etwas Gutes für sich zu tun und die Dinge aus ihrer Sicht zu schildern, wird die Hilflosigkeit Wagners gegenüber der Befragung zur Sache deutlich. Sie kommt nicht drumherum, bereits in der Einlassung Namen und Strukturen zu offenbaren, in denen sie sich zum Teil selbst und weitere Personen belastet. Richter Goebles stellt fest, dass einige ihrer Aussagen wie ein Geständnis klingen. Wagner kontert darauf nur spärlich, sie stimme weiten Teilen der Anklageschrift der Staatsanwalt zu. Wagners Rechtsanwalt Melsheimer interveniert und „korrigiert“ diese Aussage seiner Mandantin.
 

 Einlassung Stetefeld: „Mein Geist war vergiftet."

 

Deutlich weniger erzählt anschließend Stetefeld. Er gibt zur Einlassung an, dass sein Interesse, im «Thiazi-Forum» mitzuwirken, der Rechtsrockmusik galt. Er war für den Bereich „Band und Diskographien“ zuständig. Seine Tätigkeit als „Bereichsbetreuer“ erweckte dann sein Interesse für das Thema Indizierung. Er habe sich in die Thematik eingelesen und später Indexlisten der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien aus dem Netz gezogen und sie gezielt nach Rechtsrock gefiltert, um dann eine explizite Rechtsrockliste im Forum zu veröffentlichen. Das hätte auch einen positiven Effekt für die Verkäufer im «Thiazi-Forum» gehabt, da diese nun ja wissen konnten, welche Musik sie verkaufen dürfen. Im weiteren Verlauf seiner Einlassung gibt er an, dass Indizierung für die Szene eine Art der Zensur der Meinungsfreiheit war und er zumindest den Fördermitgliedern von «Thiazi» einen Zugang zu dieser Musik schaffen wollte, damit diese sich frei eine eigene Meinung bilden können. Auf die Nachfrage des Richters, ob sein Geist vergiftet gewesen sei, antwortet Stetefeld: „Ja, heute kann ich das so sagen; früher konnte ich das nicht.“

 Einlassung Schuster: „Die Texte und die Musik – das ist ja auch Kunst.“

 

Schuster schildert anschließend ähnlich wie Stetefeld sein Faible für Rechtsrockmusik. Aufgrund seines besonderen Hervortuns, durch seine ständige Aktivität und seine vielen Beiträge in den Bereichen Musik, sei er gefragt worden, ob er als „Bereichsbetreuer“ tätig sein wolle. Er hätte durch seine Tätigkeit im Forum Anerkennung erhalten, das habe ihm gefallen. Auf Nachfrage des Richters, dass einige der im Forum publizierten Texte zum Mord aufrufen würden und ob er sich Gedanken machen würde, was dies für Auswirkungen haben könne, erwidert Schuster: „Ich befürworte doch keinen Mord! Das war blindes Abgetippe und copy and paste.“ Außerdem sagt er: „Die Texte und die Musik – das ist ja auch Kunst“
 
Diese und ähnliche Aussagen ziehen sich wie ein roter Faden durch alle drei Einlassungen. Ja, sie hätten schon gewusst, worum es in den Texten und Beiträgen ginge, aber nein, sie hätten nicht alles gut gefunden. Sie hätten die Texte ja auch nicht geschrieben und würden nicht alle Inhalte teilen, weder damals noch heute. Sie wollten vielmehr einen „Raum des freien Meinungsaustausches“ schaffen und überhaupt, sie wären ja vor allem an der technischen Umsetzung interessiert gewesen. Richter Goebels verpasst es an diesem Verhandlungstag leider, das selbstgezeichnete Bild der technokratisch anmutenden AkteurInnen durch gezieltes Einhaken zu hinterfragen. Der Tag verläuft zäh, wirkliche Erkenntnisse bringt er nicht. Wagner beweist jedoch eindrucksvoll, wes Geistes Kind sie ist: Im stillen Kämmerlein stellte sie Strukturen für die Naziszene bereit, in denen zu Hass und Totschlag angestachelt wurde, in der „Öffentlichkeit“ jedoch ist sie vorsichtig in ihren Aussagen, die sie ohnehin schon gegenüber den Ermittlungsbehörden getätigt hat. Zum Ende hin weist er die Angeklagten darauf hin, dass sie sich über Nacht noch einmal überlegen sollten, ob sie sich am kommenden Tag noch einmal expliziter zu ihren Motiven und Zielen bzw. denen von «Thiazi» allgemein äußern wollen. Augenscheinlich möchte er detaillierter etwas zum Tatvorwurf der kriminellen Vereinigung von den Angeklagten hören. Der Verhandlungstag endet mit diesem Hinweis.

 Der 6. Verhandlungstag

 

Der 6. Verhandlungstag hält dann auch eine entsprechende Einlassung Wagners bereit. Zuvor jedoch weist ihr Anwalt noch darauf hin, dass sich seine Mandantin weitgehend geständig gezeigt hätte; es sei jedoch zu beachten, dass sie sich häufig „einfach keine Gedanken“ über die Inhalte gemacht und daher nicht in jedem Fall vorsätzlich gehandelt hätte. Überdies seien auch nicht alle präsentierten Texte volksverhetzend: „Geschmacklos – ja, aber nicht volksverhetzend.“ Mit Blick auf die verlesene Anklageschrift und die darin zitierten Texte ist dies nur schwer nachvollziehbar. Der Richter unterbricht ihn mit dem Verweis darauf, dass dies noch kein vorgezogenes Plädoyer werden soll. Wagner führt anschließend aus, dass es nicht das Ziel von «Thiazi» und den Angeklagten gewesen wäre, Straftaten zu begehen, überhaupt seien sie auch kein „Zusammenschluss“ gewesen. Sie wollten „lediglich Austausch unter Menschen“ ermöglichen. Rechtsanwalt Melsheimer stützt die Ausführungen Wagners, in dem er die volksverhetzenden Inhalte als „gelegentlich und beiläufig“ darstellt, als „Nebenprodukt“, gezielt seien sie aber nicht gewesen. Auch Stetefeld strapaziert nochmals den Aspekt der „freien Meinungsäußerung“, die Musik hätte er zudem hochgeladen, um zu „opponieren“. Schuster führt anschließend aus, dass er „das Forum wachsen lassen wollte, um Leute zu ködern“, da er selbst Teil der Szene gewesen sei.

 Weniger wär' nichts


Insgesamt sind die Ausführungen mehr als dünn, dies umso mehr, als alle Angeklagten theoretisch die Möglichkeit hatten, sich vorher mit ihren Anwälten zu besprechen. Ob dies geschehen ist, kann angesichts der dürftigen Aussagen nicht gesagt werden. Auch der Richter scheint damit nicht zufrieden zu sein, er zitiert im Anschluss noch einmal aus den Forenregeln, aus einzelnen Beiträgen der Angeklagten und stellt exemplarisch einen Thread heraus, in dem der Holocaust geleugnet, der jedoch trotzdem nicht gelöscht wurde. „Diese Beiträge ergeben am Ende ein Gesamtbild“, hält er den Angeklagten entgegen.
 
Ob von den Angeklagten Stetefeld und Schuster noch umfangreichere Einlassungen zu erwarten seien, möchte die Staatsanwaltschaft. Tatsächlich hatten beide am Vortag deutlich kürzer gesprochen als Wagner. Der Anwalt von Stetefeld erklärt, dass er dazu grundsätzlich bereit wäre, die vom Richter gewählte Struktur der offenen Erzählweise würde seinem Mandanten allerdings schwer fallen; vielleicht könne er sich auch schriftlich dazu äußern. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Anwalt von Schuster. Sein Mandant hätte sich zwei Seiten Notizen gemacht, dann aber „kaum zwei Sätze herausgebracht“. Fast schon ärgerlich klingt er dabei. Der Richter möchte den Angeklagten diese Möglichkeit gewähren, weist allerdings deutlich darauf hin: „Wenn da nichts kommt, gehen wir in die Beweisführung!“ Es bleibt also abzuwarten, ob die kommenden Prozesstage mehr hervorbringen werden.
 
Abschließend stellt die Staatsanwaltschaft Wagner noch einige gezielte Fragen. In den Vernehmungen hätte sie ausgesagt, «Thiazi» wäre entstanden, weil der Skadi-Betreiber keine „Hetze“ mehr hätte haben wollen. Was denn damit gemeint gewesen sei, wird sie gefragt. Das wäre keine Hetze gewesen, antwortet Wagner, sondern freie Meinungsäußerung und sie könne sich auch nicht mehr genau daran erinnern, wie die Abspaltung damals vonstatten ging. Sie hätte nur mitbekommen, dass es etwas Neues geben soll, das «Thiazi» heißen würde. Und auch beim „Nationalsozialisten Privatforum“ (NSPF) lässt Wagner ihr Gedächtnis offenbar zunächst im Stich. Sie könne sich nicht erinnern, es auf «Thiazi» eingerichtet zu haben, sie wüsste auch nicht, wer es gewesen sein soll. Erst auf mehrmaliges Nachfragen hin gibt sie zu, dass nur sie und Ruthenberg, später auch «Krafft» / Marian Rohde („Aber der kam erst ein bisschen später.“) die notwendigen Rechte dafür gehabt hätten. So verlaufen dann auch die restlichen Nachfragen. Viel Neues gibt es auch da nicht, zumindest aber macht die Staatsanwaltschaft deutlich, dass sie Wagner ihre Unwissenheit nicht abkauft.
 
So endet dann auch der zweite der beiden Verhandlungstage noch zäher und erkenntnisärmer als der erste. Ob die Angeklagten die Zwischenzeit nutzen, um ihre Einlassungen zu überdenken und weiter auszuführen, wird sich am 17. und 18. Februar 2015, den beiden nächsten Prozesstagen, zeigen.

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Es ist wirklich gut, dass ihr den Prozess beobachtet. Vielen lieben Dank!

Sehe ich auch so. Immer sehr interessant eure Berichte!

aber es bleibt bei mir zumindest ein bitterer Beigeschmack.

Ich kenn zwar dieses Forum nicht und seine Inhalte, es klingt euren Berichten nach wie ein Forum für nationalistischen Lifestyle mit Hetze und Musik.

Keine Frage ist es gut wenn dieses Naziforum untergegangen ist, bloss die juristischen Begründungen stoßen auf.

Volksverhetzung meinetwegen, bloss das mit der Kriminellen Vereinigung kann ich nicht gut heißen. Diese ganzen §129 und §129a StGB Delikte sind sehr weit in ihrer Thematik und gehören zu sog, Organisationsdelikten. Das heisst keine konkrete Straftat muss begangen worden sein, sondern nur eine Vereinigung ist nachzuweisen. Sie  können und werden gegen alle möglichen unliebsamen Menschen eigesetzt. Beide § werden auch genutzt um weite Teile der linksradikalen Szene (häufig) grundlos unter Verdacht zu stellen und über Jahre weite Teile abzuhören. 

 

Deswegen sollte man zu dieser Justiz kritisch bleiben.

Ansonsten weiter so. 

Das Grundproblem scheint zu sein, dass Du dieses Forum und die entsprechenden Inhalte nicht kennst. Andernfalls würde sich Dir die Frage nach der juristischen Form der Verfolgung nicht stellen. Ja, es handelte sich um eine Organisation, die klar darauf abzielte, Straftaten zu begehen - und genau das ist eine kriminelle Vereinigung. Die Aussage, es müsse nur eine Vereinigung nachzuweisen sein, ist dagegen an den Haaren herbeigezogen. Es geht vielmehr um die Verbindung zwischen Straftat(en) und Vereinigung. Beides lag vor.

 

Vielen Dank für die umfangreiche und informative Berichterstattung.

Ich erwarte bereits mit Spannung die Berichte letzten beiden Prozesstage.

Die Aussage das es nur ausreicht eine Organisation nachzuweisen, ist nicht "an den Haaren herbeigezogen" sondern fakt.

Wenn es im vorliegenden eine Verbindung zwischen Organisation und Straftaten gab, macht es diese §129 und §129a Normen auch nicht besser, weil es eben ausreicht eine "Organisation" nachzuweisen. Nur weil hier der Straftatbestand voll erfüllt war macht es die beschissene Praxis der Auspähungsverfahren gegen "Linke" Strukturen  auch nicht besser. Wir sind alle §129!!

Also klappe zu.

Habe noch nie von nem Linken gehört, der sich selbst als "linksradikal" bezeichnet. Wenn das mal kein Kommentar eines "Rechtsradikalen" ist, der auf diese Weise den Schulterschluss sucht: "Wir alle seien Opfer". Allein die Aufforderung "Klappe zu" zeigt mehr Nähe zu totalitären Einstellungen als dem Verfasser bewusst sein dürfte. 

Solidarität mit Rechten aufgrund der Anwendung des 129er? Never! Wer Menschlichkeit mit Füßen tritt und den Nährboden für Hass und Gewalt vor allem gegen die Schwächsten legt, sollte sich am Ende doch nicht wundern, wenn der "Kampf" für ein schönes neues Nazi-Deutschland am Ende in die Hose geht. Da darf man sich dann mal so richtig schön als "Opfer des Systems" fühlen und froh sein, dass man vor einem bundesdeutschen Gericht und nicht vor dem Volksgerichtshof hockt.

Ist das so üblich, dass man sich dem originalem (ich vermute mal, dass es das ist) Emblem von Organisationen im Rahmen der Pressegruppe bedient? Ich meine, dass Thiazi im Original auch so geschrieben wird?! Hat das irgend einen Sinn, soll das der Wiedererkennung dienen, wer verhandelt wird, also dass es vielleicht noch eine weitere Gruppe gleichen Namens gibt?! 

 

Grüße