[B] "Flüchtlinge sind KollegInnen"

Foto: Wladek Flakin

// In Berlin diskutierten 100 Menschen über die gewerkschaftliche Organisierung von Flüchtlingen //

 Asuquo Udo wollte etwas klarstellen am vergangenen Mittwoch im großen Saal des IG-Metall-Hauses in Berlin. "Wir sind als Arbeiter hierhergekommen" sagte der Nigerianer. Er hatte bis 2011 in Libyen gearbeitet, um seine Familie zu ernähren. Dort musste er vor den Bomben der NATO fliehen und landete in Hamburg. Als Arbeiter war es für ihn selbstverständlich, zusammen mit 300 weiteren Flüchtlingen der Gruppe "Lampedusa in Hamburg" bei ver.di einzutreten. "Die Gewerkschaft ist eine Familie", so Udo, und die geflüchteten ArbeiterInnen wollten keine Almosen, sondern Solidarität.

 

Nicht alle Beschäftigtenorganisationen sehen das so. Als Flüchtlinge im Oktober das Berliner Gewerkschaftshaus besetzten, um politische Unterstützung vom DGB einzufordern, ließ der Vorstand das Gebäude von der Polizei räumen. Seit diesem brutalen Polizeieinsatz wird in den Mitgliedsverbänden diskutiert, und in der Hauptstadt bildete sich eine Initiative, die die Veranstaltung "Gemeinsam gegen Rassismus" mit knapp 100 TeilnehmerInnen in der vergangenen Woche organisierte.

 

"Geflüchtete sind unsere Kollegen", erklärte Busfahrer und ver.di-Mitglied Erdogan Kaya zur Eröffnung. "In der Vergangenheit haben Gewerkschaften gegen die Verschärfung des Asylrechts protestiert", erinnerte sich der Aktivist, der auch Sprecher des Landesmigrationsausschusses von ver.di ist. "Doch jetzt machen sie gar nichts."

 

Yergalem, der an der DGB-Haus-Besetzung teilgenommen hatte, berichtete von einem Treffen mit der DGB-Jugend zwei Tage davor. "Sie versuchten, alles zu leugnen, was sie gemacht haben." Es sieht eben nicht gut aus, wenn eine Gewerkschaft die Polizei auf potentielle Mitglieder hetzt, und in den letzten Monaten stieß der Beschluss zur Räumung auf breite Ablehnung.

 

"Die GEW hat der Räumung nicht zugestimmt", stellte Rainer Hansel von der Bildungsgewerkschaft fest, obwohl von einem "einstimmigen Beschluss" des DGB die Rede gewesen sei. "Die Repressalien waren nicht in Ordnung, und die Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs sollen zurückgezogen werden", so Hansel.

 

Bei der Gründung von ver.di im Jahr 2001 hatte der Vorsitzende Frank Bsirske öffentlich erklärt, dass Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus willkommen seien, erzählte Anna Basen. Sie engagiert sich ehrenamtlich im Arbeitskreis "Undokumentierte Arbeit" der Gewerkschaft. Neben politischer Arbeitet bietet dieser auch Beratung für Beschäftigte ohne Papiere an. "Meistens geht es um nichtgezahlte Löhne", sagte sie.

 

Dabei sollte die Gruppe ausdrücklich Menschen für die Gewerkschaft anwerben. In den letzten Jahren sind so 50 neue Mitglieder gewonnen worden. Doch im Sommer, nach dem Beitritt der Gruppe "Lampedusa in Hamburg", ließ der ver.di-Vorstand ein fragwürdiges Rechtsgutachten erstellen, das Flüchtlingen die Mitgliedschaft verweigert. Deswegen gibt es einen Antrag für den Gewerkschaftskongress im nächsten Jahr, um dieses Recht wiederzuerlangen.

 

Droma Bogdan aus Rumänien konnte bezeugen, dass diese Frage brennend aktuell ist. Er hatte bei der "Mall of Berlin" gearbeitet, erhielt aber keinen Lohn. "Hunderte Menschen sind in dieser Situation", so der Familienvater, "und wenn niemand protestiert, wann werden sie damit aufhören?" Seit Wochen demonstrieren acht Arbeiter aus Rumänien jeden Tag vor dem Einkaufszentrum. Der DGB hatte ihnen nur juristischen Rat angeboten – deswegen kooperieren sie mit der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union, die auch Proteste organisiert.

 

Vielleicht lassen sich die großen DGB-Gewerkschaften bewegen. "Die Arbeiterklasse müssen wir politisch gewinnen," so Kaya. Die Veranstaltung war ein kleiner Schritt in diese Richtung.

 

von Wladek Flakin, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO)

 

eine kürzere Version des Artikels erschien in der jungen Welt

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Die starke Rhetorik nicht immer nur Opfer sein zu müssen, sollte öfters in der antirassistischen Politik angewendet werden. Es geht dabei um Rechte und nicht darum welches Recht jemand hat, um als Opfer anerkannt werden zu müssen.