Solidarität aus NRW mit der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ – Infoveranstaltungen und gemeinsame Fahrt nach Dessau am 07.01.2015
Zum zehnten Todestag des in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Oury Jalloh rufen die Karawane Wuppertal und Unterstützer_innen zur verstärkten Solidarität mit der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ auf. Infoveranstaltungen werden in Mülheim a.d. Ruhr, Bonn, Wuppertal, Duisburg, Düsseldorf, Dortmund und evtl. Bielefeld durchgeführt. Dort wird über die Hintergründe des immer noch unaufgeklärten Mordes an Oury Jalloh berichtet; vergangene Erfahrungen, aktuelle Entwicklungen und zukünftige Schritte sollen besprochen werden. Zudem wird/werden eine oder mehrere gemeinsame Fahrt/en aus NRW nach Dessau am 07.01.2015 organisiert.
Mitglieder der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ werden am 15.12. in Bonn, am 16.12. in Wuppertal, am 17.12. in Duisburg und am 18.12. in Düsseldorf (evtl. auch am 27.12. in Dortmund) anwesend sein.
Seit nunmehr zehn Jahren kämpfen die Freund_innen und Angehörige des ermordeten Asylbewerbers Oury Jalloh aus Sierra Leone um die Aufklärung seines Todes.
Drohungen, Polizeigewalt, Razzien, etliche Gerichtsverfahren und weitere verschiedene Formen der Repression gegen die Mitglieder der Initiative waren die Reaktion der Behörden. Die Initiative hat dennoch nie aufgehört dafür zu kämpfen, dass ein rassistischer Mord in Deutschland nicht weiter verschwiegen werden kann.
Auch in mehreren Gerichtsverfahren sind Staatsanwaltschaft und Gerichte in ihren Ermittlungen ausschließlich der völlig unrealistischen Selbstmordthese nachgegangen. An Händen und Füßen gefesselt, auf einer feuerfest ummantelten Matratze in einer gefliesten Polizeizelle soll er diese Matratze selbst entzündet haben.
Ein unabhängiges und selbst finanziertes Brandgutachten(1) der Initiative stellt 2013 fest, dass dies ohne Brandbeschleuniger nicht möglich ist. Daraufhin stellen Aktivist*innen der Initiative Anzeige wegen Mordes beim Generalbundesanwalt. Der erklärt sich für nicht zuständig und gibt den Fall an die Staatsanwaltschaft Dessau ab. Der Forderung an die Dessauer Staatsanwaltschaft, endlich umfassende Brandversuche durchzuführen, um die Entstehung des unstrittigen Brandbildes vom 7.1.2005 in Zelle Nr. 5 zu ermitteln, wird bis heute nicht einmal ansatzweise nachgegangen, auch wenn Oberstaatsanwalt Bittmann unter dem Eindruck des Gutachtens noch das Gegenteil behauptete(2).
Eine Schlüsselstellung nimmt aber nach wie vor das Feuerzeug ein: Am 10.1.2005, drei Tage nach dem Brand, wird ein Feuerzeugrest in die Asservatenliste hinzugefügt. Trotz mehrmaliger Leibesvisitationen soll Oury Jalloh ein Feuerzeug in die Zelle geschmuggelt haben und so in der Lage gewesen sein, den Brand selbst zu entfachen. Angeblich wurde es in einem geschmolzenen Matratzenblock gefunden, der sich unter dem Rücken von Oury's Leiche befand. Bei einer 2013 durchgeführten eingehenden Untersuchung des Feuerzeugrests wird jedoch festgestellt, dass es keinerlei DNA oder sonstige Spuren von Oury Jalloh, seiner Kleidung oder der Matratze enthält, wohl aber eingeschmolzene Polyesterfasern, die keinem besonderen Kleidungsstück mehr zugeordnet werden können und unverkohlte, anhaftende Tierhaare. Oury Jalloh trug erwiesenermaßen Baumwollkleidung, als er ermordet wurde. Das Feuerzeug kann somit unmöglich in dieser Zelle gewesen sein, geschweige denn als Tatwerkzeug infrage kommen.
Dennoch stützt sich die Staatsanwaltschaft Dessau nach wie vor ausschließlich auf ein erwiesenermaßen gefälschtes Beweisstück und deckt damit aktiv dieses Staatsverbrechen!
Eine nachträgliche und von der Initiative finanzierte Obduktion ergab, dass Oury Jalloh einen Nasenbeinbruch und weder Stresshormone noch Kohlenmonoxid im Blut hatte, was lt. Rechtsmedizin darauf hinweist, dass er zum Zeitpunkt des Brandes bereits ohnmächtig oder tot gewesen sein oder durch die Verwendung von Brandbeschleuniger innerhalb kürzester Zeit einen tödlichen Schock erlitten haben musste.
Wichtige Beweismittel verschwanden, Aussagen widersprachen sich, Falschaussagen wurden festgestellt, Standarduntersuchungen am Tatort wurden nicht durchgeführt. Zwei weitere, bis heute nicht aufgeklärte Todesfälle werden zudem mit der Dessauer Polizeiwache in Verbindung gebracht(3). Die Liste an ungeheuerlichen und schmerzhaften Skurrilitäten und Vertuschungen aus den letzten zehn Jahren lässt sich noch lange fortsetzen.
Die Erfahrungen der jährlichen Demonstrationen am 07.01. in Dessau zeigten den solidarischen Menschen und Gruppen aus NRW immer wieder, welch trauriger Ort dieses Dessau in Sachsen-Anhalt ist und wie wichtig die Unterstützung für die black community und antirassistische Präsenz in der Stadt ist. Derzeit steht die Initiative - pünktlich zu den Vorbereitungen des zehnjährigen Gedenkens an Oury Jalloh - wieder einmal vor Gericht(4). Nicht als Kläger_in, sondern als Angeklagte, u.a. in Folge des brutalen Polizeieinsatzes bei der Demo in 2012(5).
Um möglichst vielen Menschen die Fahrt nach Dessau zu ermöglichen, werden Spenden gesammelt und können unter dem Stichwort „Oury Jalloh NRW“ auf folgendes Konto überwiesen werden:
Förderverein Karawane e.V.
Kto.Nr.: 40 30 780 800
BLZ: 430 609 67 GLS Gemeinschaftsbank eG
IBAN: DE28430609674030780800
BIC: GENODEM1GLS
Weitere Informationen zu den Infoveranstaltungen und gemeinsamer Anreise aus NRW (auf deutsch und teilweise englisch) sowie Möglichkeiten zu liken, mobilisieren und unterstützen:
https://www.facebook.com/pages/Oury-Jalloh-Solidarit%C3%A4t-aus-NRW/4061...
https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
Mitfahrmöglichkeiten/Bustickets nach Dessau gibt es bei den Veranstaltungen oder über:
wuppkarawane@yahoo.de
Veranstaltungsübersicht:
Mülheim/Ruhr: Mi, 10.12.14, 20 Uhr // Autonomes Zentrum, Auerstr. 51
Bonn: Mo, 15.12.14, 20 Uhr // Hörsaal 3, Hauptgebäuder Uni Bonn, Regina-Pacis-Weg 3
Wuppertal: Di, 16.12.14, 19:30 Uhr // Autonomes Zentrum, Markomannenstr. 3
Duisburg: Mi, 17.12.14, 19:30 Uhr // Syntopia, Gerokstr. 2
Düsseldorf: Do, 18.12.14, 20 Uhr // Linkes Zentrum – Hinterhof, Corneliusstr. 108
Dortmund: Sa, 27.12.14, 19 Uhr // Nordpol, Münsterstr. 99
Bielefeld: noch nicht terminiert
Dessau: Mi, 07.01.15: NRW, gemeinsam nach Dessau!!
Quellen, Links:
(1) https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/brandgutachten/video-brandgut...
(2) https://www.youtube.com/watch?v=eP_BcxTghao&feature=youtu.be
(3) https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2012/12/13/pressemitteilung-d...
(4) https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2014/11/23/initiative-vor-ger...
(5) https://www.youtube.com/watch?v=eI0oSrNuq9o
Radio Feature
Oury Jalloh - die widersprüchlichen Wahrheiten eines Todesfalls
Feature von Margot Overath
Siebenter Januar 2005. Dessau, Sachsen-Anhalt. In einer Polizeizelle verbrennt ein an Händen und Füßen gefesselter Mensch bei lebendigem Leibe. Selbst verschuldet, sagen die einen. Ermordet, sagen die anderen. Was geschehen ist, wird nur gedeutet. Klare Beweise liegen nicht vor. Da auch der zweite Prozess vor dem Landgericht Magdeburg keine endgültige Aufklärung über das Entstehen des Brandes bringt, knüpft die Autorin an ihre Recherche für ihr erstes Feature zum Fall Jalloh "Verbrannt in Polizeizelle Nummer fünf" an und hinterfragt die Ermittlungsergebnisse erneut.
Mit Unterstützung von Gerichtsmedizinern, Toxikologen und Kriminalbeamten geht Margot Overath Ungereimtheiten nach und bekommt Hinweise auf einen dritten Mann. Ging es am Anfang um unterlassene Hilfeleistung des Dienstgruppenleiters, ermittelt die Staatsanwaltschaft Dessau seit 2014 gegen Unbekannt wegen Mordes.
http://www.mdr.de/mdr-figaro/hoerspiel/feature/jalloh-overath100.html
download:
http://ondemanddownload.mdr.de/mp3/digas-877288bc-7192-45c4-a8c5-5318b69...
Demo auch in Köln
facebook.com/events/1508249079449092/
NRW AUFRUF unterzeichnen
NRW Aufruf zum Unterzeichnen: http://nichtsvergessen.blogsport.de/