Ernüchterndes Prozessergebnis für Friedensaktivisten in Colmar (Frankreich)
Das
Berufungsgericht Colmar (Frankreich) verurteilte heute einen 25jährigen
Studenten aus Berlin zu 2 Monaten Haft auf Bewährung. Dabei hatte er
bereits 4 Monate unter unzumutbaren Haftbedingungen im Strasbourger
Gefängnis verbracht. In der ersten Instanz war er in einem 15minütigen
Schnellverfahren zu 6 Monaten Haft mit sofortigem Vollzug verurteilt
worden. Vorgeworfen wurde ihm ein Steinwurf ohne Schaden im Rahmen der
Proteste gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg.
Am heutigen zweiten Prozesstag wurden die drei belastenden
Polizeizeugen vernommen, die z.T. sehr widersprüchliche Aussagen
machten. Z.B. behauptete ein Zeuge, den Angeklagten mit einer Mütze
gesehen zu haben, ein anderer sprach von einer Kapuze und der Dritte
von einer Maskierung.
Der Staatsanwalt bezog sich dennoch positiv
auf die Aussagen. Schon beim ersten Termin hatte er betont, wenn man
keinem Polizisten mehr glauben könne, wem könne man denn dann noch
Glauben schenken... Sein Plädoyer bezog sich erneut hauptsächlich auf
Wikipedia-Zitate über den angeblichen "deutschen Black Block". Er
forderte eine Bestätigung des Urteils aus dem Schnellverfahren,
verschärft durch ein Einreiseverbot nach Frankreich. Die verteidigende
Anwältin Nohra Boukara zweifelte die Aussagen der Belastungszeugen
grundsätzlich an. Sie zeigte Widersprüche auf und äusserte sich zum
Kontext der Medienkampagnen gegen die NATO-Proteste mit der
Dämonisierung des "Black Block". Zum Schluss erläuterte sie, dass der
vorgeworfene Straftatbestand der "Gewalttat" wegen des nicht
vorhandenen Schadens sowieso nicht zutrifft.
Der Angeklagte
wurde schliesslich zu 2 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er
erwägt, in Revision zu gehen. "Es ist ein Skandal", äusserte er sich
nach der Urteilsverkündung, "dass ich monatelang unter unmöglichen
Haftbedingungen in Strasbourg im Gefängnis sitzen musste. Mit dem
heutigen Urteil wurden diese Zeit für uberflüssig erklärt und trotzdem
kann ich keine Entschädigungen einklagen, weil ich nicht freigesprochen
wurde!" Bis zum ersten Termin der Berufungsverhandlung Anfang August
waren schon 4 Monate in Haft vergangen. Bereits im Juli war ein weiter
Anti-Nato-Aktivist nach ebenfalls 4 Monaten Haft vom Colmarer Gericht
freigesprochen worden. Noch immer befinden sich zwei Menschen im
Zusammenhang mit den NATO-Protesten in Untersuchungshaft in Strasbourg.
Eine ausführliche Dokumentation der Repression in Folge des Gipfels findet sich unter http://breakout.blogsport.de
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