In den letzten beiden Verhandlungstagen am 16. und 17. September 2014 wurden ZeugInnen einvernommen. Hierbei wurden wieder einmal gängige Gerichtspraktiken, die vor allem den faschistischen Angeklagte zugunsten kommen, deutlich. Ebenso kamen weitere interessante Details über die Gesinnung der faschistischen Angeklagten zum Vorschein. Interessant ist auch, dass, laut eines Zeugen, die Angeklagten bei der Polizei offenbar bereits bekannt waren, „die kennen wir eh schon“, soll die Polizei gesagt haben. Das liegt möglicherweise an deren Vorstrafen, auf die bis jetzt im Gericht aber noch nicht näher eingegangen worden ist.
Obwohl der Prozess ja laut Richter nicht als ein politischer geführt wird, bringen die VerteidigerInnen mehr und mehr politischen Gehalt in die Einvernahmen. Beispielsweise fragt der Verteidiger der Faschisten, Phillip Winkler, nach, ob sich die ATIGF auf Demonstrationen beteiligt, ob sie sich denn dort eventuell auch Auseinandersetzung mit der Polizei liefert. Was das mit der Hauptverhandlung zu tun hat? Naja, seine Mandanten werden ja auch mit den politischen Gesinnungen von „Unsterblich“ in Verbindung gebracht.
Als der Verteidiger der angeklagten Aktivisten, Facebook Fotos vom Zweitangeklagten Parisi-Wortmann vorlegt, die dessen Nähe zu „Unsterblich“ bekräftigen sollen, kontert dieser mit schlechten Ausreden: Warum er Aufforderungen wie „wetzt die Messer“ auf seine Profilseite stellt? „das war schlicht eine Reaktion auf Menschen, die bei der Gebietskrankenkasse in der Schlange standen, und, genervt von der langen Wartezeit, sich fast attackiert hätten“. Warum er auf einem Foto einen Pulli mit dem Logo von „Unsterblich“ anhat? Hier wurde er „nur“ markiert, also verlinkt, dass kann er doch nicht beeinflussen. Warum er „hahaha, antifa“ postet und sich mit den Postings von Schleudern über die Antifa lustig macht? „Na, so wie sich die aufführen“. Warum er, genauso wie drei weitere Angeklagte, die eigentlich zum Zeitpunkt des Angriffs auf das EKH Stadionverbot hatten, trotzdem auf dem Weg ins Stadion war? „Weil man sich ja hinter der gelben Linie trotzdem mit seinen Freunden treffen darf, um sich gemeinsam das Match anzuschauen“. Der Widerspruch mit seiner Aussage am ersten Verhandlungstag, nämlich dass er sich in der Nähe des EKHs aufgehalten hat, weil er auf dem Weg von Mc Donalds zu seiner Mutter war, wird vom Gericht und seinen Marionetten nicht angesprochen. Bei der relativierenden und verharmlosenden Aussage des Angeklagten wurde nicht weiter nachgehakt. Auf der anderen Seite legt Verteidiger Winkler dem Richter Facebook Fotos vor, auf denen scheinbar Mitglieder einer kurdischen Jugendorganisation abgebildet sind, welche zwar nichts mit der ATIGF zu tun haben, die aber, für den Verteidiger, genauso irrelevant für die Verhandlung sind, wie die „Assoziation mit Unsterblich“, die durch die gezeigten Facebook Fotos des Zweitangeklagten. Ein kläglicher Versuch, den politischen Gehalt dieses Prozesses auszuhebeln.
Auch die Befragung der ZeugInnen gestaltete sich ähnlich wie am ersten Verhandlungstag. Bei den ZeugInnen, die die Aussagen der angeklagten Aktivisten stützen, wird klar, dass sich Richter, Staatsanwalt und der Verteidiger der Faschos an Details aufhängen. Dieser möchte beispielsweise von einem Zeugen wissen, warum er bestimmte Details, die er jetzt nennt, nicht schon bei der Polizei bekannt gegeben hat, wie zum Beispiel, dass er den Satz,„warte, bis der Rettungswagen kommt“ gehört hätte. Auch eine weitere Zeugin wird dementsprechend vom Verteidiger gelöchert, warum sie sich denn jetzt „plötzlich“ erinnern kann, dass sie Rufe wie „Nazis, Nazis“ gehört hatte, sie das aber bei der polizeilichen Einvernahme nicht bekannt gegeben hat, sondern dort vielmehr gesagt hat, es hätte „Geschrei“ gegeben. Dass Menschen bei der polizeilichen Einvernahme, die wohlgemerkt vor fast einem Jahr stattgefunden hat, womöglich unter Schock gestanden sind, wird weder thematisiert noch berücksichtigt. Vielmehr wird darauf abgezielt, die ZeugInnen als unglaubwürdig dastehen zu lassen und sie zu verunsichern, in dem ihnen die Worte im Mund umgedreht werden. Details, ob diejenigen, die den Angreifern nachgelaufen sind, nun einen Besen oder einen Wischmopp dabei hatten, werden in den Vordergrund gerückt, während das Zitieren von den vom Zeugen wahrgenommenen Parolen, wie „Heil Hitler“ und „Ausländer raus“,vom Richter unterbrochen wird.
Bei einer anderen Zeugin tätigt der Verteidiger der Faschos rassistische Äußerungen, er möchte wissen, warum sie vor Gericht eine Dolmetscherin braucht „wenn sie ja hier auf deutsch(?!) arbeitet“. Weiters fragt der Verteidiger nach der Dauer, wie lange sie bereits in Österreich lebt und warum ihre deutschen Sprachkenntnisse unzureichend sind.
Der letzte Zeuge, der einvernommen wurde, und der sich ebenfalls bei der Veranstaltung befunden hat, wird vom Staatsanwalt ins Kreuzverhör gezogen. Es stimuliert diesen sichtlich, den Zeugen in widersprüchliche Aussagen bezüglich der metergenauen Entfernung vom EKH zum Ort der Auseinandersetzung mit dem Zweitangeklagten zu verwickeln. Wenn er zusammen mit einem der Angeklagten aus dem EKH gelaufen ist, und diesen also „die ganze Zeit beobachten hat“, warum kann er dann nicht mit „absoluter Sicherheit“ ausschließen, dass die beiden Letztangeklagten auf einen Angreifer eingeschlagen hätten? Wieso er „herumdruckst“ und das nur mit 99%iger, also nicht mit absoluter, Sicherheit ausschließen kann? Ob er denn trotz seines Doppelmagistertitels die Frage des Staatsanwaltes nicht verstehe?
Der Verteidiger legt noch einen drauf, was denn der „Doppelmagister“ unter dem Begriff „Notwehr“ verstehe. Bedeutet Notwehr also, sich nach einem Angriff selbst zu verteidigen, oder bedeutet es für den Zeugen vielmehr, selbst Leute anzugreifen, obwohl diese bereits am gehen sind. Der Verteidiger scheint an dieser Stelle die Tatsache außer acht zu lassen, dass es zuvor einen Angriff gegeben hat, wo Bierflaschen gegen die Tür geknallt wurden, wo Stöcke und „so etwas wie Schleudern“ eingesetzt wurden, wo Menschen psychische und physische Schäden erlitten haben. Ihm sei ja unbegreiflich, betont er wiederholt, warum die
Schlussendlich beantragt der Verteidiger der Faschos ein Verfahren gegen diesen Zeugen wegen Falschaussage vor Gericht, da er angibt, nicht gesehen zu haben, wie die beiden angeklagten Aktivisten einen Stock aufgehoben hätten. Das wiederum will aber der Zeuge wahrgenommen haben, der die Fotos geschossen hat und somit in den Auge des Gerichts als besonders „unvoreingenommen“ und „glaubhaft“ erscheint, da er ja offenbar nichts mit der ganzen Sache zu tun hat und „rein zufällig“ die Situation beobachten konnte. Er gibt an, die beiden angeklagten Aktivisten genau dabei beobachtet zu haben, wie sie auf den Zweitangeklagten eingeschlagen hätten. Fotos gibt es davon aber keine, weil er danach erst seine Kamera geholt hat. Es bleibt aber unklar, inwieweit der Zeuge die faschistischen Angeklagten vielleicht nicht doch kennt. Einige ProzessbeobachterInnen wollen jedenfalls einen Abschiedsgruß in deren Richtung bemerkt haben.
Auch das Opfer des Angriffs, welches noch heute an den psychischen Folgen des Angriffs leidet, erscheint vielmehr in einer Rechtfertigungsposition. Vor Gericht soll er genau angeben, wieviel Zeit zwischen dem ersten und zweiten erlittenen Schlag vergangen ist. Als hätte dieser während der physischen Auseinandersetzung auf die Uhr geschaut. Außerdem soll er sich genau, und trotz eingeschlagener Brillengläser; erinnern, wer ihm den zweiten Schlag verpasst hat. Weiter soll er aussagen, welche der Fotos, die nun dem Gericht übermittelt worden sind, ihm vor fast einem Jahr bei der Polizei gezeigt wurden. Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, soll er „mit Sicherheit ausschließen können, dass er sich irrt“, denn das ist ja schon einmal passiert, als der Polizei bei der Einvernahme irrtümlich ein falsches Foto untergekommen ist.
Derartige „Erinnerungslücken“ werden hochgespielt, die Gerichtspraktiken zielen darauf ab, die ZeugInnen und das Opfer unter Druck zu setzen, und als unglaubwürdig dastehen zu lassen. Auch das psychologische Gutachten wird vom Verteidiger Winkler infrage gestellt, was denn „Übungen zum logischen Denken“ mit einem Trauma zu tun haben, und warum sich das Opfer noch einen Tag nach dem Angriff auf der Demo aktiv beteiligt hat, wenn er doch derartige psychische Schäden von der „Auseinandersetzung“ davongetragen hat.
Der Zweitangeklagte, auf der anderen Seite, hat am ersten Tag angegeben, einen Jochbeinbruch, Stichwunden in Lungennähe und Trizeps,sowie Prellungen von Hieben mit Stöcken und Tritten abbekommen zu haben. Diese wurden jedoch in keinem einzigen (polizei)ärztlichen Gutachten dokumentiert. Trotzdem wird er mit Samthandschuhen angegriffen, aufgrund seiner „Panikattacken als Folgeschaden“ wird die Verhandlung zweimal unterbrochen. Das spiegelt die gängige Praxis vor Gericht in diesem Prozess wider: Die Faschos, müssen sich zu den Anschuldigungen der Opfer und ZeugInnen, wenn überhaupt, nur sehr kurz äußern, ihnen werden keine großartigen Detail abverlangt: Als eine Zeugin beispielsweise angibt, einen der Angeklagten aufgrund seiner Tattoos wieder erkennen zu können, kontert dieser mit „solche Tattoos kann ja jeder haben“. Vom Staatsanwalt werden den Faschisten sogar häufig Worte zu ihren Gunsten in den Mund gelegt, beispielsweise als der Zweitangeklagte Details zu seinen Verletzungen, die auf den Fotos offensichtlich nicht sichtbar sind, bekannt geben soll, meint Kronawetter „das war ja fünf Minuten später“ (die Schläge, die zu den Verletzungen führten, Anm.). Die Position des Staatsanwalt ist hier infrage zu stellen. Er weitet die Anklage zu Ungunsten des Zweitangeklagten aufgrund des psychologischen Gutachtens des Opfers schlussendlich auf schwere Körperverletzung aus. Aber auch aufseiten den angeklagten Aktivisten weitet er das Strafmaß auf schwere Körperverletzung aus, denn diese hätten „in verabredeter Verbindung“ vorsätzlich den Zweitangeklagten verletzt. Dass der Angriff auf das EKH mit großer Wahrscheinlichkeit auf einer „verabredeten Verbindung“ zwischen den Angeklagten auf der Basis von“Unsterblich“ geplant wurde, wird in diesem Prozess aber nicht thematisiert. Denn es ist keine politische Verhandlung.
Nicht erst durch diesen Prozess wird wieder einmal klar, auf welcher Seite das Gericht steht und dass vor Gericht nicht alle gleich sind. Dass FaschistInnen vor Gericht geschützt werden, dass Ent-nazifizierungen von RichterInen und (Staats-)anwältInnen nicht stattfindet oder stattgefunden hat. Wieso wundern wir uns überhaupt?
Es geht an dieser Stelle aber auch darum, wie sich die Opfer eines derartigen Angriffs bei solchen Gerichtsverhandlungen vorkommen müssen, wenn sie sich rechtfertigen müssen und ihren Aussagen- im Gegensatz zu denen der Faschisten- offensichtlich kein Glaube geschenkt wird.
Wenn sie im Gerichtssaal von Faschos gemustert werden, und diese aufgrund der Akteneinsicht ihre Namen und Adressen wissen.
Deshalb ist es auch weiterhin wichtig, wenn der Prozess, der nun auf unbestimmte Zeit vertagt worden ist, fortgesetzt wird, antifaschistische Präsenz im Gerichtssaal zu zeigen!
ALERTA, ALERTA ANTIFASCHISTA!!
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