Am Mittwoch, 30.09.2009 fand im Jugendhaus-Insel ein Gespräch zwischen Jugendlichen und dem Team der Insel im JuHa-Insel in Balingen statt. Thematisiert wurden die Ereignisse in jüngster Vergangenheit im Konflikt zwischen Stadt, Ordnungsamt, Polizei und der Jugend.
Unser Ziel war es speziell das Jugendhaus-Insel überhaupt wieder und vor allem umfangreicher nutzen zu können und außerdem unsere anstehenden Konzerte, welche bereits durchgeplant waren und durch die Stadt verboten wurden, wieder zu legalisieren und dafür die Räumlichkeiten des JuHa´s nutzen zu können...
Am Freitag, den 09.10.2009, gibt es um 18 Uhr eine Demonstration am Hauptbahnhof in Balingen!
Für die umfangreichere Nutzung des JuHa´s haben wir uns viele Gedanken gemacht, schließlich folgende Punkte zusammengetragen und dann auch gleich von Anfang an in´s Gespräch mit eingebracht:
- Jugendliche sollten die Möglichkeit bekommen, sich im Jugendhaus ganz nach ihren eigenen Vorstellungen und Ideen einbringen zu können.
- Zusammenarbeit zwischen Jugendhaus-MitarbeiterInnen und Jugendlichen - die jungen Menschen sollten die Möglichkeit haben, selbst als „Freie MitarbeiterInnen“ tätig zu werden.
- Keine Überwachung bzw. Kontrolle der Jugendlichen durch die JuHa-MitarbeiterInnen. Den Jugendlichen sollte genügend Freiraum gegeben werden, um selbstbestimmt und selbstorganisiert arbeiten zu können. Dafür muss natürlich erst eine Vertrauensbasis entstehen. Diese kann sich durch die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung entwickeln.
- Das Jugendhaus Insel hat leider nur sehr wenig ansprechende Angebote für Jugendliche. Dies könnte Mensch dadurch lösen, in dem Jugendliche als „Freie MitarbeiterInnen“ selbst Angebote für andere Jugendliche entwickelt und anbieten. „Szeneinterne Leute“ wissen am besten, was fehlt und was gefragt ist.
- Organisatorisch wären regelmäßige Plenas (Treffen) sinnvoll. Dort werden alle Jugendhaus Angelegenheiten besprochen und jede/jeder kann sich mit einbringen. Alle Stimmen sind gleichwertig und Entscheidungen werden nach dem Konsens Prinzip getroffen. So kann verhindert werden, dass sich jemand ungerecht behandelt oder übergangen fühlt.
- Keine kommerzielle Nutzung des JuHa´s. Die Räumlichkeiten sollten für alle kostenfrei zur Verfügung stehen, auch bei Veranstaltungen. Evtl. anfallende Betriebskosten wie Strom, Wasser, Müllentsorgung usw. könnten mit Einnahmen durch einen angemessenen Eintrittspreis oder Spendengeldern wieder beglichen werden. Privatpersonen sollten das Jugendhaus nicht für den Zweck nutzen, Geld in die eigene Tasche zu verdienen. Eventuelle Einnahmen sollten für Aufwandsentschädigungen der Künstler/Beteiligten genutzt werden oder wenn nötig in das Jugendhaus fliesen.
- Bessere Öffnungszeiten! Das Jugendhaus sollte die ganze Woche zur Verfügung stehen. Vor allem am Wochenende und ganz besonders in den Ferien sollte das Jugendhaus geöffnet sein. Außerdem könnte Mensch die Öffnungszeiten verlängern. Früher öffnen und später schließen.
- Das Jugendhaus könnte mit seinen Räumlichkeiten wesentlich ausgiebiger genutzt werden. Vor allem vom „Tanz Casino“ sollte wieder Gebrauch gemacht werden. Evtl. ist es zu überlegen, Konzertveranstaltungen dort hin zu verlegen, was unter Anderem das Problem der Lärmbelästigung vermindern könnte.
- Workshops und Infoveranstaltungen zu verschiedenen Themen.
- Proberäume für lokale Nachwuchsbands, welche sich keinen professionellen Proberaum leisten können.
- Legale Graffitiwände. In Balingen gibt es keine legalen Möglichkeiten für Graffitikünstler ihre Kunst auszuüben. Man könnte auch das Jugendhaus an sich komplett von außen und innen bunt gestalten. Farbe anstatt weise Einöde!
- Regelmäßige VoKü (Volx Küche). Um jeden gerecht zu werden Veganes Essen und Herausgabe gegen Spende.
Verlauf
Etwa 20 - 30 Personen hatten sich um 18Uhr im Jugendhaus-Insel versammelt. Dabei waren einige junge Menschen, 2 Mitarbeiter des JuHa´s, der Leiter des Jugend und Kinderbüros + der neue "Streetworker" der Stadt BL und die Presse war auch vor Ort...
Das Gespräch verlief von Anfang an sehr angenehm und aufgeschlossen. Das JuHa-Team zeigte sich uns gegenüber sehr offen und diskussionsbereit. Anfangs wurde noch kurz über die Ereignisse in der Vergangenheit gesprochen, jedoch dann recht schnell auf die aktuellen und zukünftigen Geschehnisse eingegangen. Wir vermittelten zuerst einmal unsere Ziele des Gesprächs und trugen dann unsere zusammen ausgearbeiteten Nutzungsvorschläge für das Jugendhaus vor. Um das ganze nicht so neu und in der Luft dastehen zu lassen, brachten wir als Vergleichsbeispiel das Epplehaus in Tübingen ein. Um dies zu unterstreichen, luden wir eine aktive Mitarbeiterin vom Epplehaus ein, welche über die Struktur des Epples berichtete. Dies hatte den Zweck, dem JuHa-Team in BL das Ganze näher zu bringen und zu veranschaulichen, dass ein Jugendhaus unter solch einem Konzept wunderbar funktionieren kann.
Das Jugendhausteam erläuterte darauf hin, dass es die meisten der Möglichkeiten in der Insel bereits geben würde, jedoch aber nicht von Jugendlichen genutzt werden. Die anderen Punkte, wie legale Graffitiwände, Bandproberäume und die Ausbesserung der Öffnungszeiten wären durchaus realistisch und in naher Zukunft auch durchsetzbar. Es fehle zur Zeit nur an interessierten Jugendlichen und freiwilligen MitarbeiterInnen, welche das Ganze unterstützen und fördern würden...
Ausserdem würden sich unsere Nutzungsvorschläge beinahe mit dem ursprünglichem Konzept der Insel gleichen.
Das "Tanz-Casino" (eigentlich der Größte und vor allem am besten für Veranstaltungen geeignete Teil des Gebäudes) gehöre jedoch nicht direkt zum Jugendhaus und wäre inzwischen durch die Stadt mehr oder weniger stillgelegt worden, d.h. Strom und Heizung wurden aus dem Gebäudeteil entfernt. Ausserdem müsste man in Sachen Instandhaltung einiges machen, was ein extrem hoher Kostenaufwand wäre. Also sei die Nutzung des "Tanz-Casino" beinahe ausgeschlossen. Zur Zeit wird der Gebäudeteil nur noch als Lagerraum genutzt.
Weiter wurde ausgiebig darüber diskutiert, wie Mensch diese Vorhaben in Zukunft zusammen realisieren könnte. Als guten Anfang wurde vorgeschlagen, dass Mensch die Legalisierung der JuHa-Außenfassade als Graffitifläche durchsetzen könnte. Es wurde auch über eine komplette Außengestaltung der Insel gesprochen, da die Wände bisher alle noch weis sind. Es könnten auch noch andere Flächen in BL legalisiert werden, z.B. Fußgängerunterführungen oder verschiedene Brückenpfeiler... Hierzu sollte Mensch erstmal ein Konzept erstellen und dies dann der Stadtverwaltung bzw. dem Gemeinderat vorlegen. Dort wird dann darüber entschieden.
Fortgesetzt kamen all die verschiedenen Probleme in BL mit der Jugend zur Sprache. Vor allem die zur Zeit bestehende Polizeiverordnung in der Südstadt & am Skateplatz (Alkoholverbot in der Öffentlichkeit, Aufenthalts- & Versammlungsverbote usw., durchgesetzt und überwacht durch die "Stadt Security" & örtliche Polizei) sorgt immer wieder für Konfliktpotential. Ausserdem kommt es bei Veranstaltungen in der Insel mehr oder weniger zwangsläufig zu einer Konfrontation mit diesen Verboten & deren Durchsetzung, da die Insel noch im Bereich der Balinger Südstadt liegt, man in der Insel jedoch nicht rauchen darf, dazu also raus gehen muss und draussen allerdings ein Alkoholverbot besteht! Weiter bringt es die Problematik mit sich, dass durch die vor der Insel stehenden Leute ein gewisser Lärmpegel entsteht, welcher von den unmittelbaren Anwohner als Lärmbelästigung empfunden wird...
Schließlich kamen wir auf die für den 10.10. & 23.10. in der Insel geplanten Konzerte zu sprechen. Die beiden Veranstaltungen wurden auf Grund der Ereignisse in jüngster Vergangenheit & dem Vorwand des angeblichen "Massenbesäufnisvorhabens" kurzerhand durch die Stadtverwaltung verboten.
Wir erklärten, dass wir sonst keinerlei Möglichkeiten haben, diese Veranstaltungen durchzuführen, diese außerdem schon längst durchorganisiert und angeworben wurden. Dazu seien wir ein Stück weit Kompromissbereit, um zu erreichen, die Räumlichkeiten des JuHa´s auch für diese Veranstaltungen doch wieder nutzen zu können. Hierbei wurde "ausgehandelt", dass wir uns an die bestehenden Bedingungen halten müssen und auf keinen Fall wieder ein "Vertragsbruch" eintreten darf. Also sollte das Konzert um 23 Uhr vorbei sein und wir sind dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass keine/keiner im Haus raucht, dass außerhalb des Gebäudes kein Alkohol konsumiert wird und dass vor allem kein "Hartalk" auf der Insel ist.
Sofern wir uns an diese Regeln halten, steht dem nichts im Wege, die Konzertveranstaltungen wieder in der Insel statt finden zu lassen. Somit wurden die beiden anstehenden Konzerte für den 10.10. & dem 23.10. im Jugendhaus-Insel wieder erlaubt!
Abschließend wurde uns auch eine Zukünftige Gesprächsbereitschaft & Zusammenarbeit versichert und gleich ein weiterer Termin festgelegt. Am Dienstag, 13.10.2009 treffen wir uns also alle erneut in der Insel um erstenmal ein Resume des Konzerts vom 10.10.2009 zu ziehen und weiter über die bereits angeschnittenen Themen zu sprechen bzw. diese zusammen weiter auszuarbeiten.
Resultat
Im allgemeinen fanden wir das Gespräch extrem notwendig und der bestehende Klärungsbedarf wurde größtenteils befriedigt. Des Ergebnis ging sogar weit über unsere Erwartungen hinaus. Unsere Ziele wurden ein Stück weit erfüllt und wir empfanden das Ganze als sehr zufriedenstellend... Auch wenn wir gewisse Kompromisse eingehen und uns an einige Regeln halten müssen, mit denen wir nicht unbedingt einverstanden sind.
Nun liegt es an uns und vor allem auch an euch allen, etwas zu verändern! Das Potenzial & die Möglichkeiten sind da, also lasst uns diese Gelegenheit nutzen und aus der Insel rausholen, was längst hätte in ihr stecken können! Lasst uns diesem Haus wieder etwas mehr Seele verleihen, alle zusammen!
Der Startschuß wurde gegeben – macht Veranstaltungen, Workshops, Infoveranstaltungen, Volx Küche, Treffen, Thekenschichten, Filmvorführungen, organisiert euch, arbeitet mit und bringt euch aktiv mit euren ganz eigenen Ideen und Vorstellungen ein! Oder schließt euch einfach nur an... Jede/jeder ist herzlich willkommen! Frei von Diskriminierung und Unterdrückung! Toleranz ist gefragt... Also macht mit – werdet selbst ein Teil davon und nehmt eurer Kreativität die Fesseln ab!
Für ein freies, tolerantes & selbstbestimmtes Leben!
Kontakt
Bei Fragen wendet euch einfach per E-Mail an >> gbz( at )xjunkx( . )de
Weitere Infos auf www.gaybar-zine.de
Zeitungsartikel zum JuHa-Insel Gespräch
Im "Schwabo" wurde letzten Freitag ein Artikel über das Gespräch veröffentlicht >> http://www.schwarzwaelder-bote.de/wm?catId=78821&artId=14295514