Die Erfolge rechter Parteien bei den jüngsten Wahlen in Duisburg sind nur die logische Folge einer rassistischen und antiziganistischen Stimmung, welche sich seit Jahren weitgehend ungestört entwickeln konnte. Eine Kritik an Antiziganismus und Rassismus muss gerade da intervenieren, wo eben jene Ideologien weiterhin unwidersprochen verbreitet werden. Ein solcher Ort ist auch der Duisburger Stadtrat bzw. die Duisburger Lokalpolitik insgesamt. Daher demonstrieren am 16.06. antifaschistische und antirassistische Gruppen gegen die konstituierende Sitzung des Rates der Stadt Duisburg.
Duisburger Zustände: “Den Rechtsruck gab es bei der Kommunalwahl nur in Duisburg” (WAZ)
Antiziganismus und Rassismus haben in Deutschland eine lange und mörderische Tradition. Höhepunkt des Antiziganismus war der Versuch der Deutschen zwischen 1940 und 1945 als solche titulierte „Zigeuner" völlig zu vernichten. Dem Porajmos (Romanes: „das Verschlingen“) fielen über 200.000 Menschen zum Opfer. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Antiziganismus folgte nie, vor allem nicht in Städten wie Duisburg. Wie wenig selbst der im Jahr 2000 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerufene „Aufstand der Anständigen“, dem eine nachhaltige Auseinandersetzung mit Neonazis und Rassismus folgen sollte, an Städten wie Duisburg vorbeigegangen ist, verdeutlichen die Ereignisse der Jahre ab 2008. Damals folgte auf den Zuzug von Neubürger*innen aus Bulgarien und Rumänien in den Stadtteil Bruckhausen eine Kampagne von Polizei und Ordnungsbehörden, welche letztlich dazu führte, dass der Großteil der Neubürger*innen den Stadtteil nach wenigen Monaten wieder verließ. Seit 2011 kam es zuerst in Hochfeld und Bergheim, später auch in diversen weiteren Stadtteilen Duisburgs zu massiven Protesten von Seiten der autochthonen Duisburger*innen gegen Neubürger*innen und auch gegen (geplante) Asylbewerber*innenwohnheime. Flankiert wurden die rassistischen Proteste von städtischen Maßnahmen gegen Neubürger*innen und von Ausfällen von Polizeibeamt*innen und Teilen der Duisburger Medien. Höhepunkt der rassistischen Zustände waren Mord- und Anschlagsdrohungen gegen ein von Neubürger*innen bewohntes Haus in Bergheim im Sommer 2013, wo sich über Jahre eine fast pogromartige Stimmung ausgebreitet hatte.
Vor dem Hintergrund einer dermaßen rassistischen Stimmung in der autochthonen Bevölkerung ist es nur logisch, dass auch extrem rechte Parteien und Gruppierungen in Duisburg Zulauf erhielten und Erfolge feiern konnten. So konnte etwa die NPD bei der Bundestagswahl 2013 stadtweit 9.307 (4,17%) der Erststimmen und 6.258 (2,79%) der Zweitstimmen erringen. Im Wahlkreis Duisburg II erreichte die NPD gar mit 4,5% der Erst- und 3,4% der Zweitstimme das mit Abstand beste Ergebnis in den so genannten alten Bundesländern und eine deutliche Steigerung gegenüber 2009. Ermuntert durch derartige Erfolge versuchte die NPD sowie die rechtspopulistische Partei PRO NRW mit von außerhalb kommenden Kadern hektisch in Duisburg lokale Ableger zu gründen bzw. wiederzubeleben – was auch teilweise von Erfolg gekrönt war. So erhielt etwa PRO NRW in Duisburg aus dem Stand bei der Ratswahl knapp viereinhalb Prozent der Stimmen und zieht nun mit vier Mitgliedern in Fraktionsstärke in den Stadtrat ein. In Neumühl wurde PRO NRW mit fast zehn Prozent der Stimmen sogar drittstärkste Kraft. Die neonazistische NPD hat immerhin 2.517 Duisburger*innen für sich gewinnen können, schlitterte nur knapp an einem zweiten Sitz im Rat vorbei und konnte in Duisburg das mit Abstand beste Kommunalwahlergebnis in NRW feiern. Die – zumindest in Teilen – rechtspopulistische Partei AfD konnte immerhin 3,54 % der Stimmen bei der Wahl zum Rat auf sich vereinen und erhält damit 3 Sitze im Rat.
Insgesamt haben rechtspopulistische und neonazistische Gruppierungen bei der Ratswahl fast 10% der Stimmen geholt, bei der zeitgleich stattfindenden Europawahl konnten die drei genannten rechten Parteien zusammen sogar über 11% der Stimmen gewinnen. Vor allem PRO NRWund NPD sind in Duisburg also – entgegen der Bundes- und NRW-Trends – auf dem Vormarsch und werden in den nächsten Jahren ein lokalpolitischer Faktor sein.
Es ist müßig zu erwähnen, dass derartige Wahlergebnisse und die massiv rassistische Stimmung, nicht vom Himmel fallen. Jahrelang haben sich Teile der Medien, der Lokalpolitik und der Polizei an der rassistischen Stimmungsmache beteiligt oder dieser zumindest wenig entgegengesetzt. Ob aus Übereinstimmung mit den Rassist*innen oder aus populistischen Gründen ist kaum zu klären und unterm Strich auch irrelevant. Vor dem genannten Hintergrund ist es ebenso naheliegend, dass auch die Parteien der so genannten politischen Mitte auf einen antiziganistischen Wahlkampf gesetzt haben. Zu nennen wäre hier vor allem ein Wahlplakat der CDU mit dem Slogan „Missstände beenden! Duisburg kann besser“. Unterlegt war dieses Plakat mit dem Bild eines Haufens Müllsäcke vor dem als „Problemhaus“ in den Medien bekannt gewordenen Hauses In den Peschen 3-5 in Rheinhausen-Bergheim. Dass das verwendete Bild veraltet war, hat die CDU allerdings nicht gestört. Die „Message“ dürfte trotzdem rüber gekommen sein: Neubürger*innen sind ein Problem und müssen mit noch härteren Bandagen angefasst werden.
Sehr kritikwürdige Äußerungen von hochrangigen Sozialdemokrat*innen, wie etwa vom Sozialdezerneten Rheinhold Spaniel, fielen ebenfalls in die Wahlkampfzeit. Zudem wurde von OB Sören Link eine Debatte um den Kauf des „Problemhauses“ in Bergheim durch die Stadt kurz vor dem Wahltag öffentlichkeitswirksam forciert.
Weitere Beispiele für gelinde gesagt problematische Aussagen von Lokalpolitiker*innen würden an dieser Stelle den Rahmen sprengen, sind allerdings mühelos und haufenweise in den regionalen Nachrichtenportalen nachzulesen.
Ernüchternd dürfte aber zumindest für die CDU die Tatsache sein, dass mit einem Verlust von 9% im Vergleich zur letzten Wahl ihr populistischer Wahlkampf wenig erfolgreich war. Möglicherweise haben die anvisierten rassistischen Wähler*innen lieber direkt die extrem rechten “Originale” gewählt – nicht zuletzt in ihrer Weltsicht bestätigt durch die erwähnten Plakate.
Festzuhalten bleibt, dass sich der rassistische Konsens in Duisburg verstetigt und dass auch die Parteien der Mitte dazu in nicht unerheblichem Maße beigetragen haben. Kritik am grassierenden Antiziganismus und Rassismus ist in Duisburg – innerhalb und außerhalb des Rates – jedoch kaum zu vernehmen. Kritische Stimmen aus Teilen der sog. Zivilgesellschaft und von linken Gruppierungen sind selten. Die Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen schweigen zu den Ausfällen von hohen Sozialdemokrat*innen, städtischen Beamt*innen und Polizist*innen und tragen die Politik der SPD in der wieder angestrebten rot-rot-grünen Koalition de facto mit.
An Erklärungsansätzen für die rassistischen Stimmungen in Duisburg und speziell für die Wahlerfolge der extrem Rechten Parteien mangelt es in Duisburg nicht. Unter anderem soll die niedrige Wahlbeteiligung für die Erfolge der extrem rechten Parteien in Duisburg verantwortlich sein, wie etwa Politikwissenschaftler*innen von der Universität Duisburg-Essen verkündeten. Warum die NPD aber auch schon bei der Bundestagswahl in Duisburg das beste Ergebnis im Westen eingefahren hat, als die Wahlbeteiligung deutlich höher war, wird durch einen derartigen Ansatz nicht erklärt. Auch erklärt die niedrige Wahlbeteiligung nicht, warum in Duisburg der Landestrend (insgesamt verloren NPDund PRO NRW in NRW stark) in Duisburg umgekehrt war.
Die Duisburger Wahlergebnisse sind nur die logische Folge einer rassistischen und antiziganistischen Stimmung, welche sich seit Jahren weitgehend ungestört entwickeln konnte. Es wäre falsch, eine solche lediglich den Entscheidungsträger*innen aus Politik, Verwaltung, Polizei und Medien anzulasten. Vielmehr sind es doch die bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften insgesamt, welche aus sich heraus Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus immer wieder hervorbringen – zumal in Zeiten realer oder empfundener Krisen. Insofern muss eine Kritik an den genannten Ideologien auch über personalisierende Schuldzuweisungen hinausgehen und die gesellschaftskonstituierenden Verhältnisse in den Blick nehmen. Eine Kritik an Antiziganismus und Rassismus muss gerade da intervenieren, wo eben jene Ideologien weiterhin unwidersprochen verbreitet werden. Ein solcher Ort ist auch der Duisburger Stadtrat bzw. die Duisburger Lokalpolitik insgesamt. Insofern werden wir auch in Zukunft die Lokalpolitik in Duisburg beobachten und den Anteil dieser an der Entstehung und Durchsetzung des rassistischen Konsens öffentlich benennen.
Kundgebung: Rathaus Duisburg (Rathausbogen/Burgplatz)
Montag, 16. Juni | 13.30 Uhr
von studenten für studenten
einigermaßen lustig ist ja, dass der "aufstand der anständigen" WENIG an städten wie duisburg vorbeigegangen sein soll. damit schlagt ihr quasi 2 fliegen mit einer klappe, sagen wir mal ich glaub´s euch dass unglücklich formuliert ist und die gesellschaftskritik die darin aufscheinen kann.
aber wenn ihr jetzt einen aufruf macht wo von "autochthonen" teilen der bevölkerung die rede ist ...
wer soll das lesen? die zugezogenen aus bulgarien und rumänien ? fremdwörterkunde für neu-zugezogene ? die duisburger "autochthonen" etwa ?
nee nee, da hab ich dann aufgehört den text zu lesen, "heimisch", "teile der heimischen bevölkerung", okay ...
damit, mit formulierungen wie "autochthon" in einem solchen aufruf bewerbt ihr euch nur bloß bei der SPD, mehr nicht, das sind die Uni-Eliten ....
mit denen braucht man nicht demonstrieren, die wollen nur bloß selber an die schalthebel der macht, die bessere armuts- und armenverwaltung.