Die bedauerliche jedoch notwendige Absage an die Demo gegen den nationalen Kundgebungstag in Leinefelde

Absage an die Demo gegen den nationalen Kundgebungstag in Leinefelde

Hallo, wir haben lange in unserer Gruppe herumdiskutiert wie es nun weitergehen könnte mit Leinefelde. Dabei haben wir feststellen müssen das die derzeitige Vorbereitung, dinge die gesagt und getan wurden, nicht unseren Grundsätzen entsprechen. Da es warscheinlich auf Grund der Zeit nicht mehr möglich sein wird irgend etwas Inhaltliches zu diskutieren müssen wir daher leider aus dem Vorbereitungskreis austreten. Wir haben für euch ein kleines Statement vorbereitet. Wir bitten darum das nicht als Anfeindung zu verstehen sondern als nötige Kritik.

 

Die Open-Air Rechtsrock-Saison in Thüringen wirft ihre Schatten voraus. Der erste Akt findet mit dem „nationalen Kundgebungstag“ wieder in Leinefelde statt. Trotz der schwierigen Situation vor Ort gibt es (mal mehr, mal weniger) antifaschistischen Protest im Eichsfeld. Neben dem örtlichen Bürgerbündnis gegen Rechts (Parteien, Gewerkschaft, Kirche) formierte sich das antifa/antira/queer-Bündnis noHeimat.


Leider müssen wir uns aus dem Vorbereitungskreis noHeimat zur diesjährigen Gegendemo gegen den Heimattag in Leinefelde zurückziehen. Mit dem Anschluss von noHeimat an die Demo des Eichsfelder Bürgerbündnisses geht gezwungenermaßen unser Austritt einher. Die von uns geplanten Mobi-Veranstaltungen werden wir nicht durchführen. Sollte es im nächsten Jahr einen neuen Versuch geben eine linke Gegendemo auf die Beine zu stellen, wären wir gerne wieder Teil des Bündnisses NoHeimat. Nichts desto trotz wollen wir unsere Beweggründe erläutern, und auf diesem Wege zur Diskussion stellen.

 

Wo ist ein Minimal-Konsens wenn mensch mal einen braucht?


Die Art und Weise wie das Eichsfelder Bürgerbündnis arbeitet, der Umgang mit der Polizei oder die Demo 2013, es gibt nichts was für eine Zusammenarbeit mit diesen Leuten spricht. Oder schlimmer noch, sich mit ihren „Standards“ zufrieden zu geben, und sich auf das „mitmachen“ zu beschränken. Gewisse praktische Mindestanforderungen dürfen einfach nicht fallen gelassen werden, sei es der Umgang mit Internas wie z.B. Protokollen oder der Umgang mit Mitdemonstrierenden. Möglicherweise kann man mit diesen Leuten eine Aufklärungskampagne oder eine Soli-Veranstaltung für die Opfer rechter Gewalt organisieren, aber definitiv keine Demonstration. Da genau dass aber passieren soll, sehen wir uns gezwungen uns aus den diesjährigen Planungen rauszunehmen.

 

„Erfolgreiche“ Symbolpolitik oder radikale Kritik?


Uns geht es nicht um eine dogmatische Absage an Bürgerbündnisse im Allgemeinen oder dem Eichsfelder im Speziellen. Oft genug kommt Mensch auch nicht an denen vorbei. Gerade im ländlichen Bereich ist die Auswahl an Gruppen und Initiativen, die gegen Neonazis vorgehen, eher gering. Und wenn die Aktionsform eine gewisse Anzahl an Teilnehmer_innen voraussetzt um erfolgreich zu sein, geht die „Antifa“ oft genug diese Vernunftehe mit den ungeliebten Bürgerinitiativen ein.

 

Wenn es am 17. Mai darum gehen würde das Nazifest von Thorsten Heise aktiv zu stören, beispielsweise die Anreise zu blockieren, gäbe es wenigstens eine Diskussionsgrundlage. Inhaltliche Abstriche vs. Nazis die Feier vermiesen. Wenn es aber lediglich um eine rein symbolische Gegendemo geht, dann überwiegen unserer Ansicht nach die Gründe die gegen eine gemeinsame Demo sprechen. Queerer Antira/Antifa-Block hin oder her, letztlich werden wir hinter der lokalen Politprominenz herlaufen, und unseren Teil dazu beitragen dass sich die Eichsfelder Zivilgesellschaft in ihrem glorreichen Kampf gegen den „braunen Ungeist“ beweihräuchern kann.


Für eine Aktion, deren einziger Zweck es ist Leinefeldes Image aufzupolieren (bunt, tolerant, weltoffen,…), stehen wir nicht zur Verfügung.

Nun mag sich das anhören wie die Trotz-Reaktion einiger frustrierter Antifas. In Wirklichkeit steht eine recht simple Abwägung dahinter: Die Nazis werden ihr Fest so oder so feiern. Die eigenen Inhalte werden in einer gemeinsamen Demo untergehen. Also kein praktischer Nutzen, keine inhaltliche Vermittlung, da bleibt nur die Gegendemo als Selbstzweck. Und auf dieser Demo müsste zu allem Übel auch permanent mit einer Entsolidarisierung seitens des Bündnisses gerechnet werden und damit die “verheizung” der eigenen Genoss*innen an die Polizei.

 

Während im Aufruf noch die Situation der Geflüchteten im Landkreis thematisiert wird, soll nun Seite an Seite mit den Verwaltern und Entscheidern dieser unmenschlichen Flüchtlingspolitik gemeinsam gegen Neonazis demonstriert werden? Residenzpflicht, Lagerunterbringung, Abschiebungen – da haben NPD und Neonazis nichts mit zu tun. SPD und CDU allerdings schon… Wie kann ein antirassistischer Protest Seite an Seite mit den Leuten auf die Straße getragen werden, an die sich der Protest eigentlich richtet?


Genau vor demselben Dilemma wird sich der Queer-Block wiederfinden. Wie steht die Kirche im Eichsfeld (die ja auch im Bürgerbündnis vertreten ist) zu Lebensentwürfen jenseits von Mann-Frau-Ehering? Klar, so ein Neonazi gibt zu seinen Vorurteilen noch die Gewalt dazu. Aber darf das der Anspruch von Queer-Aktivisten sein? Zusammen mit „Schwulenhassern“ gegen gewalttätige „Schwulenhasser“ auf die Straße?
Wenn es uns schon nicht möglich ist wirksam den Neonazis etwas entgegenzusetzen, gibt es keinen Grund unsere Inhalte wegen der Befindlichkeiten möglicher Bündnispartner hinten anzustellen. Bzw. sie hinter der medienwirksamen Selbstinszenierung irgendwelcher Berufspolitiker untergehen zu lassen.

 

„Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“


Dieser Satz von Horkheimer am Vorabend des zweiten Weltkrieges hat nichts von seiner Gültigkeit verloren. Die Einsicht dahinter: Neonazis purzeln nicht aus dem Nichts auf diese Welt. Vielmehr sind sie ein Symptom dieser Gesellschaftsordnung. Wo es uns möglich ist Neonazis aus dem öffentlichen Raum zu treiben werden wir das tun. Die notwendige Feuerwehrpolitik ohne die Bekämpfung der Brandursache ist uns aber zu doof. Von Bekämpfung der Brandursache kann ja auch bei uns (leider) keine Rede sein, aber sie zu Benennen und zu Kritisieren lassen wir uns nicht nehmen.

 

Wir kritisieren an Neonazis nicht nur ihre Gewalttätigkeit. Wir kritisieren ihr Weltbild, Rassismus, Antisemitismus, „Moralvorstellungen“, den mächtigen, nach innen und außen, gewalttätigen Staat der „rechten Utopie“, usw. Aber all das sind keine exklusiven Ideen und Vorstellungen der Neonazis. Rechtes Gedankengut ist auch nicht in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen, es war schon immer da. Die Neonazis sind nicht die Ursache für den Rassismus der Mitte. Vielmehr bringt eine (notwendigerweise) rassistische Mehrheitsgesellschaft die Neonazis hervor. Der ständige nationale Abwehrkampf („Billig-Konkurrenz“ aus China, „Asylbetrüger“ landauf landab, integrierungsunwillige Jugendliche mittlerweile der dritten Generation, Pleitegriechen die uns das Geld aus der Tasche ziehen) erzeugt ein Gefühl des Wir gegen Die. Neonazis sind eine mögliche Antwort dieser Gesellschaft auf kapitalistische Krisen-Situationen. Es war keine Hand voll gerissener und bösartiger Schurken die 1933 die Deutschen getäuscht und verführt haben. Es waren auch nicht die militanten Neonazis die 1992 den Asylkompromiss auf der Straße erkämpften, es waren auch nicht die ultra-rechten Parteien im Europaparlament nötig um Europa zur Festung auszubauen.

 

Eine bessere Welt kann nicht zusammen mit den Zahnrädchen aus der verwaltenden oder meinungsmachenden Politik erstritten werden. Und da wo es nicht um die Verhinderung des Schlimmeren (Neonazis) geht, da muss es uns um radikale Gesellschaftskritik gehen.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Finde Eure Entscheidung sehr mutig und konsequent!

Leider ist es derzeit bundesweit so, wie es ist Vielfalt-Toleranz-Zivilgesellschaft......

Ich selbst erlebe eine Vielfalt von Aroganz und Ignoranz gegenüber meinem fast 30 jährigen Engagement gegen die Nazis, Tolerierung dessen, was angeblich  "bekämpft" werden soll und unter  Zivilgesellschaft eine Händchenhaltende Kette,  die auch noch fröhlich..............

Aus ähnlichen Gründen habe ich auch bereits zwei sogenannte  "Ehrungen"  zurück gegeben!

Jedes Land hat Probleme ... und es gibt Missstände ..  praktische demokratische Arbeit jedoch steht im Leben.   Utopien, Dogmen, Philosophie und Traumvorstellungen helfen nicht weiter.

 

Eine bessere Welt kann nur mit den Zahnrädchen, der Politik und der Mehrheit der Menschen gemacht werden. Alles Andere ist völliger Quatsch  ... und führt übrigens zu der ohnmächtigen Frustration, die aus jedem Artikel auch auf dieser Seite spricht ..

Die Kritik ist richtig, ausgewogen formuliert und die Konsequenz ist einsichtig und richtig.

Allein die Praxis an diesem Datum kann nicht im Nichtstuen liegen.

Sowie sollte die Perspektive im Aufbau eigener solidarischer, unabhägiger Strukturen liegen.

Aber das schließt dieser Text ja nicht aus. Also volle Zustimmung.

 

Zu dem Kommentar darüber. Mit den Zahnrädern der Macht sich drehen ist und bleibt ein Teil der Maschine zu sein.

Der Wohlfühl-Antifaschismus der Zivilgesellschaft steht auf Sand.

Wann hat bitte die "Die Linke- Eichsfeld" (auch im Bündnis gegen Rechts!!!!), mit Ausnahme von Solid welche hier vorbildlich sind, einmal zum Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik öffentlich Stellung bezogen? Zumal es genug Alt-Genossen in dieser Partei gibt, welche unter dem Deckmantel des Antimperialismus immer noch antisemitische Ressentiments pflegen! Also zitiere ich euren Beitrag mal: "Wie kann also ein antirassistischer Protest Seite an Seite mit Leuten auf die Straße getragen werden, an die sich der Protest eigentlich richtet?"

 

PS: Übrigens, wie will sich die Antifa Gotha aus einer Organisation zurück ziehen an der sie nie beteilgt war? :D