[SH] Antifaschistischer Jahresrückblick

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Am Ende des Jahres 2013 kann aus antifaschistischer Perspektive resümiert werden: Es wird eng für die schleswig-holsteinische Naziszene. Ihre Aktionsspielräume werden kontinuierlich geringer, was neben der polizeilichen Repression vor allem am antifaschistischen Gegendwind liegt.


Die NPD-Strukturen, allen voran der aktivste Kreisverband Segeberg-Neumünster, waren Ziel der Kampagne "DIY - In die antifaschistische Offensive gehen". Nachdem dessen "Top 11" der Öffentlichkeit vorgestellt und darüber hinaus einige Autos und Hausfassaden kreativ umgestaltet worden waren, zogen sich etwa die Aktivposten Arne Voss oder Mike Denz zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück, andere Nazis, die bis dato wichtige Funktionen innehatten (wie etwa Katharina Schubert, die als Kassenwartin auftrat), verließen sogar die Partei.
Während im Vorjahr dutzende Infotische von Nordhorn und Co. unbehelligt geblieben waren, schirmten 2013 Antifaschist_Innen oftmals die Kundgebungen der Partei ab und sorgten dafür, dass ihre Hetzreden kaum zu hören waren und extrem rechte Flyer in den Müll wanderten. Das gilt für die NPD, die in Neumünster im Februar auf dem Kantplatz und im Mai auf dem Kleinflecken genau so scheiterte wie im August in Kiel, aber auch die islamfeindliche German Defence League, die im März in Hamburg erfolglos blieb. Aber nicht nur öffentliche, auch szeneinterne Veranstaltungen fielen ins Wasser: In Pinneberg störten Antifaschist_Innen im März den NPD-Stammtisch, vor allem durch eine Demonstration im April griff die Presse die extrem rechten Treffen im "Rondo" auf und erhöhte den Druck auf Stawitz und seine Kamerad_Innen. Als in Neumünster im November der geheime Vorabtreffpunkt des "Heldengedenkens" aufgeflogen war, erschienen mit fotografierenden Antifas denkbar ungebetene Gäste. Aber auch in anderen Kreisverbänden läuft es nicht rund: In Lübeck gab es das erste Mal seit sieben Jahren keinen "Trauermarsch", dieser wurde wegen zuletzt sinkender Teilnehmer_Innenzahlen einfach abgesagt.

Gerade wegen dieser Rückschläge setzte die Partei große Hoffnungen auf die Kommunalwahlen im April und die Bundestagswahlen im September 2013. Der NPD fehlten allerdings angesichts der sinkenden Motivation ihrer Mitglieder die Ressourcen, um ihre Wahllisten mit eigenen Leuten zu besetzen. Während im Kreis Herzogtum Lauenburg der bisherige NPD-Funktionsträger Kay Oelke sogar aus der Partei austrat und mit einer eigenen Liste antrat, konnte in Kiel und in Neumünster, wo Leute von "Bollstein Kiel" bzw. Personen aus dem familiären und beruflichen Umfeld von Spitzenkandidat Mark Michael Proch aufgestellt wurden, zumindest Schadensbegrenzung betrieben werden. Vor allem der Einzug von Proch in die Neumünsteraner Ratsversammlung, der größtenteils auf die sinkende Wahlbeteiligung und den Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde zurückzuführen ist, wurde als Erfolg gefeiert, für seine Arbeit erntete Proch bisher aber nur Hohn und Spott. Seine Anfrage zum Thema "Fördergelder für Linksextremisten", für die Landespressesprecher Jörn Lemke extra eine Seite in der Parteizeitung "Schleswig-Holstein-Stimme" reserviert hatte, wurde im Rat gar nicht erst verhandelt. Um herauszufinden, wer dem "Runden Tisch" der Stadt an der Schwale angehört, hätte er zudem gar keine Anfrage stellen, sondern einfach nur einen Blick auf dessen Homepage werfen müssen.

In vielen Regionen hat sich die extrem rechte Szene wegen der Schwäche und Zerstrittenheit der NPD von der Partei abgewandt, viele Nazis sind stattdessen ins Rocker-Milieu abgewandert. Oft finanzieren aber dubiose Geschäftsleute auch neonazistische Aktivitäten mit ihren Profiten, weshalb es sich die Kampagne "An die Substanz" zum Ziel gesetzt hat, diese Strukturen offen zu legen. In Kiel führten verschiedene Aktionen dazu, dass sowohl der NDR als auch die Kieler Nachrichten über die rechten Verstrickungen des Heilcentrum Pless und von "PLS-Werkzeuge" berichteten - wie hoch der öffentliche Druck z.B. auf Pless inzwischen ist, zeigt die Tatsache, dass der Nazi-Heilpratiker schon die Polizei dazu anstiftet, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. In Neumünster sind insbesondere die Titanic-Betreiber_Innen Horst und Pascal Micheel genervt von der negativen Öffentlichkeit: Nachdem Horsts NPD-Aktivitäten im Rahmen der DIY-Kampagne aufgegriffen und Pascals Umtriebe von Nazi-Watch-SH vorgestellt wurden, brachte "An die Substanz" zudem ein umfangreiches Porträt der Kneipe heraus. Die Micheels, die einerseits Stress mit den Parteikameraden haben, leiden nun auch noch unter Konzertabsagen usw. Mehr als unglaubwürdige Lippenbekentnisse, mit denen sie sich einmal mehr als "unpolitisch" ausgeben wollen, haben sie bisher aber nicht zu Stande gebracht.

Die Nazis machten ihrer Frustration auch 2013 wieder durch Hetze und Gewalt Luft. Im Wahlkampf setzten sie neben Europafeindlichkeit vor allem auf blanken Rassismus, die Anschläge auf die Geschäftsstelle der Grünen in Pinneberg (05.07.13), auf die Jüdische Gemeinde in der gleichen Stadt (09.11.2013) und auf den jüdischen Friedhof in Neustadt i.H. (02.05.13) belegen genau wie der Angriff auf Antifa-Fotograf_Innen beim "Heldengedenken" in Neumünster (17.11.2013), dass ihre gewaltverherrlichenden und menschenfeindlichen Ideen nicht nur Theorie sind. Linke Strukturen werden aber ebenso von staatlicher Seite angegriffen, die polizeiliche Repression richtete in diesem Jahr neben antirassistischen Demonstrationen vor allem gegen vermutete Recherche-Aktivist_Innen. Erschien im April in der taz noch ein Artikel, in dem vom Image-Wechsel der Recherche-Arbeit, die im Zuge der NSU-Aufklärung an öffentlichem Ansehen gewonnen hätte, die Rede war, hetzte der Verfassungsschutz in seinem diesjährigen Bericht gerade gegen diese Strukturen. Trotz der Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuche gab es 2013 auf indymedia linksunten eine Reihe von Outings sowie einen antifaschistischen Adventskalender, die die extrem rechten Akteur_Innen aus der Anonymität rissen, zudem erschien die "antifascist watch-group" La Quimera auf der Bildfläche, die gut recherchierte Hintergrundartikel veröffentlichte.


Insgesamt haben die verschiedenen Kampagnen und vielfältigen Aktionen zur Schwächung extrem rechter Strukturen beigetragen, aber in Hinblick auf die antifaschistische Vernetzung gilt: "Da geht noch mehr...", insbesondere was die Verwobenheit der unterschiedlichen Unterdrückungsmechanismen wie Rassismus und Sexismus angeht, die nicht aus den Augen verloren werden darf. Eines noch: Angesichts der aktuellen Repression macht es mehr denn je Sinn, sich in der Roten Hilfe oder im Anarchist Black Cross zu organisieren.

 

Auf ein erfolgreiches Jahr 2014!

 

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