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Interview: „Wir wollen die Rolle der Deutschen Post als Militärlogistiker skandalisieren“
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Fragen an die Kampagne gegen Deutsche Post/DHL In Zeitungsnotizen ist das ein oder andere Mal von Brandanschlägen auf Fahrzeuge der Deutschen Post zu lesen. Die zitierte Polizei vermutet Linksextremisten als Täter. In einschlägigen Online-Postillen dieser Spezies können wir dann erfahren, dass diese Anschläge offensichtlich nicht zufällig geschehen, sondern Teil einer Kampagne sind, mit denen die Verwicklung des Logistikkonzerns in die deutsche Kriegswirtschaft angeprangert wird. Diese Kampagne entstand im Rahmen der Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel 2009 in Strasbourg/Baden-Baden und sie umfasst durchaus auch andere Aktivitäten als nur Brandanschläge. Um mehr darüber zu erfahren, fragten wir einen Aktivisten der Kampagne.
Frage: Seit Herbst 2008 gibt es eine Kampagne gegen den Logistikkonzern „Deutsche Post DHL“. Zahlreiche Aktivitäten wurden bisher von Friedens- und antimilitaristischen Gruppen durchgeführt. Warum?
Antwort: DHL und Deutsche Post AG sind seit 2003 für das US-Militär im Irak und auch für die Bundeswehr in Afghanistan unterwegs. Sie transportieren Material, das für die imperialistische Kriegsführung notwendig ist, von Feldpost bis zu mörderischen Rüstungsgütern. Darüber hinaus bewirbt sich DHL um einen Milliardenauftrag der Bundeswehr, die große Teile ihrer Basislogistik an ein ziviles Unternehmen abtreten wird.
Die Kampagne soll diese Rolle des multinationalen Konzerns als Kriegslogistiker skandalisieren. Gleichzeitig wird die zunehmende Militarisierung des Zivilen thematisiert und kritisiert. Die Kampagne hat als einen Ausgangspunkt die Erkenntnis, dass militärisch durchgesetzte weltweite Interessen keine Außenpolitik sind. Krieg hinterlässt nicht nur Spuren in der Gesellschaft, von der er ausgeht, sondern setzt auch die Zurichtung der so genannten zivilen Gesellschaft auf die militärischen Erfordernisse voraus. Die zivil-militärische Zusammenarbeit und Verquickung folgt dabei nicht nur ökonomischen Interessen, z.B. eben von der Deutschen Post mit der Militärlogistik große Gewinne einzufahren. Sie ist auch strategisch bestimmt.
Wie läuft die Kampagne?
Es gibt inzwischen zahlreiche Materialien: Informationspapiere, Faltblätter, Zeitungen, Aufkleber, Plakate. Sie wurden unter anderem während zweier bundesweiter Aktionstage in und vor Postfilialen verteilt und plakatiert. Einige davon sind ja auf der Homepage http://dhl.blogsport.de dokumentiert. Ziel der Kampagne ist der vollständige Ausstieg der Logistikunternehmen aus dem Geschäft mit dem Krieg.
Die Kampagne war ein Teil der Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg. In der öffentlichen Berichterstattung über sämtliche Aktivitäten gegen DHL – von Kundgebungen vor Postfilialen bis zu klandestinen Aktionen der Kommunikationsguerilla und autonomer Gruppen – wurde immer auch der Grund für die Kampagne erwähnt. So gelingt es mehr und mehr, die Reputation, also den guten Ruf des Großkonzerns in den Dreck zu ziehen. Die Kampagne gegen Post und DHL ist aber noch lange nicht ausgereizt. Von der Ideenvielfalt anderer Initiativen, wie die deportation.class-Kampagne gegen Lufthansa, kann man sich noch viele Anregung stibitzen.
Wie die deportation.class-Kampagne geht es natürlich zu allererst darum, das Image der Post zu beschädigen mit dem Ziel, dem Konzern den Ausstieg aus dem Militärgeschäft nahezulegen. Da aber allen durchaus bewusst ist, dass diese Einbindung in die militärische Infrastruktur strategische Bedeutung hat, entfalten sich in der Kampagne natürlich auch offensivere Formen des Protestes.
Das klingt so, als ob die Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel nur eine erste Etappe der Kampagne war.
Natürlich. In Strasbourg hat sich die NATO nicht aufgelöst, im Gegenteil. Sie verstärkt ihre Truppen in Afghanistan. Kriege werden sich verschärfen und damit auch der Transport von Rüstungsgütern in alle Welt. Das Kriegslogistik-Geschäft wird expandieren und ist damit sehr lukrativ für Konzerne. Und wenn sich Unternehmen – egal wie sie heißen – unmittelbar an Kriegen beteiligen, bietet das Anknüpfungs- und Angriffspunkte für den politischen Widerstand. Jetzt und in Zukunft.
In den Diskussionen, aus denen die Kampagne entwickelt wurde, war ein zentraler Punkt auch die Auseinandersetzung mit dem Eventcharakter solcher Mobilisierungen wie gegen den NATO-Gipfel. Die Initiative gegen DHL sollte eine Möglichkeit der antimilitaristischen Intervention aufzeigen, die über den Gipfel hinaus weist. Die militaristische Strukturierung und Ausrichtung geht in den Alltag, ist Normalität und muss auch dort immer wieder sichtbar gemacht und angegriffen werden.
Dazu kann es hilfreich sein lokale bzw. regionale antimilitaristische Aktionskomitees zu schaffen, wozu einige Gruppen aus der Interventionistischen Linken aufriefen. Denn eine weitere Absicht ist natürlich auch, die Notwendigkeit antimilitaristischer Praxis in der radikalen Linken präsent zu machen. Aus unserer Sicht ist es kein beliebiges Thema, sondern berührt einen Kernbereich emanzipatorischer Politik.
Die Monate bis zum NATO-Gipfel im April kennzeichnen eine Phase, aber die erste Etappe dieser Kampagne ist natürlich noch nicht durch: die Kampagne in der allgemeinen Linken bekannt zu machen und dass sie breit aufgegriffen wird. Aus unserer Sicht muss sich noch mehr Kontinuität in der Vielfalt des Protestes und Widerstands entwickeln. Natürlich auch in der Verschränkung mit anderen Initiativen wie „Bundeswehr wegtreten“, gegen den „Celler Trialog“ und „Bundeswehr raus aus Afghanistan“.
Nach unserem Eindruck haben linke AktivistInnen im vergangenen Jahr stärker als in den Jahren zuvor eine antimilitaristische Praxis entfaltet. Deckt sich das mit deiner Einschätzung?
Das sehe ich auch so und ich denke, dass über Friedens- und Antikriegsgruppen hinaus die Ignoranz gegenüber dieser zentralen Frage bröckelt. Das ist gut so. Antikapitalistische, gar revolutionäre Politik kann nicht ernsthaft diesen Aspekt von Herrschaftspolitik außen vor lassen. Das betrifft auch die Fragen von Folter oder Lagerhaft, denen sich natürlich die Linke praktisch stellen muss, weil diese Politik die Gesellschaft autoritär strukturiert.
Nach einem Brandanschlag auf ein DHL-Fahrzeug hieß es plötzlich, Linke würden private Kuriere angreifen und in ihrer Existenz schädigen, weil es um ein privates Fahrzeug im DHL-Design handelte. War das der Kampagne abträglich?
Ob es abträglich war, kann ich nicht beurteilen. Sicher, es hat Irritationen ausgelöst, insofern plötzlich nicht von einem Konzern als Opfer die Rede war. Denn DHL hat Teile seiner Paketauslieferung privatisiert und zum Teil bisherige PaketzustellerInnen in die Subunternehmerschaft gezwungen. Einige der im Straßenbild sichtbaren gelben Fahrzeuge gehören offenbar nicht dem Konzern, sondern Privatpersonen.
In Österreich – und in Deutschland sind die Zahlen vermutlich ähnlich – werden bei DHL etwa die Hälfte aller Fahrten an Subunternehmen ausgelagert. Die Tendenz ist steigend. DHL-Subunternehmen sind Kleinunternehmen mit bis zu drei Fahrzeugen, häufig nur eins.
Das ganze ist so eine Art Franchising, das wir von McDonalds oder den ganzen Bäckereiketten kennen, bei denen die Beschäftigten teils 4 Euro Stundenlohn erhalten. Die Subunternehmer transportieren im Namen von DHL, aber auf eigene Rechnung. Der Konzern spart damit eine Menge Kosten ein, kann Probleme bei der Zustellung auf den Subunternehmer abwälzen und muss sich weniger mit organisierten GewerkschafterInnen rumschlagen. Der Konzern DHL ist und bleibt deswegen ein richtiges Angriffsziel. Die kleinen Subunternehmen wiederum haben keinen Betriebsrat und können viel besser die Löhne ihrer zwei bis drei Fahrer drücken. Lohnarbeit und Ausbeutung gibt es dort also mindestens genauso.
Die Einkommen der Ein-Personen-Subunternehmer sind kaum höher als der Hartz-IV-Satz. Ist so einer nicht eher Opfer seiner eigenen politisch blinden Arbeitsethik, als Opfer eines Brandanschlags?
Man muss sich diesen Hintergrund bewusst machen und entsprechend bewusst handeln. Auf ihren Fahrzeugen ist vermerkt, falls sie „Im Auftrag der Deutschen Post/DHL“ unterwegs sind. Die in den letzten Monaten angezündeten Fahrzeuge auf den DHL-Fuhrparks in Hamburg, Karlsruhe und Berlin haben mit Sicherheit keinen Subunternehmer getroffen.
Ich finde es richtig diesen Zusammenhang von militärischem Engagement der Post und der Privatisierung herzustellen. Denn die Methoden, wie sich dieser Konzern fit macht, um weltgrößtes Logistikunternehmen zu werden, qualifizieren ihn zum Transportunternehmen der Bundeswehr. So fand ich es auch ausgesprochen gut, dass in einer „Kundeninformation“ zum Auslegen in und Verteilen vor Postfilialen der Zusammenhang mit der zunehmenden Schließung von Postfilialen und den Arbeitsbedingungen bei der Post hergestellt wurde.
Die Kampagne jedenfalls geht weiter mit vielfältigen und schönen Aktionen. |