Ist der Bombenbauer aus Weil am Rhein anzuklagen?

Erstveröffentlicht: 
29.04.2011

Kann es sein, dass ein Neonazi mehr als 22 Kilogramm Zutaten für die Herstellung von Sprengstoff hortet und dann nicht bestraft wird? Darüber muss auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Lörrach das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entscheiden.

FREIBURG Thomas B. aus Weil am Rhein hatte Chemikalien, Zündschnüre, Bauteile für Fernzünder sowie Sprengstoff-Fachliteratur angeschafft. Es sei die größte derartige Menge an Bomben-Grundstoff, die je bei einem Neonazi gefunden wurde, sagten die Ermittler bei seiner Verhaftung im August 2009. Binnen Stunden hätte B. eine gefährliche Rohrbombe bauen können. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens.

Doch Anfang April wies das Landgericht Freiburg den zentralen Punkt der Anklage zurück. Die Vorbereitung eines Anschlags sei nicht weit genug fortgeschritten, es fehle ein konkretes Ziel. Ein Prozess sei daher nur wegen anderer Delikte wie Verletzung des Waffenrechts möglich. Die Richter beriefen sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Damals ging es um einen maoistischen Türken, der Sprengstoff für Gesinnungsgenossen aufbewahrt hatte. Der BGH entschied, dies sei noch kein Vorbereiten eines Sprengstoffverbrechens. Die geplante Tat müsse bereits "hinsichtlich des Angriffsziels und des Zeitpunkts" in ihren wesentlichen Umrissen feststehen.

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Gegen die Freiburger Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. "Die BGH-Entscheidung stammt ja schon von 1977. Nach so langer Zeit sollte man das mal überprüfen", sagte Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer zur BZ. Nach Ansicht der Staatsanwälte sollte die Bombe gegen politische Gegner eingesetzt werden, insbesondere gegen die der linken Szene zugerechneten Freiburger Antifa-Gruppe. Jetzt muss das OLG entscheiden. Die Antifa, die den Fall ins Rollen gebracht hat, verweist auf von ihr abgefangene E-Mails. So schrieb Thomas B. im April 2008 an den örtlichen NPD-Chef: "Ich hätte gerne die Namen und Adressen von wichtigen politischen Gegnern." Als der NPD-Mann ihn aufforderte, das linke Freiburger Zentrum KTS auszuspionieren, war B. dazu bereit. Parallel dazu kaufte er Chemikalien wie Wasserstoffperoxid und Nitromethan.

Eigentlich ist seit 2009 die Beschaffung von Komponenten zur Herstellung von Sprengstoff strafbar, aber nur, wenn sie zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dient. Die Staatsanwaltschaft wollte diesen Paragraphen hier nicht anwenden; ein Angriff auf die Antifa sei nicht staatsgefährdend, hieß es auf Nachfrage. Das kann man auch anders sehen. Denn die neue Vorschrift entstand in einer Zeit, in der Terroristen Hochhäuser, U-Bahnen und Vorortzüge angriffen, um Angst zu verbreiten. So gesehen dürfte auch ein Attentat auf die linke Szene die "Innere Sicherheit" erschüttern.