Halle (Saale) - Die rechten Bauleute kamen im Morgengrauen. Mit Ziegelsteinen und Bauschaum mauerten sie den Eingang zur Geschäftsstelle des Migranten-Netzwerks Lamsa in Halle zu, zwei Tage vor der Landtagswahl vor einem Jahr. Eine Probewahl, die Migranten das deutsche Wahlsystem näher bringen sollte, musste ausfallen.
Später bekannte sich eine Gruppierung der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ im Internet zu der Aktion. Nun wurde bekannt: Für die Täter wird der nächtliche Mauerbau keine Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft Halle hat das Ermittlungsverfahren wegen Nötigung eingestellt.
Angriff auf Probewahllokal - Verfahren gegen rechte Mauerbauer in Halle (Saale) eingestellt
„Für uns ist das sehr enttäuschend“, sagt Lamsa-Geschäftsführer Mamad Mohamad. „Die Staatsanwaltschaft hat uns mitgeteilt, dass man keinen Täter ermitteln konnte.“ Das war schon im Juni, drei Monate nach der Aktion. Ein Sprecher der Behörde bestätigte das am Donnerstag.
Demnach nahm die Staatsanwaltschaft das Bekennerschreiben im Netz zwar zur Kenntnis - verzichtete aber darauf, Akteure aus der Identitären-Gruppierung zu befragen. Lediglich eine Person wurde kurz nach der Aktion von der Polizei verhört. Trotz Spurenauswertungen und Zeugenbefragungen sei es nicht möglich gewesen, einzelnen Personen die Tat nachzuweisen, so der Sprecher. „Es gab keine Beweise, mit denen man jemanden hätte konfrontieren können.“
„Kontrakultur“ hatte Fotos von dem Mauerbau ins Internet gestellt
Henriette Quade findet das befremdlich. „Die Entscheidung ist schwer nachvollziehbar, gerade weil es das Bekenntnis im Netz gibt und weil bekannt ist, wer zu der Gruppe gehört“, sagt die hallesche Landtagsabgeordnete der Linken. Die zu den Identitären gehörende Gruppierung „Kontrakultur“ hatte Fotos von dem Mauerbau ins Internet gestellt und erklärt, es handele sich um einen „Protest gegen den Austausch des deutschen Volkes gegen illegale Einwanderer“.
Identitäre wollten Migranten in Halle einschüchtern.
Für Quade steht fest: Mit ihrer Aktion wollten die Identitären Migranten einschüchtern. „Die Botschaft war klar: Wir wissen, wo ihr seid. Wir wollen euch hier nicht haben.“ Umso wichtiger wäre es, so Quade, „solche Taten mit aller Konsequenz zu verfolgen“. Doch das passiert aus Sicht der Linken-Politikerin zu selten. Das Mauerbau-Verfahren sei kein Einzelfall, sagt sie, „es kommt immer wieder vor, dass in rechtsextremen Fällen Ermittlungen eingestellt werden“.
Oder Verfahren immer länger dauern, wie Antje Arndt von der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt in Halle beklagt: „Es dauert oft sehr lange, bis überhaupt Vernehmungen stattfinden. Das sehen wir als großes Problem.“
Zu den Gründen sagt sie: „Was wir hören ist, dass sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft nicht genügend Personal haben.“ Erst in der vergangenen Woche hatte die Generalstaatsanwaltschaft geklagt, immer weniger Ermittler müssten immer mehr Verfahren bearbeiten.
Lamsa-Netzwerk: „Viele Migranten sind verunsichert.“
Das Lamsa-Netzwerk, in dem Migranten-Organisationen zusammenarbeiten, beschäftigt die Mauerbau-Aktion noch heute. „Viele Migranten sind verunsichert“, sagt Geschäftsführer Mohamad, „sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.“ Als Konsequenz hat Lamsa mittlerweile zwei Beratungsstellen zum Thema Alltagsrassismus in Halle und Magdeburg eröffnet. Veranstaltungen werden nun mit der Polizei abgesprochen. „Das gab es vorher nicht“, sagt Mohamad, „das hat unsere Arbeit sehr verändert.“ (mz)