„Corelli“ und die Polizisten

Mitglied des Ku-Klux-Klans in den USA.
Erstveröffentlicht: 
19.10.2015

V-Mann Thomas Richter enthüllt dem Verfassungsschutz, es habe weitere Polizisten gegeben, die sich für rassistische Umtriebe Interessierten. Der Geheimdienst enthält dem Untersuchungsausschuss Akten dazu vor. Die, argumentieren die Agenten, hätten nichts mit dem Auftrag der Parlamentarier zu tun.

 

Stuttgart - Offenbar haben sich mehr Polizisten als bislang bekannt für eine Mitgliedschaft im rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan (KKK) interessiert. Das zumindest geht aus Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) hervor, die unserer Zeitung vorliegen. Aus denen ergeben sich Hinweise des V-Mannes „Corelli“ an seinen Führungsoffizier im deutschen Inlandsgeheimdienst auf einen Polizeibeamten mit dem Vornamen „Frank“. Dessen Nachnamen sowie Funktion allerdings, konnte der spitzelnde Neonazi Thomas Richter seinem sogenannten V-Mann-Führer nicht nennen. Auch die Nachforschungen der baden-württembergischen Polizei führten bislang augenscheinlich zu keinem Erfolg.

 

Des Weiteren erwähnt der im vergangenen Jahr an einer bis dahin unerkannten Diabetes verstorbene Informant eine Stuttgarter Drogenfahnderin mit Vornamen „Katrin“. Die Polizistin habe mindestens an einem Treffen der Schwäbisch Haller Kapuzentruppe teilgenommen. Sie habe eine „klare Abneigung gegen Schwarze“ gehabt. Richters Information wurde durch den Sicherheitschef des KKK, Steffen B., bestätigt. Die genaue Identität dieser Beamtin wurde bislang nicht ermittelt.

 

Fraglich ist, ob es sich bei der Frau um die Polizistin Katrin F. handelt, die bereits durch den NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages vernommen wurde. F. hatte allerdings bei ihrer Befragung ausgesagt, sie sei weder bei der Drogenfahndung eingesetzt worden, noch sei sie rassistisch. Vielmehr habe sie zusammen mit einem Kollegen, dem Bruder Steffen B.s, und ihrem damaligen Ehemann den Klanchef Achim Schmid in dessen Haus besucht. Ihr Mann interessierte sich dabei für eine Mitgliedschaft bei den Vermummten.

 

Mindestens sieben Akten vorenthalten

 

Bei denen stülpte auch ein Vorgesetzter der im April 2007 in Heilbronn erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter den weißen Spitzhut über. Schmid hatte mehrfach in Interviews gesagt, seiner Erinnerung nach hätte es „zehn bis 20 Polizisten gegeben, die sich vom Hörensagen für den Klan interessierten“. Schmids Äußerungen waren bislang immer als Prahlerei abgetan worden – auch weil ihm seine früheren Kumpanen in ihren Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss widersprachen.

 

Thomas Richter galt den Geheimen als „Topquelle“ in der Neonazi-Szene. Um ihn zu schützen, gründeten Verfassungsschützer des Bundes und des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2002 eine gemeinsame Arbeitsgruppe. Auch das geht aus Unterlagen hervor, die unserer Zeitung vorliegen. Sie spürte besonders einem Maulwurf in den Reihen der Südwest-Nachrichtendienstler nach, der Informationen über eine Telefonüberwachung Schmids an den Ku-Kluxer weitergab.

 

Mindestens sieben Akten zu den Kapuzenmännern enthielt Baden-Württembergs Verfassungsschutz den Landtagsaufklärern vor. Aus ihnen geht hervor, dass der Geheimdienst bereits 1994 – also sehr viel früher als bislang eingeräumt - Hinweise auf eine KKK-Gruppe im Land hatte. Das Amt teilte in einem Schreiben an den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) mit, die „Dokumente beinhalten zunächst keine Hinweise, die auf eine Beteiligung des EWK KKK an Straftaten des NSU hindeuten“.

 

Innenminister wies Vorwürfe bisher zurück

 

Der Innenminister Reinhold Gall (SPD) wies bisher Vorwürfe scharf zurück, sein Haus habe dem Untersuchungsausschuss des Bundestages Akten nur unvollständig aushändigt. In ihrem Brief verweisen die Verfassungsschützer jetzt zudem darauf, dass „die Aktenstücke nicht Bestandteil der Aktenzulieferung des LfV an den Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages“ waren.

 

Verwunderlich ist, dass sich beispielsweise zwar in den Akten aus Rheinland-Pfalz und Bayern Hinweise auf den Göppinger Neonazi und mutmaßlichen Waffenbeschaffer Alexander Larass befinden. Aus denen geht hervor, dass an einer Konferenz in Mainz Anfang der 2000er Jahre auch Beamte aus Südwest-Sicherheitsbehörden teilnahmen. Aus Baden-Württemberg wurde jedoch kein einziges Dokument dazu an die Untersuchungsausschüsse geliefert.