Nach dem Brandanschlag in Salzhemmendorf - Rechts - und fest ins Dorf integriert?

Mitten in Salzhemmendorf
Erstveröffentlicht: 
30.08.2015

Die mutmaßlichen Brandstifter haben offenbar einen Hang nach rechts – und waren Teil der Dorfgemeinschaft von Salzhemmendorf. Einer der drei Verdächtigen war sogar Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und half beim Löschen des Brandes, den er nach bisherigen Erkenntnissen selbst gelegt hatte.

 

Hameln. Die Hakenkreuze an der Bushaltestelle unweit der Flüchtlingsunterkunft waren schon vor Längerem aufgetaucht. Hätte das ein Warnhinweis sein können, dass es Menschen mit rechtsextremem Gedankengut in Salzhemmendorf gibt, von denen Gefahr für die Asylbewerber ausgehen könnte? „Man muss zunächst einmal definieren, was man unter einer rechten Szene versteht“, relativierte am Sonntag Salzhemmendorf Bürgermeister Clemens Pommerening seine Aussage von Freitag.

 

Da war er noch vor die Presse getreten und hatte bekräftigt, dass in seiner Gemeinde eine Willkommenskultur herrsche und man eine solche Tat nie für möglich gehalten hätte. Ein Brandanschlag auf eine Asylunterkunft mitten im idyllischen Landkreis Hameln-Pyrmont. Auch die Polizei hatte Freitag noch versichert, dass es weder in Salzhemmendorf noch dem gesamten Landkreis eine rechtsextreme Szene gebe. „Wir werden dazu heute keine Angaben machen“, hieß es am Sonntag nun.

 

Mutmaßliche Täter waren gut vernetzt in Salzhemmendorf

 

Doch langsam wird das Bild klarer: Die mutmaßlichen Täter waren gut vernetzt in der Gegend, Teil der Gemeinschaft. Einer der drei Verdächtigen, die mittlerweile in Untersuchungshaft sitzen, war Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Gemeinsam mit seinen Kameraden rückte er sogar aus, um den Brand in dem ehemaligen Schulgebäude zu löschen, den er kurz zuvor offenbar selbst gelegt hatte. Wie durch ein Wunder kam keiner der Bewohner zu Schaden. Dennoch will Ortsbrandmeister Thomas Hölscher ungern über den Vorfall sprechen. Ein Feuerwehrmann, der erst akut Menschenleben gefährdet – und dann zu Hilfe eilt. Es ist wohl schwer vorstellbar.

 

Für Salzhemmendorf ist der Spuk noch nicht vorbei. Die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ hat angekündigt, Informationsmaterial im Ort zu verteilen, um die verunsicherten Anwohner vor der „Propagandamaschinerie der Volksvernichter in Politik und Medien“ zu schützen. Ende 2014 war der Stützpunkt Hermannsland gegründet worden, an dem sich laut Verfassungsschutz „niedersächsische Neonazis aus der Region Schaumburg/Hameln orientieren“. Mindestens einer der Aktivisten wohnt in Salzhemmendorf.

 

Sie machen keinen Hehl aus ihrer rechten Einstellung

 

Und er scheint kein Einzelfall zu sein. Ein Blick auf das Profil von Sascha D. beim sozialen Netzwerk Facebook verrät, dass der 30-Jährige, der wegen des Verdachts des versuchten Mordes nun in Untersuchungshaft sitzt, keinen Hehl aus seiner rechten Einstellung macht. Unter anderem zeigt der Freiwillige Feuerwehrmann und Familienvater dort seine Vorliebe für Rechtsrockbands wie Kraftschlag oder Kategorie C. Diese teilt er mit dem zweiten Verdächtigen aus Salzhemmendorf, Dennis L., der nach Informationen der Polizei bereits wegen politisch motivierter Taten, Körperverletzung und Sachbeschädigung auffiel. Gegen seine 23 Jahre alte Freundin aus Springe liegen bisher offenbar keine Anzeigen vor.

 

„Natürlich gibt es auch bei uns – genau wie in jedem anderen Ort – Menschen, die rechtem Gedankengut anhängen“, sagte Bürgermeister Pommerening. „Wir haben aber keine rechten Gruppierungen hier, die Aktionen organisieren, um ihre Meinung zu verbreiten.“ Vielleicht gibt es diese auch nicht, weil einige der Rechtsextremen offenbar bereits vorhandene Strukturen nutzten, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen. Nicht nur Sascha D. engagiert sich in der Feuerwehr und hat Verbindungen zu anderen offensichtlich der rechtsextremen Szene zugehörigen Personen.

 

„Vereine haben Integrationsaufgabe“

 

Auch der Jugendwart der Ortsfeuerwehr steht allem Anschein nach auf rechtsextreme Rockmusik und ist über Facebook mit dem Neonazi Andre K. befreundet. Ebendieser hatte am Freitag versucht, die Kundgebung von rund 2000 Menschen unter dem Motto „Gute Nachbarschaft“ zu stören, zu der der Landkreis aufgerufen hatte. Den Angriff auf Teilnehmer der Demo wertete die Polizei jedoch als „Provokation einer offenbar rechtsmotivierten Person“. Andre K. wohnt ebenfalls in Salzhemmendorf.

 

Salzhemmendorfs Bürgermeister Clemens Pommerening möchte dennoch nicht von einem Problem in seiner Gemeinde sprechen. „Der Hauptteil der Bevölkerung hier toleriert eine solche rechte Gesinnung nicht“, sagt er. Es sei aber auch keine Lösung, Personen, die sich in diese Richtung politisch orientieren, auszuschließen. „Dadurch erreicht man nur, dass diese sich radikalisieren“, sagt der Bürgermeister. „Vereine und Feuerwehr haben auch eine Integrationsaufgabe.“

 

Kommentar: Genau hinschauen

 

Wir könnten uns nun zufrieden zurücklehnen. Gottlob hat die Polizei die Täter von Salzhemmendorf schnell gefasst. Und auch die Justiz hat das richtige Signal gegeben: Die feigen Angreifer sitzen in Untersuchungshaft. Nicht allein wegen Brandstiftung, sondern wegen versuchten Mordes. Wir könnten nun erklären, dass sich der Mob nicht wie in Heidenau austoben konnte, dass die Täter angeblich nicht organisiert sind in rechtsextremen Kreisen, sondern verwirrte Einzelne sind. Doch genau darin liegt ja zugleich das Verstörende: Es sind keine Einzelgänger. Sie engagieren sich bei der Feuerwehr, spielen im Fußballverein. Sie stehen nicht am Rand von Salzhemmendorf, sondern gehören dazu, und viele nahmen ihre Gesinnung schweigend hin.

 

Ja, auch hier gibt es eine Neonazi-Szene, die mal leiser, mal lauter von sich hören lässt. Sie marschieren in Bad Nenndorf auf, verbreiteten mit „Besseres Hannover“ in der Landeshauptstadt ihr Gedankengut, sie verteilen Flyer in unseren Gemeinden. Es gibt eine rechtsextremistische Braunschweiger Szene, deren Mitglieder seit Neuestem auch in Hildesheim aktiv sind.

 

Die Lehre aus Salzhemmendorf ist: Es reicht nicht, wenn Polizei und Verfassungsschutz die organisierte rechte Szene im Auge haben. Wir alle müssen sensibler dafür sein, dass es rechtsextremes Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft gibt – und wir dürfen es nicht einfach schweigend hinnehmen.

 

Von Karl Doeleke