Die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber im Freistaat Sachsen wird 2015 die Zahl von 25.000 erreichen, schätzt die zuständige Staatsministerin. Innerhalb von zwei Jahren hätte sich der Zustrom dann mehr als vervierfacht. Und angesichts der Krisen beispielsweise in Syrien oder Eritrea könnten noch viel mehr Menschen hier bei uns Zuflucht suchen. Die für die Aufnahme der Flüchtlinge zuständigen Stellen arbeiten längst am Limit: DRK, Caritas, dann natürlich die Polizei und andere diversen Behörden. Doch auch der Verfassungschutz. Was der mit den Flüchtingen zu tun hat?
Sachsens oberster Verfassungsschützer empfängt den Besucher mit weit aufgekrempelten Hemdsärmeln. Das liegt, klar, an den hochsommerlichen Temperaturen dieser Tage. Es ist aber auch ein wenig symbolisch. Die Welle an Zuwanderern bringt auch für die knapp 200 Unterstellten von Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath viel, sehr viel Arbeit. Der Neuaufbau der Behörde nach den NSU-Pleiten hatte die eine oder andere neue Stelle mit sich gebracht. Mit geschickter, täglich neuer Priorisierung der Aufgaben ließen sich die vorhandenen Ressourcen optimieren, sprich strecken. Aber, so Meyer-Plath, mit dem für Geheimdienstler in aller Welt wohl typischen Understatement: "Aktuell kommen wir noch ganz gut zu Recht. Wenn sich die Lage aber dauerhaft so hält und sich auch möglicherweise noch zuspitzt, muss man auch bei uns über eine Verstärkung nachdenken."
Rechtsextreme sehen in Asyldebatte Chance
Inhaltlich hat sich so viel nicht geändert: Es ist der alte thematische Dreiklang, mit dem es Sachsens Verfassungsschützer jetzt vor allem zu tun haben. Mit großem Vorsprung die Gefahren von Rechtsaußen, dann, vor allem in Leipzig, die linksextreme Szene und ganz zum Schluss salafistisch orientierte islamische Gemeinden im Freistaat. Für den, wie Meyer-Plath es formuliert "partei-gebundenen Rechtsextremismus", also für NPD, für den sogenannten Dritten Weg oder auch die Partei Die Rechte, sei der Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern das Thema und "in ihren Augen auch die Chance und die Herausforderung, wenn 'nicht mit diesem Thema punkten, was viele Menschen berührt und Ängste auslöst, womit denn dann.'"
So genannte asylkritische Töne hört man freilich längst nicht mehr nur in der rechtsextremen Szene, was die Rechtsaußen dazu zwinge, "… irgendwie auffällig zu werden, durch besonders laute Agitation oder, und das kommt auch immer wieder vor, mit Gewalttaten." Die erhofften politischen Geländegewinne seien den Rechtsextremisten aber bislang verwehrt geblieben, schätzt Sachsens oberster Verfassungsschützer ein. Daran ändere auch nichts, dass gerade der Freistaat durch eine ganze Reihe von gewalttätigen Übergriffen aus Asylbewerberunterkünfte bundesweit im Fokus stehe, einer Tatsache, der man sich stellen müsse, so Meyer-Plath.
Keine IS-Kämpfer unter den Ankömmlingen
Ganz vorsichtige Entwarnung bislang am anderen Ende der Themenliste: Die immer einmal wieder beschworene Gefahr, islamistische Terrorgruppen wie der Islamische Staat könnten sich der Flüchtlingswelle bedienen. Präsident Meyer-Plath: "Wir haben bislang keine Erkenntnisse, dass tatsächlich dschihadistische Gruppierungen weltweit unter dieser falschen Flagge Flüchtlinge einschleusen wollen, die rekrutieren oder hier Anschläge planen." Doch die Abwesenheit eines Beweises ist eben auch hier nicht unbedingt der Beweis der Abwesenheit und so steht die potentielle Bedrohung durch islamistische Terrorgruppen im Zusammenhang mit Zuwanderung weit oben auf der Prioritätenliste des sächsischen Verfassungsschutzes. Enge Abstimmung und Kooperation gebe es dazu sowohl mit den Geheimdiensten auf Bundes- und Länderebene als auch mit denen den Nachbarstaaten. Ausdrücklich nicht in den Topf dschihadistischer Gefährdung werfen dürfe man übrigens die kleine strikt religiöse Gemeinde in Sachsen. Dort erhoffe man sich zwar durch die Zuwanderung aus islamischen Ländern wie etwa Syrien Zulauf und größere Bedeutung, aber, so Sachsens Verfassungsschutzpräsident klipp und klar: "Der ganz große, überwiegende Teil der Moslems im Freistaat Sachsen hat wenig Sympathien für Dschihadisten."