[B] Transphobe und rassistische Polizeikontrolle nach Kundgebung gegen Polizeigewalt

Erstveröffentlicht: 
05.11.2013

Am 23. Oktober 2013 wurde einer unserer Mitarbeiter zusammen mit drei weiteren Protestierenden auf einer Kundgebung gegen die Polizeigewalt und die Festnahmen von Aktivist_innen des Flüchltlings-Protestcamps am Oranienplatz (Berlin-Kreuzberg) festgenommen. Während des etwa einstündigen Polizeigewahrsams verhielten sich die Polizist_innen Trans* diskriminierend und gewaltvoll gegenüber unserem Kollegen. Dabei wurden seine Grundrechte , die zu wahren jegliche staatliche und ausführende Gewalt laut Grundgesetz verpflichtet ist, stark missachtet und verletzt.

 

Unser Mitarbeiter wurde auf Grund von Racial Profiling (rassistischer Kontrolle) festgenommen. Er erfuhr massive rassistische und transphobe Diskriminierung und Gewalt durch die Berliner Polizist_innen. Dies geschah durch Beleidigungen sowie erniedrigender, respektloser rassistischer und transphober Behandlung inklusive mehrfach versuchter Genitaluntersuchungen. Statt einem diskreten und respektvollen Verhalten wurde die Transidentiät unseres Kollegen zu einem Spektakel und diente der Belustigung der Polizeibeamt_innen. Er wurde viele Male wiederholt gefragt, ob er ein Mann oder eine Frau sei, obwohl er diese Frage bereits damit beantwortet hatte, dass er ein Trans* Mann ist. Einer der Polizisten sagte mehrere Male zu seinen Kolleg_innen, dass sie die Hosen unseres Mitarbeiters runterziehen sollten, damit die Polizist_innen feststellen könnten, ob er ein Mann oder eine Frau sei. Andere Polizeibeamten lachten über diese Bemerkung selbstgefällig. Die Aussage unseres Mitarbeiters zu seiner Geschlechtsidentität reichte offenbar den Polizeibeamt_innen für die Aufnahme der Personalien nicht und so kündigten sie letztendlich an, dass sie eine Prüfung seiner Genitalien vornehmen müssten. Unser Kollege wies die Polizeibeamt_innen darauf hin, dass in seinem Pass ein Eintrag über sein vermeintliches Geschlecht vermerkt ist und sie dort nachsehen könnten. Dennoch beharrten die Polizeibeamt_innen auf eine Prüfung seiner Genitalien. Es ist offensichtlich, dass diese transphobe Schikane nicht der Polizeiarbeit diente. Wir sind entsetzt darüber und verurteilen diese Polizeigewalt!

Laut anderen uns berichteten Diskriminierungsfällen, ist die versuchte erzwungene Genitaluntersuchung von Trans-Personen durch Polizist_innen unter dem Vorwand der Feststellung der Geschlechtsidentität kein Einzelfall, sondern institutionalisierte semi-legale Gewalt. Sie liegt im individuellen Ermessenspielraum der Polizist_innen, wenn Name und/oder Geschlecht in Ausweisdokumenten ihrer Einschätzung nach nicht zu dem Aussehen bzw. der selbstbestimmten Geschlechtsidentität passen. Auch dieser Maßnahme liegt transphobe strukturelle Gewalt zugrunde. Auf die Forderung, dass unser Mitarbeiter nur von einer Polizeibeamtin oder einem_einer Trans*Polizisten_in die körperliche Untersuchung gewähren würde, erwiderten die Polizeibeamt_innen in einem zynischen Tonfall, dass es keine Trans* Personen bei der Polizei gäbe. Dies ist eindeutig falsch und transdiskriminierend.

Neben der transphoben Diskriminierung und Gewalt, die unser Kollege über sich ergehen lassen musste, wurde er außerdem von den Polizeibeamt_innen bei der Festnahme und während des Polizeigewahrsams rassistisch behandelt. So duzte ihn ein Polizeibeamter und sagte, „Was ist diese Sache, die du Transphobie nennst, Alter?“ Daraufhin erwiderte unser Mitarbeiter, dass der Polizist ihn weder duzen dürfe noch generell mit ihm so sprechen dürfe. Der Polizeibeamte erwiderte daraufhin: „Ich tue es dennoch. Was willst du dagegen tun? Wirst du weinen?“

Wir verurteilen all dieses respektlose, gewaltvolle, schikanierende und herabwürdigende Verhalten der Polizeibeamt_innen aufs Schärfste! Jeder Mensch hat ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Trotz des offiziellen Diskriminierungsverbots von Trans*Menschen erfahren Trans*Menschen immer noch in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft Gewalt und Diskriminierung. Diese Gewalt und Diskriminierung passiert auf der Straße, durch strukturelle Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt oder im Schulwesen, durch die Nichtanerkennung und Verweigerung selbstbestimmter Geschlechtsidentität von staatlichen Institutionen. Sie geschieht durch die Verweigerung von adäquater Gesundheitsversorgung, durch Gesetze, die die medizinisch-psychologischen Pathologisierungen von Trans*Menschen erzwingen, um Namen und/ oder Personenstand in offiziellen Ausweisdokumenten zu ändern.

Trans*Sein ist keine Krankheit, sondern Transphobie bzw. Trans* Diskriminierung ist ein krankmachendes und gewaltvolles Diskriminierungsverhältnis. Trans* Diskriminierung ist eine Form von Gewalt, da sie die Würde und körperliche Unversehrtheit von Personen verletzt, sie einschränkt, meist psychische Narben hinterlässt und gesundheitliche sowie finanzielle Folgen hat. Trans* Diskriminierung und Transphobie stärken ein Zwangssystem von zwei Geschlechtern, die bei Geburt zugewiesen werden. Gladt und LesMigraS verstehen unter Transphobie und Homophobie jegliche verbale, physische, institutionelle und / oder strukturelle Gewalt, die sich gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und queere Lebensweisen von Menschen richtet.

Transphobie, Trans*Diskriminierung und Homophobie sind keine individuellen Probleme der Betroffenen, sondern müssen, ebenso wie z.B. Rassismus oder Diskriminierung gegen Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, auf gemeinschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Ebene angegangen und verhindert werden.

LesMigraS und Gladt stellen in Kooperation mit KoP (Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt) folgende Forderungen:

  • Wir fordern eine öffentliche Stellungnahme und die Klärung des Vorfalls seitens des Polizeipräsidiums unter der Leitung von Herrn Klaus Kandt zu der rassistischen und trans* diskriminierenden Behandlung durch Polizeibeamt_innen der Berliner Polizei.
  • Wir fordern die Berliner Polizei dazu auf, Verantwortung für die Diskriminierungen und Gewalt, die ihre Mitarbeiter_innen ausüben zu übernehmen, Konsequenzen aus dem diskriminierenden und gewaltvollen Verhalten ihrer Mitarbeiter_innen zu ziehen und Maßnahmen durchzuführen, die verhindern, dass trans*diskriminierende, rassistische, homophobe und andere diskriminierende Vorgehens- und Verhaltensweisen, weiterhin ungehindert geschehen können.
  • Wir fordern die Polizei auf, die selbstbestimmte geschlechtliche Identität (von Trans* und Inter*-) Menschen uneingeschränkt zu respektieren und derartiges diskriminierendes und gewaltvolles Verhalten, insbesondere Genitaluntersuchungen unverzüglich einzustellen!
  • Wir fordern die Berliner Polizei auf, ihre Mitarbeiter_innen durch spezialisierte Fachkräfte auf Mehrfachdiskriminierungen in Fortbildungen und Schulungen zu Trans* Diskriminierung, Gewalt und Diskriminierung gegen intergeschlechtliche Menschen, Homophobie und Mehrfachdiskriminierung im Allgemeinen zu sensibilisieren.
  • Wir fordern die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdedienststelle für die Meldung polizeilicher Diskriminierung und Gewalt.

Diese Pressemitteilung wird von folgenden Organisationen unterstützt:
ReachOut- Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, TransInterQueer e.V. (TrIQ), Schwulenberatung Berlin gGmbH, Sonntags-Club e.V., ABqueer e.V. und comot* bewegungskulturen & soziale arbeit.

Beschwerden und Kritik an den Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt:
Tel.: (030) 4664-900002 / Fax: (030) 4664-900098

oder an das zentrale Beschwerdemanagement der Berliner Polizei:
Tel.: (030) 4664-900140/-900141/-900142
Fax: (030) 4664-900198
E-Mail: pprir4@polizei.berlin.de