[Kolumbien] Zur Krise im Friedensprozess

Krise Friedensprozess

Zur Krise im Friedensprozess ist ein kurzer Bericht zur aktuellen Situation nach dem Treffen des kolumbianischen Präsidenten mit Vertretern der venezolanischen Opposition. Venezuela ist eine der wichtigen Begleiter im Friedensprozess zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP.

 

In einem Kommuniqué des Sekretariats des Zentralen Generalstabes der FARC-EP wird sich besorgt über den aktuellen Zustand der Friedensgespräche geäußert. Im Besonderen betrifft es die Konfrontation zwischen den Regierungen von Kolumbien und Venezuela. Nicht nur, dass beide Nachbarländer sind und die Beziehungen das politische, soziale und wirtschaftliche Leben vieler Menschen auf beiden Seiten beeinflussen, sondern Venezuela ist auch ein neutraler Vermittler in den Friedensgesprächen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP. Kolumbiens Präsident Santos hatte sich in der letzten Woche mit dem Führer der Opposition Venezuelas, Henrique Capriles, getroffen. Dies führte zu einer Krise zwischen den beiden Ländern. “Besorgt, sehr besorgt”, beginnt das Kommuniqué und schildert in drei Punkten die Besorgnis.

Die FARC-EP machen darin aufmerksam, welche wichtige Rolle Venezuela als Vermittler und Begleiter in den Friedensgesprächen führt und was ein Ausscheiden für Auswirkungen haben könnte. Nun ist durch das Treffen mit der venezolanischen Opposition die Vertrauensbasis zerstört worden. Von einer Atmosphäre des Friedens kann nun keine Rede mehr sein. Gleichzeitig erinnerte die FARC-EP daran, den “historischen Durchbruch” bei den Gesprächen zum Thema der Agrarfrage zu bewahren und die Augen auf die weiteren Punkte der Agenda zu legen. Während sich in Kolumbien die Stimmen mehren, die einen Verhandlungsprozess ohne externe Unterstützung fortsetzen wollen, ist die FARC-EP nur mit internationaler Unterstützung zu den Friedensgesprächen bereit. Die Geschichte hat gezeigt, dass eine internationale Begleitung und Beobachtung von Nöten ist.     

Zum Kommuniqué: http://pazfarc-ep.blogspot.de/2013/06/comunicado-delegacion-de-paz-farc-...

In den letzten Jahrzehnten gab es in Kolumbien immer wieder politische Abkommen und Gespräche des Dialogs zwischen der Regierung und der Guerilla. In vielen dieser Abkommen verpflichteten sich die in den Prozess involvierten aufständischen Gruppen sowie die beteiligten Regierungen zu einer Waffenruhe. Bei den aktuellen Friedensgesprächen wurde dieses Angebot seitens der FARC-EP für beide Seiten vorgeschlagen, doch die Regierung lehnte das Angebot ab. Statt dessen werden weiter Mesnchen getötet und Guerilleros gejagt. Auch gibt es Bestrebungen in der kolumbianischen Gesellschaft, den Friedensprozess zu torpedieren. Hierzu gehören die politische Rechte unter Ex-Präsident Uribe, sowie die wirtschaftlichen Eliten und Großgrundbesitzer. Häufig gibt es in den Medien die Argumentation, dass die Gespräche zu lange dauern würden. Lieber früher als später würde man den Prozess abbrechen und den bewaffneten und sozialen Konflikt militärisch lösen.

Eines der historisch bedeutensten Abkommen war jenes aus dem Jahr 1984. Zum einen waren viele aufständische Gruppen am Friedensprozess beteiligt, zum anderen war die politische Tragweite am Anfang der Verhandlungen zu jener Zeit von enormen Ausmaß, so folgte unter anderem die Gründung der linken Partei “Unión Patriótica”. Um die Lehren aus dieser geschichtlichen Erfahrung zu ziehen, zu mal es auch heute viele Kritiker am aktuellen Friedensprozess gibt, veröffentlichen wir einen Artikel, der in der Resistencia International (deutschsprachige Ausgabe) Nummer 7 (Mai-August 2002) erschien.

Die Waffenruhe von 1984: Ein Schritt nach vorne, zwei Schritte zurück

Die politische Ausgangslage

Mit der Verabschiedung des Generalamnestiegesetzes von 1982 und der Abschaffung des Sicherheitsstatuts, das die Regierung Turbay Ayala (1978-1982) benutzte, um einen offenen Kampf gegen die Volksorganisationen zu führen, entstanden in Kolumbien günstige Ausgangsbedingungen für einen Friedensprozess. Zwischen den FARC-EP und der Regierung des Präsidenten Belisario Betancur (1982-1986) wurden zu Beginn von dessen Amtszeit Gespräche aufgenommen.

Dieser Prozess erreichte seinen Höhepunkt mit der Unterzeichnung des Abkommens zum Waffenstillstand, das am 28. März 1984 zustande kam. Die Unterzeichner, FARC-EP und Regierung, verpflichteten sich zu einer Feuerpause und zur Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts. Dieses Dokument - besser bekannt als “Beschlüsse von Uribe” - wurde von der staatlichen “Kommission für Frieden und Dialog” und dem Generalstab der FARC-EP im Beisein der Regierung unterzeichnet.

Im August desselben Jahres unterzeichnete die Regierung weitere Abkommen über eine Feuerpause mitder politischen und militärischen Führungen der Gruppen ADO, der ELN und deren Sonderkommandos “Simón Bolivar” und “Antonio Nariño” sowie der EPL und der M-19. Damit eröffnete sich dem Land ein neues Waffenstillstandsszenarium.

Die Inhalte

Die Beschlüsse von Uribe enthielten zwei wichtige Teile. Auf der einen Seite stand die militärische Ordnung, auf der anderen die politische und soziale Zukunft des Landes. Die militärische Seite dieses Abkommens hatte die Konsolidierung eines Prozesses zum Ziel, der in die Unterzeichnung eines umfassenden Friedensvertrages und das Ende des bewaffneten Konfliktes münden sollte. Mit den politischen und sozialen Vereinbarungen verpflichtete sich die Regierung, eine Reihe von Reformen auf den Weg zu bringen, die der Gesamtheit des kolumbianischen Volkes eine Perspektive geben sollte. Gemeinsames Ziel waren die Herstellung von Bedingungen für einen demokratischen Staat und die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung.

Genau zwei Monate nach Unterzeichnung des Abkommens, am 28. Mai 1984, ordneten die FARC-EP an allen ihren damals 27 Guerillafronten den Waffenstillstand an. Gleichzeitig gab der Präsident Betancur als oberster Befehlshaber der Armee auf Grundlage des Abkommens einen gleichlautenden Befehl an alle militärischen Autoritäten des Lan­des. Der Pakt verlangte zu keinem Zeitpunkt die Waffenabgabe der FARC.

Wenig später wurde der Befehl zur Feuerpause auch von den anderen Guerillaorganisationen gegeben (M-19, EPL, ADO und den Sonder­kommandos “Antonio Nariño” und “Simón Bolívar” der ELN). Die von den anderen Organisationen unterzeichneten Abkommen bildeten im Fall der M-19 und der EPL die Grundlage für einen nationalen Dialog.

Verrat und Nichterfüllung

Das bilaterale Abkommen zur Feuerpause wurde in den kommenden Monaten wiederholt von den Streitkräften gebrochen. In verschiedenen Regionen des Landes wurden Guerilleros, die sich im Waffenstillstand befanden, gefoltert und getötet oder sie “verschwanden”. Eine aktive Rolle dabei spielte die 20. Brigade unter General Maza Márquez. Von ihm wurden auch Pläne zur Unterwanderung unserer Bewegung ausgearbeitet, um auf diesem Weg mehrere Guerillakommandeure zu ermorden. Mit der Entwicklung einhergingen unzählige Angriffe gegen unsere Fronten in den verschiedenen Teilen des Landes.

Zahlreiche Sprecher und führende Mitglieder der M-19 und der EPL, wie Carlos Toledo Plata, Osear William Calvo, Iván Marino Ospina, wurden erschossen; andere überlebten die Attentate und zogen sich in Anbetracht militärischer Provokationen gegen ihre Camps in die Berge zurück, ohne zunächst die bewaffneten Aktionen wieder aufzunehmen.

Einige Monate nachdem die Armee 25 Guerilleros in Urabá (Antioquía) getötet hatte, legten die FARC-EP einen Hinterhalt und siegten über eine Patrouille des Antiguerillabataillons “Cazadores” (“Jäger”). Die Regierung in Bogotá und die politische Schicht des Landes hatten zu den Morden an den Guerilleros geschwiegen - die Verteidigung unserer Bewegung aber verurteilten sie nun als “Angriff auf den Frieden”.

Die politisch motivierte Passivítät der Regierung war aber weitreichender. Die politischen und sozialen Reformen, die in den Abkommen mit den aufständischen Gruppierungen festgelegt waren, wurden niemals verwirklicht. Zu ihnen gehörte unter anderem eine Agrarreform, städtebauliche und Bildungsreformen sowie weitere soziale Projekte. Einzig Bürgermeisterwahlen wurden durchgeführt, in einer Art aber, die durchaus den Interessen der Zweiparteienoligarchie gerecht wurde, weil diese über enorme Mittel verfügte, den Wahlkampf zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Im Vordergrund stand dabei die Manipulation der Medien. Ziel war es, in nationalen und internationalen Kampagnen die bewaffneten Aufständischen zu diffamieren, während die Verbrechen der eigenen Armee verschwiegen wurden.

Diese Kampagne wird bis heute fortgeführt. Das von kolumbianischen Medien gezeichnete Bild des bewaffneten Konfliktes ist einfach, und vieles wird ausgegrenzt. Der Paramilitarismus, der Rückzug ausländischer Militärberater, die Reduzierung der Militärausgaben, die politische Kontrolle der bewaff­neten Kräfte, das Recht auf Leben, Arbeit, Wohnraum, Gesundheit, Bildung, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Veränderungen der neoliberalen Politik, keine innerstaatlichen Auslieferungen, das Aussetzen des Kolumbienplans, die Einstellung von Feindseligkeiten der Medien gegen die Organisationen des Volkes - all dies sind Themen, die weiterhin Ursachen des Kon­fliktes sind, die jedoch nicht zur Sprache gebracht werden.

Der fehlende politische Willen zum Frieden führte und führt zwangsweise zur Eskalation des Krieges. Derzeit ist das die Entscheidung der Regierung von Andrés Pastrana. Wir werden auch trotz all dieser Erfahrungen weiter zu Verhandlungen bereit sein, sofern sie nur ernsthaft auf Frieden und die Verteidigung der Interessen der nationalen Mehrheit abzielen.