KZ-Arzt aus Freiburg: Massenmörder ohne Reue

Eduard Krebsbach in der Uniform eines SS-Sturmbannführers im Jahr 1942 Foto: o.Ang.
Erstveröffentlicht: 
01.06.2013

Freiburg
Der Freiburger Polizeiarzt Eduard Krebsbach war Standortarzt im Konzentrationslager Mauthausen. Im Mauthausen-Prozess nach Kriegsende zeigte er keine Reue. 1947 wurde er in Landsberg hingerichtet.

 

Beim Thema Freiburg und KZ-Ärzte denkt man zunächst an Josef Mengele: Anfang Juni 1985 rief ein Journalist der "Washington Post" Rolf Böhme an und fragte ihn "Do you know Mengele?" Er klärte den völlig verdutzten damaligen Oberbürgermeister auf: Der für seine monströsen Menschenversuche im KZ Auschwitz berüchtigte "Todesengel" habe sich während des Nationalsozialismus wiederholt hier aufgehalten und sei hier verheiratet gewesen. Kurz zuvor waren Gerüchte aufgekommen, dass der weltweit Gesuchte fünf Jahre zuvor in Brasilien gestorben war und dass sein Sohn als Rechtsanwalt in Freiburg lebe. Der Leichnam wurde exhumiert und die Identität überprüft. Nun folgte ein regelrechter Medienrummel, weil internationale Journalistenteams versuchten, Stellungnahmen und Bilder vom Sohn zu erhalten.

Nicht bekannt war bislang der Fall Eduard Krebsbach, der persönlich wesentlich enger mit Freiburg verbunden war. 1894 in Bonn geboren, besuchte er ein humanistisches Gymnasium in Köln und begann 1912 ein Medizinstudium in Freiburg, das von vier Jahren Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde. 1919 erhielt er hier seine Approbation als Arzt. Seine völkisch-antisemitische Einstellung zeigte sich im gleichen Jahr, als er mit anderen die Ortsgruppe des rechtsextremen "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes" gründete. Seine späteren eugenischen Äußerungen legen nahe, dass ihn die 1920 erschienene Schrift "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" des Direktors der psychiatrischen Klinik an der Universität Freiburg, Alfred Hoche (zusammen mit Karl Binding), beeinflusst hatte. Er heiratete ein Freiburgerin, der Beruf führte ihn aber Mitte 1920 als praktischen Betriebs- und Kreisarzt für mehrere Jahre weg. 1933 verlor er aufgrund von zweifelhaften Behauptungen des Regierungspräsidenten von Sigmaringen, er sei ein Gegner der Nationalsozialisten gewesen, seine Stellung als Kreisarzt.

Krebsbach trat der NSDAP und deren Schutzstaffel (SS) bei, kehrte im Herbst 1933 nach Freiburg zurück und eröffnete eine Arztpraxis in der Scheffelstraße. Mit der Parteimitgliedschaft muss es Probleme gegeben haben, denn er trat der NSDAP-Ortsgruppe Mittelwiehre 1937 erneut bei. Die Polizeidirektion Freiburg übernahm ihn 1933 als Vertragsarzt, ein Amt, das er bis zum Beginn des Weltkrieges inne hatte.

Der 1934 eingesetzte Freiburger Polizeidirektor Günther Sacksofsky war allem Anschein nach ein wichtiger Weggefährte Krebsbachs. Der Polizeichef war ebenfalls 1933 in die SS eingetreten und 1935 zum SS-Offizier befördert worden. Er setzte sich als Rechtsberater für die Interessen von SS-Kameraden ein, die wegen Ausschreitungen straffällig geworden waren. Sein massives Auftreten beim Oberstaatsanwalt Weiss brachte ihm wegen Einflussnahme auf die Justiz sogar eine Rüge des badischen Innenministers Karl Pflaumer ein, obwohl dieser selbst SS-Führer war.

Krebsbach betätigte sich derweil als Führer der Sanitätsoberstaffel der südbadischen 65. SS-Standarte mit Sitz in Freiburg. Nach mehreren Anläufen wurde er am 9. November 1938 zum Untersturmführer befördert. Vorgeschlagen hatte ihn das Führerkorps der SS-Standarte. An deren Spitze stand der Standartenführer Walter Gunst, dazu gehörten aber auch Personen wie Regierungsrat Ernst Beyl, selbst SS-Obersturmführer und Rechtsberater der Standarte und Sacksofskys zweiter Mann in der Polizeidirektion.

Der Führer des SS-Oberabschnitts Südwest, SS-Gruppenführer Kaul, hatte sich noch im Oktober 1938 persönlich für Krebsbach eingesetzt, der seit Jahren auf die Beförderung zum SS-Offizier wartete. Dessen Nicht-Beförderung schrieb er seiner 1933 von "reaktionären und anderen schwarzen Beamten" – also schlechten Zeugen im NS-Sinne – betriebenen Entlassung aus dem Staatsdienst zu. Er sei aber rehabilitiert durch seinen treuen SS-Dienst, die Tätigkeit als Polizeiarzt und seine Aufnahme in die Partei. Wenig später, in der Nacht nach seiner Beförderung zum SS-Offizier, ergab sich die Möglichkeit, seine gnadenlose SS-Treue definitiv unter Beweis zu stellen. In den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 wurde die Freiburger Synagoge von wenigen Männern in Zivil unter Anführung von Gunst und Krebsbach verwüstet und angezündet.

Brandstiftung als Treuebeweis

Obwohl Polizisten die beiden erkannten und auch Sacksofsky selbst zum Tatort kam, behauptete Letzterer 1946, nichts über die Täter zu wissen, die ihm doch bestens bekannt waren. Kurz nach dem Brand wurde Sacksofsky sogar rückwirkend vom Reichsführer-SS Heinrich Himmler zum Sturmbannführer befördert. Im Oktober 1939 tat Krebsbach zur SS-Totenkopf-Division über und nahm am Frankreich-Feldzug teil. Als Sacksofsky 1940 zum kommissarischen Polizeipräsidenten von Mulhouse im eroberten Elsass ernannt wurde, holte er Krebsbach als Polizeiarzt zeitweise auch dorthin. Gegenüber einem Freiburger Polizisten rühmte sich Krebsbach in dieser Zeit, die Synagoge abgebrannt zu haben, das war also kein Geheimnis in SS- und Polizeikreisen.

Im Juni 1941 wurde Krebsbach Standortarzt des SS-Konzentrationslagers Mauthausen bei Linz. Unter seiner Leitung wurden massenhaft Exekutionen von kranken Kriegsgefangenen aus einer ganzen Reihe von Ländern durchgeführt. Er nahm Selektionen vor und überwachte die Exekutionen. Da er die Häftlinge oft durch Benzininjektionen ins Herz ermorden ließ, bekam er den Spitznamen "Dr. Spritzbach", doch setzte er auch zunehmend auf Vergasung und andere Mordmethoden. Ein Sonderfall war die Vergasung von 120 bis 130 Tschechen wegen des Attentats auf den Stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich.

Krebsbachs Freiburger Ehe blieb – ganz entgegen den SS-Vorgaben – kinderlos. Im Jahr 1942 jedoch wurde in Linz eine andere Frau von ihm schwanger. Der "gottgläubige" Krebsbach ließ sich scheiden und heiratete 1943 ein zweites Mal. Im gleichen Jahr erschoss er bei einem Händel einen Wehrmachtssoldaten. Daraufhin wurde er in das neue KZ Warwara (Kaiserwald) bei Riga (Estland) versetzt. Hier und in den Außenlagern wurden zunächst vor allem baltische Juden, später auch Juden aus Ungarn und Polen inhaftiert und zur Arbeit für deutsche Großfirmen wie AEG gezwungen. Krebsbach brachte Tausenden den Tod, so bei der so genannten "Kinderaktion" im Frühjahr und bei der "Krebsbach-Aktion" im Sommer 1944. Auch Menschenversuche mit Typhus gingen auf sein Konto. Ende 1944, die Rote Armee hatte das KZ befreit, zog sich Krebsbach mit der Familie in die hessische Stadt Kassel zurück, wo er ganz zivil als Betriebsarzt einer Spinnerei arbeitete.

Im Dachauer Mauthausen-Prozess 1946 zeigte Krebsbach keinerlei Reue. Der Staat habe das Recht, sich durch Tötungen vor Lebensuntüchtigen und Asozialen zu schützen, behauptete er. Wegen seiner Verbrechen als KZ-Arzt wurde er zum Tode verurteilt und 1947 in Landsberg hingerichtet. Genauso erging es einem weiteren Freiburger KZ-Arzt: Der hier 1903 geborene Waldemar Hoven war 1934 der SS beigetreten und hatte hier ab 1935 Medizin studiert. Seit 1941 betätigte er sich als KZ-Arzt in Buchenwald. 1943 ließ er sich mit einer Studie an KZ-Insassen von der medizinischen Fakultät in Freiburg zum Dr. med. promovieren. Diese Studie wurde zudem gar nicht von ihm selbst, sondern von anderen KZ-Insassen in seinem Namen verfasst. Im Nürnberger Ärzteprozess wurde er 1947 zum Tode verurteilt und 1948 ebenfalls in Landsberg hingerichtet. Der Medizinstudent Ermin Künzel war 1930 das achte Mitglied der Freiburger SS. Er brachte es 1934 zum Führer des SS-Sturmbannes und zum Studentenführer. Im Krieg arbeitete er zwar nicht im KZ, war aber im besetzten Prag als Mitarbeiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS mit Germanisierungspolitik befasst. Dabei bereitete er die Ermordung von tschechischen Kindern vor, die einmal zur nationalen Elite gehören könnten.

Bei den Ermittlungen zum Freiburger Synagogenbrand stellte man Anfang 1947 zwar fest, dass Eduard Krebsbach vermutlich in irgendeinem amerikanischen Besatzungslager interniert sei. Seine Exfrau, die weiter in der Scheffelstraße wohnte, behauptete, er sei zwar zum Tode verurteilt, aber begnadigt worden. Krebsbach habe den Synagogenbrand "auf das Schärfste missbilligt", log sie offensiv. Am 28. Mai 1947 wurde er jedoch in Landsberg hingerichtet. 1948 verbrachte die sechsjährige Tochter Krebsbachs die Sommerferien bei der Exfrau ihres Vaters in Freiburg, spätestens dann hätte Exfrau wissen müssen, was mit Krebsbach passiert war, behielt es aber weiter für sich. Den Freiburger Ermittlern des Synagogenbrands blieb das Schicksal Krebsbachs wie auch des verschollenen Gunst dauerhaft unklar.

In einer 1974 erschienen Dokumentation über das KZ Mauthausen hieß es fälschlich zu Krebsbachs Vorgeschichte, er habe in Bonn promoviert, vor 1933 dem liberalen Bürgertum nahegestanden und sei erst 1937 in die SS eingetreten – Fehlinformationen, die erst nach und nach korrigiert werden. Dass der Identität Krebsbachs nicht früher nachgegangen wurde, ist erstaunlich. Ein Exemplar seiner Dissertation, die mit dem Lebenslauf die Identität von Name, Geburtsort und -datum belegt, befindet sich in der Freiburger Universitätsbibliothek.

 


 

Der Autor

Heiko Wegmann (43), ist Sozialwissenschaftler, forscht seit Jahren zur Freiburger Kolonialgeschichte (http://www.freiburg-postkolonial.de und promoviert am Arnold-Bergstraesser-Institut in Politikwissenschaften. Daneben arbeitet er an einem Buch über die Geschichte der Allgemeinen SS in Freiburg 1929-1945, in dem die Strukturen der Organisation, Ereignisse und viele Biografien aufgearbeitet werden.