Überfall auf polnische Erntearbeiter: Kundgebung in Kremmen ruft zur Solidarität mit den Betroffenen auf
Als Reaktion auf den rassistischen Angriff im Stadtteil Staffelde und die relativierende Berichterstattung zum Vorfall, versammelten sich am Dienstag etwas mehr als 50 antifaschistische und antirassistisch gesinnte Demonstrant_innen unter dem Motto „Das Problem heißt Rassismus“ auf dem Kremmener Marktplatz. Die meisten von ihnen waren per Bus aus Berlin angereist, unter ihnen auch einige der in Kreuzberg protestierenden Geflüchteten und mindestens eine Person, die selbst in Kremmen aufgewachsen ist, aber verständlicherweise schon vor längerer Zeit in die nahe gelegene Großstadt gezogen ist. Auch einige Engagierte aus dem Brandenburger Umland fanden sich ein. Der übliche Vorwurf von Einheimischen, hier würden mal wieder Leute von außerhalb kommen, die kein Ahnung haben, um überheblich daher zu reden stimmte also höchstens teilweise.
In einem Redebeitrag von Fight Racism Now! wurde betont, dass Rassismus gegen Pol_innen im Osten Deutschlands kein neues Phänomen ist. In regelmäßigen Abständen und insbesondere seit der Grenzöffnung 2007 initiierten innenpolitische Scharfmacher, die Gewerkschaft der Polizei und die Medien Kampagnen, die eine steigende Kriminalität verursacht durch polnische Täter_innen suggerieren. Dabei betrage der Anteil nicht-deutscher Täter_innen m Bereich der sogenannten Grenzkriminalität gerade einmal 25% Prozent. Nicht zuletzt sei es gerade die NDP, die dann auf diese rassistischen Stereotype setzen und Wahlerfolge einfahren könne.
Anschließend berichteten Geflüchtete von der Gewalt die ihnen durch das europäischen Grenzregime widerfährt und von ihrer Entrechtung durch den deutschen Staat. Insbesondere wurde die Isolation in Lagern und die Entmündigung, die eine fehlende Arbeitserlaubnis unter kapitalistischen Bedingungen bedeutet, thematisiert.
Während insgesamt nur wenige Einwohner des Ortes die Kundgebung wahrnahmen, kam es zu hitzigen Diskussionen mit Vertretern der Partei Die Linke vor Ort. Wie um die Notwendigkeit der Kundgebung zu betonen, behaupteten sie, dass es sich bei den Tätern lediglich um „besoffene Bürger“ gehandelt habe. Da sie dabei blieben, der Vorfall habe „nichts mit Rassismus zu tun“ habe, wurde ihnen der Wunsch einen eigenen Redebeitrag zu halten verweigert. Der Wunsch, die Ruhe in der ländlichen Idylle und ihre Sympathiewerte bei der Mehrheitsbevölkerung zu erhalten, schien ihnen wichtiger zu sein als das Führen politischer Auseinandersetzungen. Ihre eigene Kritik beschränkte sich, analog zu den Stimmen von Presse und „Verantwortungsträgern“ auf den Bruch der Rechtsstaatlichkeit, den der Angriff darstellte. Die gleiche Rechtsstaatlichkeit, die von einem Zusammenhang zwischen Eigentumsdelikten und Klassengesellschaft nichts hören will und die sich nicht zu Schade ist im Rahmen sogenannter „Sicherheitspartnerschaften“ derzeit mehr als 70 Bürgerwehren in Brandenburg legal zu unterstützen.
Als die Teilnehmer_innen der Kundgebung feststellen mussten, dass vor Ort nicht mehr mit einer größeren Anzahl von Empfänger_innen für ihre Worte und die mitgebrachten polnisch-deutschen Flugblätter zu rechnen war, verlangten sie nach einer spontane Demonstration durch den Ort. Die Polizei, anwesend mit einem Dutzend BFE-Trollen, wollte dies jedoch nicht zulassen, mit der Aussage, dass diese nicht für die Sicherheit der Teilnehmer_innen sorgen können. In Anbetracht des unsicheren Aufenthaltsstatus einiger Teilnehmer_innen verzichteten die Demonstrant_innen schließlich darauf sich über diese Verweigerung hinweg zu setzen.
Fotos: http://www.flickr.com/photos/rassloff/sets/72157633574733026/
Veranstaltungstip: Fight racism Now Demo am Samstag - 20 Jahre nach der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, 20 Jahre nach dem rassistischen Mordanschlag von Solingen http://www.fightracismnow.net/demo/
Immer unterstützenswert: https://asylstrikeberlin.wordpress.com/