Wie mit Nazisymbolik auf Kleidungsstücken Geld verdient wird [Boy London in Düsseldorf]

Erstveröffentlicht: 
26.03.2013

In einem Düsseldorfer Geschäft wird Kleidung der umstrittenen Marke "Boy London" vertrieben. Das Markensymbol ist ein Adler, der dem NSDAP-Parteiadler sehr ähnlich ist. Der Geschäftsmanager weiß um die Brisanz der Marke, streitet aber jede Verbindung zur Naziszene ab. Eine Expertin erklärt, welche Modemarken von Rechtsextremen getragen werden.

 

Nazisymbolik als Popkultur? Der NSDAP-Parteiadler als schickes dekoratives Element? Die britische Modemarke „Boy London“ macht genau damit Kasse. Seit Anfang Oktober 2012 gibt es T-Shirts, Kappen, Leggins, Röcke und andere Accessoires des umstrittenen Modelabels auch in Düsseldorf zu kaufen. An der Pionierstraße 46 vertreibt das Geschäft „Club Kid“ die Marke.

 

Auf 45 Quadratmetern Verkaufsfläche werden dort Underground-Klamotten verkauft  - also Textilien einer Szene, die sich selbst als nicht-kommerzielle Kunst- und Kulturbewegung versteht. Einer dieser Marken ist eben „Boy London“. Die Textilien ziert das Abbild eines Adlers, der dem NSDAP Parteiadler zum verwechseln ähnlich aussieht. Einzig der Kreis, der sonst das Hakenkreuz umschließt, wird zum „O“ in Boy.

 

„Dass der Boy-London-Adler dem Parteiadler der Nazis sehr ähnelt, ist uns bewusst, aber dieses Label hat keineswegs einen rechten Hintergrund. Im Gegenteil: Es entstand im Jahre 1976 zu einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und fand Anklang bei Randgruppen wie Punks, Künstlern und Homosexuellen“, erklärt der Geschäftsmanager Lukas Raab, der in der Szene besser bekannt sei als Luke Rave und so genannt werden möchte.

 

Initiative fordert Verkaufsstopp von "Boy London"-Artikeln in Deutschland

 

Die linke Initiative „Bürgerinnen und Bürger gegen extreme Rechte“ sieht das anders und übt harsche Kritik an den Betreibern des Club Kid Stores in Düsseldorf. Auf der Internetseite der Initiative heißt es: „Klingende Münzen scheinen ihnen (den Betreibern des Club Kid, Anm. d. Red.) wichtiger als ein Stopp der Vermarktung faschistischer Symbole. Was wir brauchen, sind nicht halbherzige Distanzierungen, sondern einen Verkaufsstopp von „Boy London“-Artikeln in Deutschland. Wir brauchen keine neue Nazimode mit der offenen Zurschaustellung des NSDAP-Parteiadlers.“

 

Luke Rave kennt die Vorwürfe gegen ihn und die Londoner Marke und distanziert sich „ausdrücklich von den Gerüchten um Rechtsextremismus“. Er und sein Team wollten schlicht jedem Menschen seine eigene Meinung lassen und Spaß mit Mode und der Pop-Kultur haben. „Wir vertreiben lediglich eine Marke, die auf internationalem Niveau zur Zeit sehr erfolgreich ist“, sagt Rave.

 

Kunden aus dem Neonazi-Milieu habe er auch nicht. Boy London habe einen androgynen Look - stelle also Textilien her, die weibliche und männliche Merkmale vereinen. Rave zweifelt daran, dass Nazis etwa eine hautenge Leggins oder andere Textilien der Marke tragen würden, auch wenn der Adler darauf abgedruckt ist.

 

Anfragen beim "Netz gegen Nazis"

 

Die Marke Boy London ist auch der Journalistin und Leiterin des Internetportals „Netz gegen Nazis“, Alice Lanzke, bekannt. Das Portal gehört der Amadeu-Antonio-Stiftung an und befasst sich intensiv mit Rechtsextremismus. Der Namensgeber der Stiftung, Amadeu Antonio, wurde 1990 von rechten Jugendlichen im brandenburgischen Eberswalde wegen seiner Hautfarbe zu Tode geprügelt.

 

„Boy London kann man sicher nicht pauschal als Nazimarke bezeichnen, aber die Textilien sind wegen der faschistoiden Symbolik in der Naziszene beliebt“, erklärt Lanzke. Die 33-Jährige unterstellt dem Modelabel zwar nicht bewusst, Nazis mit ihren Produkten ansprechen zu wollen, wohl aber bewusst zu provozieren. Die in Berlin sitzende Stiftung wurde in jüngster Vergangenheit wiederholt von ratsuchenden Personen angesprochen, die wissen wollten, ob es sich bei den Trägern von Boy London-Klamotten mit Reichadler um Nazis handelt. „Es ist erschreckend, dass Nazisymbolik so in den Mainstream gelangt“, sagt Lanzke.

 

"Thor Steinar" ist immer noch beliebteste Nazimarke

 

Andere Marken hingegen sind zweifelsfrei dem rechtsextremen Milieu zuzuweisen oder werden häufig von Neonazis als identitätstfitende Kleidung getragen. „Thor Steinar “ etwa ist eine Modemarke aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen und in der Neonaziszene äußerst beliebt. Im Gegensatz zu Marken wie „Lonsdale“ oder „Fred Perry“, die aus normalen Sportgeschäften stammen und von Rechtsextremen vereinnahmt wurden, gab es Thor Steinar anfangs fast ausschließlich bei einschlägigen Naziläden und Versandgeschäften zu kaufen.

 

Mit zweideutigen T-Shirt-Aufdrucken, wie „Ski Heil“ oder „Hausbesuche“ (mit einem Maschinengewehr darunter) machte sich die Marke schnell in der rechtsextremen Szene beliebt.

 

Kleidungswandel der Rechtextremisten

 

Mittlerweile tragen Nazis aber auch ganz andere symbolträchtige Kleidung, die auf den ersten Blick nicht mit dem rechtsextremen Gedankengut zu vereinbaren ist. So schmücken sich immer mehr Rechtsextreme mit traditionell als links geltenden Accessoires wie Palästinenser-Tüchern oder Che-Guevara-Shirts, um ihre antiamerikanische und antisemitische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen.

 

Der Manager des Club Kid Stores in Düsseldorf versichert, dass keine Nazis zu seinen Kunden gehören. Wenn doch einmal einer in seinen Laden käme, dann würde er sich genau überlegen, ob er diesem Klamotten von Boy London verkaufen würde.