Über zwei Jahre nachdem der Gorleben-Castor 2010 bei Dalle drei Stunden lang blockiert wurde, sollte nun der dritte Strafprozess gegen eine der angeblichen Blockierer_innen stattfinden. Der Angeklagten, Isabell Jahnke, wird nach der Ankettaktion wie in den bisherigen Prozessen Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe vorgeworfen – juristisch fadenscheinige Vorwände für einen weiteren politischen Prozess. Der Prozesstag endete nach relativ kurzer Zeit und zahlreichen Debatten auf den Gerichtsfluren mit der Aussetzung des Verfahrens in Verbindung mit der Anordnung der Zwangsvorführung der Angeklagten.
Zu diesem drastischen Mittel griff Richter Steinberg, weil die Angeklagte nicht rechtzeitig zum Prozessbeginn im Sitzungssaal anwesend war. Sie befand sich aber bereits rechtzeitig vor dem Gerichtsgebäude und wollte ins Gericht gelangen. Dort waren jedoch sowohl am Eingang als auch vor dem Sitzungssaal Einlasskontrollen aufgebaut, bei denen alle Menschen, die zum Prozess wollten, umfangreich abgetastet und durchsucht wurden. Da diese Prozedur sich in die Länge zog, war es der Angeklagten nicht möglich, rechtzeitig im Saal zu erscheinen. Als der Richter erstmals erwähnte, das Verfahren deswegen aussetzen zu wollen, regte sich aus dem bereits anwesenden Publikum Widerspruch. Der Richter ging auf den Vorschlag ein, dass eine Person nach der Angeklagten sehen sollte. Ihm wurde berichtet, die Angeklagte befände sich nun in der ersten der zwei Kontrollen. Wenige Minuten später stand der Richter persönlich auf, um nochmals nach der Angeklagten zu sehen. Er verließ den Sitzungssaal, lief direkt an der Angeklagten vorbei, die nun in der zweiten der beiden Kontrollen festhing, ignorierte alles um sich herum, betrat den Sitzungssaal wieder und verkündete die Angeklagte sei nicht da. Trotz deutlichem Widerspruch blieb Richter Steinberg bei der haltlosen Behauptung, die Angeklagte würde sich verstecken und setze das Verfahren aus und ordnete die Zwangsvorführung der Angeklagten ohne vorherige Ladung an. Der Anti-Atom-Aktivistin wurde danach auf dem Gang noch vom Richter vorgeworfen, sie habe mit derartigen Kontrollen rechnen müssen und hätte sich als erste anstellen müssen, er hätte dann ohne Publikum mit dem Prozess beginnen können. Offensichtlich interessiert sich Richter Steinberg nicht für die Wahrung der Prozessöffentlichkeit, selbst wenn sie wegen der von ihm angeordneten Kontrollen eingeschränkt ist. Zum Abschluss forderte die Angeklagte noch ein, zumindest Kopien der Durchsuchungsanordnungen zu erhalten, um dagegen Beschwerde einreichen zu können. Nach einigem hin und her und zahlreichen widersprüchlichen Aussagen von Justizsekretärinnen, Verwaltunsgbeamten, Justizwachtmeistern und dem Richter selbst wurde ihr dann schlussendlich jedenfalls die Verfügung für eine der beiden angeordneten Kontrollen in Kopie überreicht. Jetzt prüft sie rechtliche Schritte gegen die Geschehnisse des heutigen Tages.
Bereits am Vortag der Verhandlung hatten 20 UnterstützerInnen sich mit der Angeklagten in einer kreativen Aktion solidarisch gezeigt: Verkleidet als VertreterInnen von Institutionen wie den Energiekonzernen, der Deutschen Bahn, der Polizei und Justiz schoben sie große Fässer als symbolischen Castortransport durch die Braunschweiger Innenstadt. Zwischenstopps legte die Kundgebungstour beim Amtsgericht, vor einer Polizeiwache, beim BS|Energy-Café und am Hauptbahnhof ein und informierte hunderte PassantInnen mit Transparenten und Flugschriften über den Prozess gegen die Umweltaktivistin.
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