Widerstand. Nirgendwo in Deutschland folgten so viele Menschen einem Protestaufruf gegen die Machtergreifung.
Die Bevölkerung erfuhr am 30. Januar 1933, dass der Nationalsozialist Adolf Hitler zum Reichkanzler ernannt worden war. Am selben Tag wurden Kommunisten in Mössingen darüber informiert, dass die KPD einen Generalstreik gegen Hitler beschlossen habe. Am 31. Januar 1933 versammelten sich mittags rund 100 Menschen. Aus der Stadtchronik von Mössingen geht hervor, dass kurz nach 12.30 Uhr ein Demonstrationszug den Weg aufnahm. Voraus marschierten drei Fahnenträger mit roten Fahnen, es folgt das Transparent 'Heraus zum Massenstreik' und dahinter gingen in Viererreihen die Demonstranten. Es wurden Lieder angestimmt und immer wieder Parolen gerufen, vor allem: 'Wer macht uns frei? Die kommunistische Partei!' und 'Hitler verrecke!'
Ein bedeutender Betrieb in Mössingen war die von den jüdischen Brüdern Arthur und Felix Löwenstein geführte Textilfirma Pausa. Die Belegschaft entschloss sich nach knapper Abstimmung, an der Demonstration teilzunehmen. Die Chefs gaben den Arbeitern für den Nachmittag frei. Otto Merz, der Chef einer Trikotwarenfabrik, reagierte anders, als der auf 600 Teilnehmer gewachsene Zug den größten Betrieb der Stadt erreichte. Streikende stürmten in den Nähsaal und riefen 'Auf, raus zum Generalstreik!' Einige Arbeiterinnen wurden von ihren Plätzen gedrängt und nach draußen gezerrt. Merz verlangte von Bürgermeister Karl Jaggy, auswärtige Polizeikräfte herbeizurufen. Jaggy, so heißt es in der Chronik, forderte Merz auf, spazieren zu gehen und zu warten, bis der Spuk vorbei sei. Merz meldete sich direkt bei der Polizei. Gegen 16 Uhr rückten 40 Polizeikräfte aus Reutlingen an, bewaffnet mit Pistolen und Gummiknüppeln. Die Demonstration löste sich sofort auf, viele der dann sogar 800 Teilnehmer flüchteten über die Felder.
Nur Stunden später wurden zunächst 58 Personen verhaftet. Am Ende wurde gegen 98 Streikteilnehmer Anklage erhoben. Bei 92 lautete die Anklage auf 'Landfriedensbruch', bei sechs auf 'Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit erschwertem Landfriedensbruch'. Verurteilt wurden 80 Personen, darunter drei Frauen. Die Haftstrafen bewegten sich zwischen drei Monaten und zweieinhalb Jahren