Am Kieler Vineta-Platz eröffnete Anfang Dezember 2012 ein Geschäft mit Namen “PLS-Werkzeuge”. Vordergründig wirbt das Geschäft damit, ein “An- und Verkauf” zu sein und Schlüssel und Gravuren zu vertreiben. Wie eintieferer Blick in das Sortiment bestätigt, handelt es sich dabei hauptsächlich um Einbruchswerkzeug und Bewaffnung. Aus antifaschistischer Perspektive verdächtig erscheint, dass die Betreiber des Ladens, soweit sie bekannt sind, sämtlich einer Melange aus militanter Neonazi-Szene und Rocker-Gruppierungen zugehören. Inwieweit das Geschäft auch zu neonazistischen Aktivitäten genutzt wird oder ob es nur profanen Profitinteressen dient, bleibt fraglich.
Das Geschäft
Wie erwähnt existiert das Geschäft in dem Ladenlokal erst seit kurzem, ist aber Teil eines Unternehmens, das abwechselnd unter “Polenschlüssel” oder “PLS-Werkzeuge” (PLS=”Polenschlüssel) firmiert. Dieses Unternehmen wird schon seit mehreren Jahren von Neonazis aus Schleswig-Holstein betrieben¹.
Unter dem rassistischen Firmennamen versuchten sie bisher lediglich 
über das Internet Geld mit dem Verkauf von Einbruchswerkzeug zu 
verdienen. Seit neuestem ist auch das Ladenlokal im Kieler Stadtteil 
Gaarden dazugekommen. Konkrete neonazistische Bezüge werden versucht aus
 dem Unternehmen heraus zu halten. Sicherlich um zum einen das Geschäft 
nicht zu schädigen und um zum anderen das Bedürfnis nach “unpolitischem”
 Auftreten des (zwischenzeitlich verbotenen) Neumünsteraner 
“Bandidos”-Chapters zu befriedigen, das an den Geschäften über seine 
Mitglieder Alexander Hardt und Peter Borchert partizipiert. Dieses 
gelang nur mäßig, schließlich ist eine der Adressen des Unternehmens 
jene des neonazistischen Lokals “Club88″ (“88″ steht für “Heil Hitler”) 
in Neumünster und es sind alle bisher bekannten Betreiber Neonazis, die 
ohne Ausnahme in gewaltbereiten Strukturen organisiert sind oder waren.
Ob die Eröffnung des Geschäfts in Kiel ein Erfolg wird bleibt 
abzuwarten. Neben möglichen antifaschistischen Protesten gilt Kiel als 
Hochburg der “Hells Angels” und damit der direkten Konkurrenz der 
“Bandidos”. Außerdem haben auch staatliche Organe die 
Rocker-Gruppierungen zuletzt verstärkt mit repressiven Maßnahmen 
bekämpft.
Die Akteure
Bekannt als Betreiber von “PLS-Werkzeuge” sind bis jetzt drei Personen. Die wohl bekannteste Persönlichkeit, die mit dem neuen Geschäft in Kiel assoziiert wird, ist Peter Borchert. Nachdem mit ihm als Landesvorsitzendem zunächst die militanten Neonazi-Strukturen den Landesverband der NPD “übernahmen”, baute Borchert ab 2007/2008 maßgeblich Gruppierungen im Stil der “Autonomen Nationalisten” in Schleswig-Holstein mit auf, allen voran die “AG Kiel”. Diese trat bis in das Jahr 2010 vor allem durch militante Übergriffe verschiedenster Art in Erscheinung. Dieser Gruppierung können auch mutmaßlich die Schüsse auf die Alte Meierei zugeordnet werden²⁺³.
 Relativ schnell ergaben sich auch personelle Überschneidungen der 
militanten neonazistischen Gruppierungen und den sogenannten “Outlaw 
Motorcycle Gangs” (OMG), allen voran den “Bandidos”. Schwerpunkt dieser 
losen Zusammenarbeit waren die Städte Kiel und Neumünster. Auch wenn 
beide Seiten (OMGs wie neonazistische Zusammenhänge) stets ihre 
Unabhängigkeit voneinander betonten, waren die starken Verbindungen 
nicht zu übersehen. Eine der zentralen Figuren dieser Integration 
neonazistischer Akteure in Rocker-Gangs, und damit auch in die 
organisierte Kriminalität, ist Peter Borchert. Neben diversen 
Übergriffen im politischen Kontext ist Borchert u.a. wegen eines
Tötungsdelikts, gefährlicher Körperverletzung und 16-fachen Waffenhandels vorbestraft⁴⁺⁵,
was dazu führte, dass er ca. ein Drittel seines bisherigen Lebens in 
Haft verbracht hat. Aktuell verbüßt Borchert noch eine Haftstrafe, weil 
er zwei Mitglieder verfeindeter Rocker-Gruppierungen niedergestochen 
haben soll. Die Haftstrafe läuft im Jahr 2013 aus.
Politisch vertritt Peter Borchert den national-revolutionären Ansatz der
 “Autonomen Nationalisten”, vorbestraft ist er unter anderem auch im 
Zusammenhang mit militanten Aktivitäten des “Blood and Honour-Netzwerks”
 und dessen terroristischen Arms “Combat 18″.
 Mit dem Stadtteil Gaarden in Kiel verbindet Peter Borchert schon 
eine längere Geschichte. Borchert führte bereits mehrere Versuche durch,
 in dem Stadtteil Fuß zu fassen, unter anderem durch einen Umzug nach 
Gaarden und dem Aufbau einer neonazistischen Wohngemeinschaft. Diese 
Versuche scheiterten am Widerstand antifaschistischer Aktivist_innen⁶. Insofern könnte die Beteiligung Borcherts an dem neuen Geschäft in Gaarden durchaus eine persönliche Note für ihn haben.
Seine genaue Rolle in dem Geschäft ist aufgrund seiner andauernden 
Inhaftierung noch nicht absehbar. Allerdings stellt allein die Tatsache,
 dass er offen auf dem Schild des Ladens firmiert eine unverhohlene 
Provokation dar. Schließlich hat er im Laufe der Jahre diverse 
Anfeindungen in Kiel provoziert. Neben Konflikten mit Antifaschist_innen
 hat Borchert inzwischen vier Mitglieder der in Kiel dominant 
auftretenden “Hells Angels” und deren Unterstützergruppierungen 
niedergestochen. Also ist davon auszugehen, dass die Beteiligung 
Borcherts an dem Geschäft nicht nur der Knüpfung eines sozialen und 
finanziellen Netzes für die Zeit nach der Haft dient, sondern auch eine 
Kampfansage an seine bisherigen Gegner_innen darstellt.
Lars Bergeest ist bislang spärlicher öffentlich in 
Erscheinung getreten, allerdings gilt dieser schon seit Jahren als ein 
Drahtzieher im “Blood and Honour-Netzwerk”. Der aus Ostholstein kommende
 Kader organisiert klandestin durchgeführte Rechtsrockkonzerte und 
pflegt gute Kontakte nach Skandinavien, vor allem nach Dänemark, wo er 
zwischenzeitlich lebte, und nach Schweden. So war er auch schon führend 
an schwedischen Demonstrationen mit neofaschistischen Inhalten beteiligt⁷.
 Auch besuchte er wiederholt andere neonazistische Aufmärsche, so 
diverse Male den jährlichen “Trauermarsch” in Lübeck und 
Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltungen in Dänemark. Sein persönliches Umfeld 
besteht vor allem aus Neonazis aus Ostholstein, wodurch er auch den 
inzwischen in Neumünster wohnhaften Alexander Hardt kennt.
Seine Funktion in dem “Polenschlüssel”-Versand ist die Geschäftsführung,
 welche er schon kurz nach dessen Eröffnung im Jahr 2010 von Hardt 
übernahm⁸.
 Alexander Walter Wilhelm Hardt stammt ursprünglich aus 
Ostholstein und wohnt inzwischen in Neumünster. Hardt ist den 
subkulturell geprägten neonazistischen Strukturen um den neumünsteraner 
“Club88″ und das “Blood and Honour-Netzwerk” zuzuordnen. Erstmals 
öffentlich bekannt wurde Hardt, als er wegen einer 2008 begangenen 
Schändung des jüdischen Friedhofs seiner damaligen Heimatstadt Neustadt 
i.H. angeklagt war. Zu dem Prozess begleiteten ihn bekannte Akteure der 
Rechtsrock-Szene, so Lars Bergeest und Marko Eckert, Sänger der 
neonazistischen Band “Words of Anger”. In der Folge fiel Alexander Hardt
 wiederholt durch Vergehen mit eindeutigen politischen Bezügen auf. So 
hat er das Booklet der verbotenen CD “Geheime Reichssache” der Band 
“Kommando Freisler” gestaltet. In dem Booklet sind unter anderem 
Hakenkreuze abgebildet und es wird auf der CD zu einer Neuauflage der 
Shoa aufgerufen. Auch für diese Vorgänge in Rahmen des “Blood And 
Honour”-Projekts “Kommando Freisler” fand sich Hardt vor Gericht wieder⁹.
In den letzten Jahren ließ der politische Aktionismus von Hardt 
zugunsten seines Engagements bei den “Bandidos” etwas nach. Allerdings 
ist der Kampfsportler Hardt immer noch eng mit der neonazistischen Szene
 verknüpft. So trainiert er in Neumünster in der unter Neonazis 
beliebten Kampfsportschule “Athletik Klub Ultra”, bewegt sich im Umfeld 
des “Club88″ und veröffentlicht auf dem Portal der “Freien Szene”, 
“Mein-SH”. Auch trägt er immer noch politische Konflikte aus, die zum 
Teil zu Prozessen führen, wie dem gegen Angelika Beer¹⁰.
Alexander Hardt ist Gründer des “Polenschlüssel”-Versands und auch 
Inhaber der Domains. In dem alltäglichen Geschäft scheint er vor allem 
die Betreuung des Ladengeschäfts in Kiel übernommen zu haben, wo er als 
Verkäufer auftritt.
Einschätzung
Dass das neue Ladengeschäft sich zu einem offenen Treffpunkt 
neonazistischer Zusammenhänge entwickelt, ist aus verschiedenen 
Gesichtspunkten unwahrscheinlich. Zum einen ist der Geschäftsinhalt zu 
profan und das Geschäftsinteresse insbesondere der “Bandidos” zu groß, 
um sich einen offenen politischen Anstrich zu geben. Außerdem verfügen 
jene neonazistischen Strukturen, denen die Betreiber des Geschäfts 
zuzurechnen sind, mit dem “Club88″ über einen offenen Treffpunkt und 
dürften deshalb keinen Bedarf haben, das kleine Ladengeschäft für solche
 Zwecke zu nutzen. Zum anderen haben die Neonazis in den letzten Jahren 
in Kiel den offenen Auftritt weitgehend gescheut, denn die kritische 
Öffentlichkeit ist dort präsenter als in den ländlichen Regionen.
Trotzdem, oder gerade deshalb, ist das Geschäft aus antifaschistischer 
Perspektive kritisch zu beurteilen. Schließlich sind alle Betreiber 
offene Neonazis. Im Falle eines wirtschaftlichen Erfolgs des Geschäfts 
würden sich in jedem Fall ihre, vermutlich auch die Handlungsfähigkeit 
ihrer Strukturen vergrößern. Über die Geschäfte im Rocker Milieu wird 
“verdienten” Kadern so ein wirtschaftliches und soziales Auskommen 
gewährleistet, ohne das hierzu eine Abkehr von ihren Aktivitäten im 
politischen Kontext nötig wäre. Neben der Manifestierung der 
wirtschaftlichen Handlungsfähigkeiten von den schon einbezogenen Kadern 
stellt dies auch einen Ansporn für junge Neonazist_innen dar, sich zu 
beweisen und so auch in den finanziellen Einflussbereich der 
organisierten Kriminalität zu kommen.
Außerdem stellt natürlich jeder öffentliche Auftritt von Neonazis allein
 schon eine Zumutung für Menschen dar, die nicht in deren Weltbild 
passen oder passen wollen.
¹ http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/gelb-rot-braun-schleswig...
² http://www.altemeierei.de/tiki-read_article.php?articleId=1403
³ http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/wer-schoss-2010-auf-die-...
⁴ http://jungle-world.com/artikel/2012/31/45962.html
⁵ http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/kieler-npd-ratsherr-guts...
⁶ http://de.indymedia.org/2008/04/213985.shtml
⁷ http://antifa.sfa.over-blog.com/article-19050269.html
⁸ http://antifanms.blogsport.de/2010/06/14/hardt-gibt-zustaendigkeit-fuer-...
⁹ http://antifanms.blogsport.de/2010/01/27/kommando-freisler-prozess-gelds...
¹⁰ https://www.taz.de/!100105/
http://quimera.noblogs.org



