Vereint durch Vergangenheit und ein Versprechen: Mitglieder von Studentenverbindungen halten die Tradition in Ehren. Doch eigentlich sind ihre Ziele genauso unterschiedlich, wie die Gesinnung ihrer Mitglieder - immer häufiger kommt es deshalb zur Spaltung.
Turnverbindung, Sängerschaft oder katholische Unitas: Sie alle zählen zu den Studentenverbindungen, die es in Deutschland gibt. Trotz unterschiedlicher Ziele eint sie eine lange Historie und das Versprechen, dass ein Lebensbund mit der Gemeinschaft geschlossen wird. Ihren Ursprung hat die Bewegung in der Zeit nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts. Viele Studenten hatten freiwillig daran teilgenommen. Ehre, bürgerliche Freiheit, geeintes Vaterland schrieben sie sich auf die Fahnen und kämpften gegen die deutsche Kleinstaaterei. Schon damals bestand die Bewegung aus Gruppen mit unterschiedlichen Ideen: nationalen, christlichen und liberalen.
In und um München gibt es heute 80 Verbindungen, darunter auch Burschenschaften, die Mitglieder im umstrittenen Dachverband Deutscher Burschenschaften (DB) sind Er wurde vor fast zwei Jahrhunderten gegründet und soll der Vernetzung der heute 120 Mitgliedsbünde dienen. Durch die Mitgliedsbeiträge werden Fortbildungen wie Rhetorik-Seminare oder auch der jährliche Burschentag in Eisenach finanziert. Ziel des Verbandes ist es auch, Einfluss auf politische Prozesse zu nehmen.
In den vergangenen Jahren stand der DB jedoch vor allem selbst im Fokus politischer Debatten. Die Diskussionen über den Umgang mit rechtsextremen Tendenzen führten zur Spaltung, mehrere Auflösungsanträge wurden gestellt. Christian Becker, Gründer der Initiative "Burschenschafter gegen Neonazis", wurde aus seinem Bund wegen "verbandsschädigendem Verhalten" ausgeschlossen. Er gilt als Kritiker des DB und berichtet bis heute in einem Internetblog über dessen rechte Umtriebe.
Als auf einer außerordentlichen Versammlung im November drei Ausschlussanträge gegen Burschenschaften scheiterten - darunter auch der gegen die teilweise vom Verfassungsschutz beobachtete Münchner Danubia trat die Hilaritas Stuttgart aus dem Verband aus. Mehr als ein Dutzend als liberal geltende Bünde kündigten ihren Austritt an. Ihnen fehlte ein klares Zeichen gegen Rechts.
Meinungen spalten Verbände
Es ist nicht das erste Mal: Bereits 1996 hatte die Diskussion über die Staatsangehörigkeit von Burschen und die Einführung der Pflichtmensur - in der DB sind vor allem schlagende Verbindungen organisiert - zu Austritten geführt. Mehrere Mitgliedsbünde gründeten einen eigenen Verband. Der Neuen Deutschen Burschenschaft gehören heute 22 Bünde an, darunter auch die Bubenreuther aus Erlangen. Zwischen September 2011 und Februar 2012 verlor der Verband auch deswegen fünf Mitgliedsbünde, ein finanzieller Verlust: Nach Berechnungen von DB-Kritiker Becker gingen dem Dachverband dadurch knapp 13.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen verloren.
Die Adelphia Würzburg hatte sich damals als erste Burschenschaft für den Austritt aus der DB entschieden. Als Begründung gaben die Burschen die "rechten Attacken" mehrerer Mitgliedsbünde an. Seit dem Austritt vor über einem Jahr ist Adelphia eine freie Verbindung und Mitglied keines Verbandes. Die Vernetzung mit anderen Verbindungen könne heute auch über soziale Netzwerke erfolgen, sagt eines der Mitglieder.
Umtrunk in Abendgarderobe und rauchende Füchse
Tatsächlich haben einige Burschenschaften Profile auf Facebook angelegt und geben damit einen Einblick in eine Welt, die für Außenstehende meist schwer zu begreifen ist. So lädt die Alemannia München zu Vorträgen über Europa ein. Abendgarderobe ist dabei Pflicht. Die Minerva zu München postet Fotos von einem gemeinsamen Umtrunk in schicker Uniform. Auf einem Bild ist ein ausgestopfter Fuchs mit einer Pfeife in den Pfoten zu sehen.
Nichtschlagend und christlich statt politisch sind die Mitgliedsbünde des Schwarzburgbundes. 1887 gegründet, gehören zu den 22 Mitgliedern auch gemischte Bünde, bei denen Frauen mitmachen dürfen. Reine Frauenverbindungen gibt es in Deutschland selten, Burschenschaften sind eine Männerdomäne.
Erst in den vergangenen 20 Jahren hat eine Gegenbewegung eingesetzt. Selenia München ist seit ihrer Gründung 2005 die einzige Damenverbindung in der Landeshauptstadt. Eine der ältesten Damenverbindungen ist die 1982 gegründete Merzhausia in Freiburg. Gold gehört zu ihren Verbindungsfarben und steht den Mitgliedern zufolge für Sekt, das Bier der Frauen.