Seit vier Jahren leitet Beate Bube den Landesverfassungsschutz. Der feiert jetzt sein 60-jähriges Bestehen. Worin besteht der Job der Mitarbeiter? Hat sie verdeckte Ermittler im Einsatz? Ein Interview.
BZ: Frau Bube, was machen die 338 Mitarbeiter in Ihrer Behörde?
Bube: Ein starkes Drittel ist operativ tätig, zum
Beispiel als V-Mann-Führer oder in der Observation oder bei der
Telekommunikationsüberwachung. Ein weiteres starkes Drittel der
Mitarbeiter wertet die Informationen aus und vermittelt die Erkenntnisse
der Politik, anderen Sicherheitsbehörden und der Öffentlichkeit. Etwa
ein Viertel des Personals gehört zur allgemeinen Verwaltung und zum
Bereich Technik.
BZ: Haben Sie auch verdeckte Ermittler, also Beamte, die in extremistische Szenen eingeschleust werden?
Bube: Nein.
BZ: Wie viele V-Leute haben Sie unter Vertrag, also Extremisten, die gegen Geld Kameraden bespitzeln?
Bube: Das ist geheim. Aber es sind weniger, als die Öffentlichkeit meist denkt.
BZ: Und mit welchen Gefahren beschäftigt sich Ihr Landesamt vor allem?
Bube: Unser Schwerpunkt ist die Beobachtung des
islamistischen Extremismus und Terrorismus. An zweiter Stelle kommt der
Rechtsextremismus und -terrorismus, der seit der Aufdeckung des
NSU-Trios noch mehr an Bedeutung gewonnen hat. Es folgen Ausländer- und
Linksextremismus, Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz sowie die
Scientology-Organisation.
BZ: Ist der Verfassungsschutz reformbedürftig?
Bube: Wenn eine rechte Terrorgruppe wie die NSU
jahrelang unerkannt im Untergrund leben und morden kann, werden zu Recht
Konsequenzen gefordert. So müssen die Verfassungsschutzämter von Bund
und Ländern besser zusammenarbeiten. In diesen Tagen wird die
Innenministerkonferenz zum Beispiel beschließen, dass es
bundeseinheitliche Standards zur Führung von V-Leuten geben soll.
BZ: Was wird sich dadurch ändern?
Bube: In Baden-Württemberg wenig. Wir hatten schon
bisher eine anspruchsvolle Dienstvorschrift und hohe Standards zur
V-Mann-Führung. So darf bei uns ein V-Mann keine steuernde Funktion in
der überwachten Organisation innehaben. Es soll nicht der Eindruck
entstehen, dass der Staat extremistische Organisationen steuere, was er
natürlich ohnehin nicht tut.
BZ: Wäre es nicht an der Zeit, solche Regeln in einem V-Leute-Gesetz zu veröffentlichen, damit sie jeder nachlesen kann?
Bube: Nein. Wenn wir alle Kriterien der
V-Leute-Gewinnung offenlegen, können sich die Überwachten an fünf
Fingern abzählen, wer in ihrer Organisation der V-Mann ist.
BZ: Was hat sich nach dem baden-württembergischen Regierungswechsel beim Verfassungsschutz getan?
Bube: Die bisherigen Änderungen sind Folgen der
NSU-Entdeckung. Im Rahmen einer Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
hat Innenminister Gall im Oktober eine Projektgruppe angekündigt.
Details stehen noch nicht fest.
BZ: Könnte es ein Ziel sein, den Verfassungsschutz auf
die Beobachtung gewaltbereiter Szenen zu beschränken und die Beobachtung
bloßer Agitation aufzugeben?
Bube: Das wird diskutiert werden. Ich gebe aber zu
bedenken, dass der Verfassungsschutz im Gegensatz zur Polizei ein
Frühwarnsystem ist, das gerade auch das Vorfeld von Straftaten aufklären
soll. Der Verfassungsschutz soll ein Gesamtbild liefern und er soll
merken, wenn sich etwas zusammenbraut.
BZ: Die sogenannte Autonome Antifa Freiburg hat 2009
aufgedeckt, dass ein Südbadener Neonazi Chemikalien zum Bombenbau
hortete. Statt sich zu bedanken, beobachten Sie die Antifa als
Verfassungsfeinde. Warum?
Bube: Wir beobachten die Autonome Antifa, weil sie
diesen Staat ablehnt, eine andere Gesellschaftsordnung anstrebt und weil
sie Gewalt gegen politische Gegner und die Polizei propagiert und
einsetzt.
BZ: Aber die Antifa liefert mehr Erkenntnisse als der Verfassungsschutz. Macht Sie das neidisch?
Bube: Nein. Wir arbeiten eben – anders als die Autonome
Antifa – rechtsstaatlich und halten uns an die Befugnisse, die man uns
gibt. Das werden Sie ja wohl nicht kritisieren.