Die Kritik des Antifaschismus im historischen Kontext

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Einladung zu einer Auseinandersetzung mit Christian Riechers (1936-1993)

Der Faschismus wird nicht übermächtig aus eigener Stärke, sondern aus der Schwäche seiner Gegner. Man kann dies als Leitmotiv Christian Riechers' verstehen. Welchen Anteil haben taktische Fehlentscheidungen und ideologische Phraseologie, exemplarisch verdichtet in den Maßnahmen stalinistischer Gängelung, an der welthistorischen Niederlage der Arbeiterbewegung in den 1920er Jahren?

 

Im Mittelpunkt seiner Schriften stehen die linkskommunistische Kritik am beginnenden Stalinismus und mehr noch der Zusammenhang von Arbeiterbewegung und Faschismus als Ergebnis eines verlorenen Klassenkampfes. Der Marxismus, so stellt Riechers fest, ist nicht die Lehre von der Revolution, sondern von der Konterrevolution. Revolutionen machen – das kann jeder! Aber die Niederlagen verkraften, sie verstehen, sich in ihnen zurechtzufinden – dazu bedarf es der feinen Sensoren der Marxschen Kritik. Das ist Riechers' Credo.

 

In den 70er Jahren, als bundesdeutsche Linksstudenten im fleißigen Parteiaufbau alles taten, um nicht über die welthistorische Niederlage der 20er und 30er Jahre nachdenken zu müssen, kommt Riechers auf die Frühgeschichte des Faschismus – die italienische Eröffnung – zurück. Er entdeckt Ignazio Silone als brillanten Historiker des Faschismus, und vor allem rehabilitiert er Amadeo Bordiga: Weder macht Riechers den Bordiga-Kult bizarrer Splittergruppen mit noch schließt er sich dem Mainstream an, in dem Bordiga bloß als halsstarriger Dogmatiker vorkommt. Tatsächlich erweisen sich die Penetranz, mit der Bordiga immer wieder der Kommunistischen Internationale ihre Fehleinschätzungen vorwirft, und das Misstrauen, das er sozialdemokratischen Bündnispartnern entgegenbringt, als durchaus realistisch.

 

Christian Riechers war nicht nur einer der ersten westdeutschen Gramsci-Forscher, sondern auch Gramsci-Kritiker, dem es um radikale Kritik ging: um die Verhaftung Gramscis in spätbürgerlich-jakobinischer Politik und proto-stalinistischer Parteipolitik. Früherer Schüler des Rätekommunisten Willy Huhns, war Riechers seit 1971 Dozent an der Uni Hannover, 1973 rief er das »Projekt Arbeiterbewegung« ins Leben. Davor lebte er acht Jahre in Italien, wo er mit Amadeo Bordiga in Kontakt kam. 1978 gab er Ignazio Silones »Der Fascismus« neu heraus.

 

Gravitationszentrum der Lesung soll Riechers' historische Kritik am Antifaschismus sein. Davon ausgehend wird auf seine Kritik an der sich stalinisierenden Komintern und an bürgerlich-kulturalistischen Formen von Arbeiterideologie übergegangen. Die Lesung bezieht sich nicht primär auf einen Text, noch wird der Herausgeber Felix Klopotek einfach seine Einleitung verlesen. Vielmehr sollen in einer querschnitthaften Collage Einheit und Mannigfaltigkeit des Werkes vorgestellt werden.

 

Buch: Christian Riechers: Die Niederlage in der Niederlage. Texte zu Arbeiterbewegung, Klassenkampf, Faschismus. Hrsg., eingeleitet und kommentiert von Felix Klopotek. Unrast Verlag, Münster 2009, 576 Seiten, 28 Euro

 

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