Bundesbau- und Verkehrsminister Peter Ramsauer hat direkt vor der eigenen Haustür eine riesige Baustelle. Gestern endete die Bewerbungsfrist für Bayerns größte Wohnungsgesellschaft GBW, die die Landesbank auf Druck der EU verkaufen muss, um damit einen Teil der Milliardenhilfen für ihre Rettung an die bayerische Staatskasse zurückzuzahlen. Der Verkauf von 32 000 Wohnungen an ein privates Immobilienunternehmen, so fürchten Mieterorganisationen und Opposition im Landtag, könnte den etwa 85 000 GBW-Mietern im Freistaat saftige Mieterhöhungen von 20 Prozent und mehr bescheren. Das kommt freilich für die regierende CSU im Vorfeld der Landtagswahlen zur Unzeit. Und für den von ihr gestellten Bundesbauminister gleich im doppelten Sinne ziemlich dicke. Zum einen, weil Ramsauer sich sowieso längst nicht mehr nur als Verkehrspolitiker tarnen kann angesichts der sich zu einer neuen Wohnungsnot zusammenballenden Probleme im Lande: niedrigste Neubauzahlen seit Jahren, geschrumpfter Bestand an Sozialwohnungen, fortschreitende Privatisierungen, exorbitant steigende Mieten in Ballungszentren sowie eine nie dagewesene Wohnkostenbelastung der Haushalte. Zum anderen, weil er seit geraumer Zeit die Verantwortung für die Misere an die Länder weiterreicht - und im Falle der GBW-Wohnungen nun ausgerechnet bei den Seinen genau ins Schwarze trifft.
Da wird Ramsauer auch wenig trösten, dass die heutigen zeitgleichen Demonstrationen in SPD- oder Grün-geführten Ländern stattfinden und also um Bayern einen Bogen machen. In Hamburg, Berlin und Freiburg haben Betroffeneninitiativen und außerparlamentarische Bündnisse zum Widerstand gegen hohe Mieten und Verdrängung aufgerufen, weil »steigende Mieten weder ein Naturgesetz noch ein lokales Spezialproblem« sind. Die Initiatoren - das Bündnis »Keine Rendite mit der Miete« in der Hauptstadt, das Bündnis »Mietenwahnsinn stoppen« der Elbmetropole und das Netzwerk »Recht auf Stadt« der baden-württembergischen Universitätsstadt - wollen mit Mieterinnen und Mietern nicht nur lokal, sondern bundesweit Druck machen. Denn die herrschende Politik hat die Probleme auf den Wohnungsmärkten nicht nur jahrelang ignoriert. Sie hat auch immer wieder höchstselbst durch die kapitalistische Organisierung der Wohnungsversorgung die Weichen für eine unsoziale Wohnungspolitik stellt, unter der insbesondere die ohnehin Benachteiligten besonders leiden.
Diese zumindest partielle Vernetzung des Widerstandes ist angesichts von jahrzehntelanger Ruhe an der »Mieterfront« - abgesehen von vereinzelten und zumeist auch isolierten Protesten - bemerkenswert. Eine neue Qualität sozusagen, die von den verantwortlichen Landes- wie Bundespolitikern bei diesem ersten Versuch womöglich noch ignoriert werden wird. Aber im Herbst 2013 wird nicht nur in Bayern gewählt. Und das Thema Wohnen ganz gewiss zu einem zentralen Thema der Auseinandersetzungen im Wahlkampf. Wenn dafür jetzt schon der Schulterschluss der von unsozialer Wohnungspolitik Betroffenen jenseits von Parlament und Parteipolitik geübt wird, erscheint es nicht abwegig, von der Wiederkehr guter alter Zeiten zu träumen. Im Herbst vor genau 20 Jahren hatten vor dem Roten Rathaus in Berlin 20 000 unter dem Ruf »Wir bleiben alle« gegen Mieterhöhungen und Verdrängung aus der Innenstadt protestiert.