Es war eine kalte Nacht in Berlin - ihre Decken und Isomatten durften die Flüchtlinge und Aktivisten, die vor dem Brandenburger Tor für eine neue Asylpolitik demonstrieren, trotzdem nicht behalten. Die Polizei verteidigt ihr Vorgehen, in sozialen Netzwerken herrscht Empörung über den Einsatz.
Jetzt, da die Sonne scheint, scheinen die Qualen der Nacht vergessen bei den rund zwanzig Flüchtlingen und Aktivisten, die in Berlin vor dem Brandenburger Tor ausharren. Sie wärmen sich mit Tee, einige schlafen nun, manche liegen rauchend auf dem Boden. Um sich herum haben sie Regenschirme aufgestellt, auf denen sehr unterschiedliche Parolen stehen: "Solidarity with the Refugees", oder auch: "No Banks".
Das erinnert alles ein bisschen an die Occupy-Bewegung. Aber der Hintergrund der Proteste in Berlin ist ein anderer: Flüchtlinge und Asylbewerber sind aus Würzburg zu Fuß in die Hauptstadt gezogen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Sie fordern legalen Aufenthalt, Zugang zum Arbeitsmarkt, die Abschaffung von Sammelunterkünften und der Residenzpflicht für Asylbewerber. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, sind einige der Flüchtlinge nach eigenen Angaben vor vier Tagen in Hungerstreik getreten. Unter die Asylbewerber haben sich mittlerweile linke Aktivisten gemischt.
Im Netz wird die Aktion - und vor allem die Reaktion der deutschen Behörden darauf - kontrovers diskutiert. Besondere Empörung herrscht darüber, dass die Demonstranten keine Isomatten, Decken und Schlafsäcke benutzen dürfen. Auch mehrere prominente Mitglieder der Piratenpartei beklagen sich per Twitter darüber. So twittert etwa Anke Domscheit: "kann ein polizist eigentl nachts schlafen, nachdem er hungernden, frierenden flüchtlingen decken u isomatten weggenommen hat?" Die Piratin Marina Weißband ruft zur Hilfe für die Frierenden auf: "Könntet ihr euch etwas Honig, Jacken und Decken unter den Arm klemmen und am Pariser Platz vorbei schauen?" Die Bloggerin Julia Probst, auch Piraten-Mitglied, schrieb: "WAS lese ich DA? Den frierenden Flüchtlingen beim #refugeecamp nimmt man die Decken + Schlafsäcken weg? Bitte sagt, dass das nicht stimmt. "
Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen. Es gebe einen Auflagenbescheid, wonach Campingutensilien nicht gestattet seien. Auseinandersetzungen habe es in der Nacht zum Sonntag auch nicht gegeben, so ein Beamter vor Ort zu SPIEGEL ONLINE. Die Demonstranten hätten die Decken und Matten freiwillig abgegeben. Einige von ihnen hätten sich inzwischen mit Decken, die einen Reißverschluss haben, beholfen. Sie gelten als Kleidungsstücke. In den Nächten zuvor war es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Nach Angaben der Aktivisten haben die Polizisten ihnen die Decken entrissen. Die Polizei wiederum beklagt, Beamte seien gebissen und geschlagen worden. Es habe mehrere Anzeigen gegeben, so ein Polizeibeamter.
Die Demonstration hatte bereits vor Tagen für Aufsehen gesorgt. Damals hatte die Polizei ein Großzelt der Aktivisten demontiert, nachdem sich diese geweigert hatten, es freiwillig abzubauen. Nach Polizeiangaben verstieß die Errichtung des Zeltes und der "Einsatz von Übernachtungs-Utensilien" gegen geltendes Recht.