Bittere Realität. Wer sich einmal durch die Chroniken der mobilen Opferberatung oder diverse Zeitungsmeldungen über neonazistische Aktivitäten in Sachsen-Anhalt hindurchgearbeitet hat, dem werden vor allem zwei Landkreise besonders häufig begegnen: Der Saalekreis und der Burgenlandkreis. Beide liegen im beschaulichen Süden Sachsen-Anhalts. Dort, wo man sich am Stammtisch noch unpolitisch geben und trotzdem Kategorie C hören, Thor Steinar tragen, gegen „Neger“ und „Kanaken“, „Schwuchteln“ oder „Zecken“ hetzen und seine Kinder beim örtlichen NPD-Fußballtrainer abgeben kann, ohne dafür Gegenwind zu erfahren oder kräftig ausgelacht zu werden.
Kein Wunder, dass sich hier, wo ohnehin eine fremdenfeindliche und autoritäre Grundstimmung vorherrscht, Neonazis zu Hause fühlen, während viele alternative und linke Jugendliche die Flucht ergreifen und wegziehen, sobald sie alt genug dafür sind. Verübeln kann man es ihnen nicht: Viel zu oft wird ihnen mit Ignoranz und Häme begegnet, wenn sie wieder einmal Opfer rechter Angriffe geworden sind. Von „selber Schuld, was läufst du auch so herum“ bis zu „Die Linken sind doch auch nicht besser“ sind die Reaktionen altbekannt.
Freie Kräfte im Burgenlandkreis – Auch dumme Nazis sind gefährlich
In diesem Brei aus Ignoranz, Rassismus, Wegschauen und Hass auf
alles Fremde gründen sich alle paar Jahre kleinere
Kameradschaftsstrukturen. Zur Zeit ist es die neonazistische Gruppierung
„Aktionsgruppe Weißenfels“ (kurz “AG Weißenfels”), die Hauptakteur im
regionalen Zusammenschluss “Freien Kräfte Burgenlandkreis” ist, welche
die bemitleidenswerten Existenzen ihrer Mitglieder damit aufpeppen will,
dass sich diese als „nationalrevolutionäre Avantgarde“ aufführen. Weil
die „nationale Revolution“ aber ausbleibt, backen sie vorerst kleinere
Brötchen und belassen es lieber beim “Punkerklatschen”,
„Migranten-durch’s-Dorf-Hetzen“ und Parolen schmieren.
Ihr Geltungsbedürfnis geht sogar so weit, dass sie sich in Fußballtrikotmanier T-Shirts mit dem Logo „Freie Kräfte Burgenlandkreis“ sowie den Vor- und Zunamen des jeweiligen Kameraden herstellen ließen. In diesem Uniformersatz traten sie bei der NPD-Sommertour in Halle/Saale als Schlägertrupp auf, der versuchte in Seitenstraßen Gegendemonstranten abzufangen. Bei so eindeutigen T-Shirts konnte aber selbst die Polizei nur schlecht wegsehen und so bekamen die Kameraden aus dem Burgenlandkreis Ruck-Zuck einen Platzverweis.
Dennoch: So dumm und unbedeutend die Mitglieder dieser Aktionsgruppen meist sind, so gefährlich sind ihre Aktionen leider für alle Menschen, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen. Mehrere, teilweise vorher im Internet angekündigte Überfälle seit der Gründung der “AG Weißenfels” zeugen davon.
Gewalt mit Ankündigung und die Tücken beim Bombenbau
So kündigte die Gruppe zum Beispiel via Facebook an, das „No silent
Backlands-Festival gegen rechte Gewalt“ angreifen zu wollen. Tatsächlich
wurde am Morgen vor dem Festival ein Glasbehälter mit Schwarzpulver auf
dem Gelände der Veranstaltung gefunden. Offenbar der peinliche Versuch
der AG Weißenfels, einen Sprengsatz zu bauen und in heilloser
Selbstüberschätzung den NSU zu imitieren. In der Nacht von Freitag zu
Samstag überfielen gegen 2 Uhr Nachts ca. 10 Neonazis zwei
Konzertbesucher auf dem Heimweg. Sie schlugen die Betroffenen, knallten
ihre Köpfe gegen eine Wand und traten auf ihre am Boden liegenden Opfer
ein. Zwei Nächte zuvor hetzten jene Neonazis 2 Jugendliche mit
Teleskopschlagstöcken durch die Stadt und jagten diese selbst nach einer
versuchten Festnahme weiter.
Regelmäßig sind die “Freien Kräfte Burgenlandkreis” auf Konzerten und
Demonstrationen zu sehen, wo sie sich mit eigenen Transparenten in Szene
setzen und natürlich nette Bildchen für ihre Homepage machen.
Darüber hinaus findet seit 2006 jährlich ein Gedenken an die Rathenau-Attentäter statt, an dem diverse “Freie Kameraden” und NPD-Funktionäre aus Delitzsch, Leipzig, Merseburg und Halle teilnehmen. Selbst ein zwischenzeitliches Verbot jener Veranstaltung hielt die Teilnehmer nicht davon ab, das SS-Lied “Wenn alle untreu werden” zu singen.
NPD – unter den Schlägern ist der mit Parteiausweis König
Neben den „freien Kameraden“ spielt die NPD im Burgenlandkreis
eine führende Rolle bei der Organisierung von Neonazis. Nicht weil sie
die charismatischsten Führungsfiguren, die eloquentesten Mitglieder (2)
oder gar die intelligentesten Bürgermeisterkandidaten hat (3), sondern
weil sich an ihr und ihrem Erfolg herauskristallisiert, welche ignoranten und fremdenfeindlichen Bürger der Burgenlandkreis
sonst so beherbergt. Die NPD kann hier tatsächlich für sich in Anspruch
nehmen, einen (von der Größe her) relevanten Bevölkerungsteil zu
repräsentieren. Dabei hat sie bisher versucht, sich vom Ruch der
Gewalttätigkeit fern zu halten und bürgernah aufzutreten.
Einfach charismatisch: NPD-Bürgermeisterkandidat und Ex-Fußball-Jugendtrainer Lutz Battke
Die Verbindungen zu Organisationen wie der „AG Weißenfels“ sind jedoch offensichtlich. So stehen mindestens 2 Amtsträger in der NPD der AG Weißenfels mehr als nahe bzw. sind Mitglied in ihr: Zum einen Steffen Schwabe (3), sowie Patrik Murmann. Auch wurde Lutz Battke (NPD-Kreistagsmitglied und Bürgermeisterkandidat von Laucha) mehrfach bei Treffen der “AG Weißenfels” gesehen.
Darum: Antifaschistisches Sightseeing durch Weißenfels
Erkundungstour durch eine „national befreite Zone“
Wir wollen gemeinsam mit euch am 03.11.2012 eine
antifaschistische Demonstration durch Weißenfels machen. Warum? Weil wir
es können! Wir wissen genau wie sehr es die Nazis ärgert, wenn wir
durch jene Städte und Stadtviertel laufen, in denen sie sich mittels
Faustrecht eine Vormachtstellung verschafft haben. Wir wollen in
Weißenfels demonstrieren, einfach um den Trotteln zu zeigen, dass sie
uns auch mit ihrer dumpfen Gewalt nicht davon abhalten können, durch
„ihre Stadt“ oder „ihr Viertel“ zu laufen. Wir wollen ihnen zeigen, wie
lächerlich ihre Allmachtsphantasien sind und dass sie nicht Herrscher
von Weißenfels sind, nur weil sie ab und an ein paar alternative
Jugendliche verprügeln oder dumpfe Parolen an Hauswände schmieren. Die
Vorstellung, wie die “AG Weißenfels”, die NPD und der rechtslastige Teil
der Weißenfelser Bevölkerung grimmig hinter ihren Wohnzimmergardinen
hocken und tatenlos zuschauen müssen, wie wir an ihren Wohnorten,
Lieblingskneipen und Treffpunkten vorbeiziehen, zaubert uns ein Lächeln
aufs Gesicht. Wir wollen die realen Verhältnisse im Burgenlandkreis
nicht bagatellisieren oder uns auf einen Machtkampf mit den Neonazis
einlassen. Wir wollen ihnen schlicht zeigen, dass wir ihnen jederzeit,
auch in Orten in denen sie akzeptiert und/oder ignoriert werden, den Tag
vermiesen können.
Egal wo und egal wie – Nazis sind nicht nur scheiße, sondern auch
gefährlich, für ALLE, die nicht in ihr beschränktes Weltbild passen.
Deshalb ist jede auch noch so kleine Aktion, die sie zur Weißglut bringt mehr als berechtigt.
Deshalb sind wir an diesem Tag vor Ort.
Kommt alle am 03.11.2012 nach Weißenfels!
National befreite Zonen aufmischen!
ISI – Bündnis Intervention statt Ignoranz
(1) siehe ab 3:32:
(2) Andreas Karl forderte auf einem Bürgermeisterkandidatenforum in Halle/Saale die Wasserversorgung wieder städtisch zu machen. Wie der Name “Stadtwerke Halle” aber schon sagt sind sie das bereits.
(3) Steffen Schwabe, stellvertretender
Vorsitzender der NPD-Ortsbereichs-
gruppe Weißenfels“