Demonstration gegen Arnulf Priem in Moabit. Keine Ruhe den rechten Tätern!
Deutschland im Jahr 2012 …eine lange Tradition des Wegschauens
13 Jahre zieht eine rechte Terrorzelle durchs Land, verübt Anschläge und erschießt Menschen – gedeckt durch Sicherheitsorgane und von Medien und Ermittlungsbehörden rassistisch als „Millieukonflikt“ heruntergespielt. Nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) war die Rede von einer „neuen Qualität“ des rechten Terrors. Der Blick auf den NSU, dessen Ziehväter und Unterstützer_innen, sowie das Verhalten des Staates machen deutlich: es gibt in Deutschland keine „neue Qualität“ des neonazistischen Terrors, sondern eine lange Tradition des Wegschauens, Leugnens und des Verharmlosens.
Nicht erst im Fall des NSU öffnete der Staat seine Schleusen nach rechts. Bereits in den 1990ern ließ er den Volksmob gewähren und übergab ihm das Gewaltmonopol – mit einem Ziel: der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Nach Jahren rassistischer Hetze durch Politik und Medien versammelten sich in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 rund 3000 Menschen. Zum Gaffen, Klatschen oder Mitmachen, als es darum ging, Migrant_innen anzugreifen. In dem Moment, in dem in Lichtenhagen Brandsätze in die Wohnunterkünfte von rumänischen Asylbewerber_innen und vietnamesischen Vertragsarbeiter_innen flogen, ging die Saat des Staates auf. Mit der zynischen Begründung, die Deutschen seien von der „Asylantenflut“ „überfordert“, beseitigte der Bundestag im Dezember desselben Jahres letzten Endes das Grundrecht auf Asyl. Dies bestätigte die Rassist_innen in ihrer Meinung, politische Veränderungen durch blanken Terror herbeiführen zu können. Diese Überzeugung wurde der Neonazi-Generation „Rostock“ vermittelt, und in dieser Überzeugung machten sie danach weiter, von dem Brandanschlag in Mölln bis zum letzten NSU-Mord. Rostock war die Initialzündung für eine rechte Gewaltwelle, die die gesamten 90er Jahre andauerte und hunderte Tote forderte.
Die überwiegende Mehrheit der Verantwortlichen des rechten Straßenterrors der 90er vertritt auch heute ihre Ideologie. Einige genießen ungestört ihren „politischen Ruhestand“, andere wiederum sind bis heute aktiv. Anlässlich des 20. Jahrestages des Pogroms von Lichtenhagen rufen wir darum für den 14. September 2012 zu einer Demonstration in Berlin-Moabit auf – gegen Arnulf Priem, einen der Drahtzieher des rassistischen Pogroms.
Straßenterror und Pogrome
Begünstigt durch die rassistische Stimmung, der „Asyl-Debatte“, witterte die radikale Rechte ihre Chance. Bereits im Juni 1992 tauchten in Lichtenhagen Flugblätter der NPD-Organisation „Hamburger Liste für Ausländerstopp“ (HLA) auf, in denen die Anwohner_innen zum „Widerstand gegen die Ausländerflut“ aufgefordert wurden. Am 23. August, als sich die rassistische Gewalt zuspitzte, war bereits in den frühen Morgenstunden die gesamte Führungsriege der bundesdeutschen Neonaziszene zu gegen [1].
Während der Angriffe wurde unter anderem auch der Hamburger Neonaziführer Christian Worch (Nationale Liste – NL, Hamburg) gesichtet, wie er per CB-Funk Anweisungen an die Angreifer_innen gab. Auch Arnulf Priem wurde unter den Kadern klar identifiziert. Priem hatte bereits vor August, als Vorsitzender seiner „Organisation“ „Wotans Volk“ an Vorbereitungstreffen für das Pogrom teilgenommen. Bereits Monate zuvor hatte die HLA zu Treffen in Hamburg geladen, an denen neben „Wotans Volk“, Führer der NL, der „Freiheitlichen Arbeiter Partei“ (FAP), der Republikaner, und Naziskin-Gruppen teilnahmen [2]. Das letzte Treffen fand zwei Wochen vor der rassistischen Gewalteskalation, vor Ort in Rostock statt.
Arnulf Priem kann klar als einer der neonazistischen Drahtzieher der Anschläge von Rostock benannt werden. „Ich bin nicht der letzte, der da mitmacht, dass wir den Prozess stetig in Gang halten.“ schmetterte Priem auf dem Parteitag der „Deutschen Alternative“ (DA) in Cottbus 1992 dem „Sieg heil!“ brüllenden Publikum entgegen. Gemeint war das Pogrom von Hoyerswerda, von dem er behauptete, es sei ein „heilender Selbstreinigungsprozess des deutschen Volkes“ gewesen. Die Stadt Hoyerswerda wurde 1991 zur ersten „befreiten nationalen Zone“ erklärt. Der „Erfolg“ spornte die Neonazis zu weiteren Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime und Unterkünfte von Migrant_innen an und verschaffte der Szene regen Zulauf. In den Pogromen, ihren medialem Echo und ihrer Wirkung auf die Gesellschaft sahen die Führungskader auch die Medienstrategie des damaligen Neonaziführers Michael Kühnens der öffentlichkeitswirksamen Eskalation erfüllt.
Arnulf Priem im Auftrag Kühnens
Bereits in den frühen Jahren seines politischen Wirkens war Priem ein Vertrauter von Michael Kühnen. Dieser war Vordenker und zentrale Figur der sich neu formierenden Rechten. Die Gro der Konzeptionen zur Organisierung und Verbreitung und Strategie der Rechten in den 90igern stammten aus seiner Feder.
Priem selbst kommt aus der ehemaligen DDR und wurde schon 1965 wegen rechter Umtriebe und sexuellem Missbrauch zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Drei Jahre später kaufte ihn die BRD als „politischen Häftling“ frei. 1974 gründete er in Freiburg die „Kampfgruppe Priem“, eine für die damalige Wehrsportgruppen-Organisierung der militanten Rechten typische Erscheinung. Die „Kampfgruppe“ überfiel mehrfach Linke, u.a. im März 1975 mit Fahrradketten und Tränengas bewaffnet in einem Freiburger Kino, als Antifaschist_innen gegen den kriegsverherrlichenden Film „Europa in Flammen“ protestierten. [3], am 19. September desselben Jahres griffen 15 Mitglieder der Gruppe eine Anti-Franco-Kundgebung vor dem spanischen Generalkonsulat in Frankfurt an. Mehrfach wurde Arnulf Priem wegen Mahnmal- und Friedhofschändungen durch Hakenkreuzschmierereien festgenommen, erhielt aber nur geringe Strafen.
Auf Geheiß Kühnens baute Priem ab 1977 in Berlin die Ortsgruppe „Reichshauptstadt“ der illegalen NSDAP/AO (NSDAP-Aufbauorganisation) [4] auf, dessen „Aktionsführer“ er wurde. Seine „Kampfgruppe“ ließ er in der NSDAP aufgehen, dennoch existierte sie unter dem Namen „Wotans Volk“ weiter. Ab 1990 organisierte Priem für Kühnen den Berliner Block (DB). In ihm waren „Wotans Volk“, die „Deutsche Alternative“ (DA), dessen Landesvorsitz er innehielt, und seine Ziehorganisation, die Ostberliner „Nationale Alternative“ (NA) vereinigt. Er betreute das von Neonazis besetzte Haus in der Weitlingstraße in Berlin-Lichtenberg. Über derartige Vernetzungspunkte wurde das Konzept der „national befreiten Zonen“ von der Zentrale ausgegeben und dezentral umgesetzt.
1991 verstarb Kühnen und hinterließ die Aufgabe, seine Konzepte zu verwirklichen, seinen engsten Vertrauten, dem sogenannten „Führungsquartett“. Diese bestand aus Priem, Christian Worch, Gottfried Küssel (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition VAPO, Österreich) und Heinz Reisz (FAP, Langen). Sie waren die Hauptkader der Dachorganisation „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF), die das Vorgehen der einzelnen oben genannten Organisationen bestimmte und koordinierte.
Fanatisierung bis hin zum Mord
Zu Kühnens Erbe gehörte auch der „Arbeitsplan Ost“. Der sog. Arbeitsplan sah Angriffe auf Migrant_innen und Antifaschist_innen als wichtigen Bestandteil zur Durchsetzung rechter Vorherrschaft im Osten Deutschlands vor. Mit der Durchführung des „Arbeitsplans Ost“ war in Berlin Arnulf Priem betraut worden, zu dessen Umsetzung auch die gezielte Anwerbung junger Menschen gehörte. Priems Spezialgebiete, die germanische Rassenlehre und die Rekrutierung von Jugendlichen, kamen ihm deshalb besonders nach dem Mauerfall zugute. Priems Wohnung in der Osloer Straße, in Wedding, wurde in diesen Jahren nicht nur zum Anlaufpunkt für Neonazis aus Ost und West, sondern auch zum rechten Schulungszentrum. Hier unterrichtete Priem rechten Nachwuchs in arischer Rassenlehre, Germanenkunde, Neuheidentum und Antisemitismus. Für die Schulungen in seiner Wohnung wurden externe „Dozenten“ wie der Neonazi Michael Pflanz engagiert. Der traktierte die Priem-Jünger mit Vorträgen über „Bedeutung und Wesen der Frau im Heidentum“ und „Nachrichten über die Goten, Vandalen und Langobarden“.
Rückblickend lässt sich sagen, dass Priems Wirken vor allem dadurch besonders hervorstach, indem es ihm immer wieder gelang, Jung-Neonazis ideologisch und waffentechnisch so aufzurüsten, dass diese vor Mord und Attentat nicht zurückschreckten. Die Finger machte er sich selbst jedoch nicht schmutzig, dies überließ er stets seinen Zöglingen. So hatte beispielsweise ein Mitglied der „Kampfgruppe Priem“ am 10. Februar 1982 mit einem Kumpanen versucht, den Leiter der Volksbank Mauer und dessen Familie bei Heidelberg als Geisel zu nehmen. Im September 1982 verübten zwei Männer einen Sprengstoffanschlag auf ein von Türk_innen bewohntes Haus in der Weddinger Bellermannstraße. Vor Gericht sagten sie aus, sie hätten sich über die „Kampfgruppe Priem“ kennengelernt. Priems Zögling Frank Ch. erschoss in der Silvesternacht 1985 den Chef der Berliner Grundkreditbank Ulrich Jahnke. Er wollte den Mann mit drei anderen Kameraden in seiner Villa berauben. Der Neonazi hatte bereits zuvor eine Rentnerin überfallen und so fest geknebelt hatte, dass die Frau erstickte. Frank Ch. war Mitglied des „Freizeitvereins Wotans Volk“
Einer der bekanntesten Fälle dieser Art ist wohl der „Fall Kay Diesner“. Am 19. Februar 1997 verübte Kay Diesner mit einer Pumpgun ein Attentat auf einen linken Buchhändler in Berlin-Marzahn. Auf der Flucht erschoss er bei einer Polizeikontrolle den Polizisten Stefan Grage [5]. Diesner war einer von Priems „Schülern“, regelmäßig lieh er sich Literatur aus dessen Bibliothek. Ab 1991 erschien er ein Mal pro Woche im Wedding, um sich von Priem in Germanenkunde unterweisen zu lassen.
Diesner wie auch Priem gehörten zu diesem Zeitpunkt zum Netzwerk der sogenannten „Anti-Antifa“, die sich die Verfolgung politischer Gegner zur Aufgabe gemacht hatte. Über den Kampf gegen sog. „Volksfeinde“ ergaben sich auch Kontakte ins terroristische Spektrum außerhalb Deutschlands. So unterhielt Priem gute Kontakte zu den österreichischen Rechtsterroristen Peter Binder (VAPO), so wie zu Ekkehard Weil, den Priem u.a. mit Sprengzündern belieferte. Auf das Konto Weils gehen Brandstiftung, Körperverletzung, ein Mordanschlag auf einen russischen Soldaten, so wie Bombenanschläge auf ein jüdisches Kaufhaus in Wien, das Wohnhaus von Simon Wiesenthal, so wie die Parteizentrale der Sozialistischen Einheitspartei (SEW) in Wedding [6] [7]. Als 1993 wegen einer Briefbombenanschlagsserie nach Peter Binder gefahndet wurde [8], versteckte Priem ihn zeitweise in seiner Wohnung. Priem selbst wurde der Beteiligung an der Briefbombenserie verdächtigt, ihm konnte jedoch diesbezüglich nichts nachgewiesen werden.
Arnulf Priem: Ein Hühnerzüchter auf Abwegen
Im August 1994 organisierten Antifa-Strukturen, im Rahmen der „Aktion 94“, bundesweit Aktionen gegen die Kader der Neonaziszene. Ziel war die Verhinderung des Gedenkmarsches für den Hitler-Stellvertreter Rudolf-Heß durch Blockaden der Verantwortlichen des Aufmarsches. Bezüglich Priem, der an der Organisierung des Marsches beteiligt war, war dies auch von Erfolg gekrönt. Er blieb zu Hause und verschanzte sich schwer bewaffnet mit etwa 25 Nazis auf seinem Dach [9]. Von dort aus schossen sie mit einer Präzisionsschleuder Stahlkugeln auf die Demo und auf Journalist_innen.
Bei der darauf folgenden Verhaftung der „Dach-Bande“ wurde neben Waffen auch Sprengstoff sicher gestellt. In Folge dessen musste sich Priem u.a. wegen „Bildung eines bewaffneten Haufens“, illegalem unerlaubten Waffenbesitzes und seinen Äußerungen an dem denkwürdigen DA-Parteitag verantworten [10]. Priem wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, er saß jedoch nur zwei ab und kam dann in den offenen Vollzug. Nach seiner Entlassung, so schwor er, wolle er sich nur noch der Hühnerzucht widmen.
Damit war auch erstmal der Höhenflug seiner politischen Laufbahn unterbrochen. Das Gerücht über eine Zusammenarbeit mit dem Staat und der Vorwurf der Entweihung deutscher Soldatengräber (Ausgrabungen von Wehrmachtsdevotionalien) hafteten fortan seiner Person an. Hinzu kamen die Verbote zahlreicher rechter Parteien, darunter auch die DA und die NA, sowie interne Grabenkämpfe, die auch zu handfesten Auseinandersetzungen und Spaltungen führten. Priem verschwindet in der Versenkung.
Zu Beginn der 00er Jahre gerät er wieder in die Schlagzeilen. Als im Mai 2000 vier junge Neonazis im Berliner Stadtteil Pankow-Buch den Sozialhilfeempfänger Dieter Eich ermorden, steht er ihnen bei Seite. Die Täter (Andreas Ibsch, Thomas Schwalm, Rene Rost, Matthias Kowallik) gehörten ebenfalls zu Priems Adepten. In der Wohnung von Rene Rost hielt der Nationalsozialist und Hobbygermanenkundler Schulungen bei Kameradschaftsabenden ab [11]. Dem Haupttäter Kowallik, vermittelte er seinen Leibanwalt Aribert Streubel, der Priem bereits in den 90ern verteidigt hatte und als gefragter Neonazianwalt gilt [12].
Nazi-Opa halt’s Maul!
Auch wenn es heute scheinbar still um Arnulf Winfried Priem geworden ist, so handelt es sich bei ihm um einen Rechtsterroristen, der in den 1990iger Jahren, zur Hochzeit des Neofaschismus in Deutschland, einen großen Wirkungsgrad erzielen konnte. Priem gehörte zu den gefährlichsten und hochgradig organisierten Neonazi-Kadern jener Jahre der rassistischen Pogrome und Gewalt an Menschen, die nicht in das Herrenmenschen-Konzept von Priem und Seinesgleichen passten. Er bekleidete hohe Posten in der Neonazi-Szene und war in zahlreiche Fälle von Attentaten, Mord und Todschlag verwickelt. Er wurde sieben Mal verhaftet, neun Mal wegen diverser Delikte angeklagt und acht Mal verurteilt. Durch die wiederholten Hausdurchsuchungen in den drei Jahrzehnten, in denen Priem aktiv war, wurden regelmäßig Waffenarsenale zu Tage befördert, die eine kleine Terrorzelle bestens hätten ausrüsten können. Die Vorliebe für rechte Hetze und Waffen ist bis heute geblieben. Nach einer Zeit der relativen Passivität trat Priem im November 2011 als Redner auf einer Neonazidemonstration in Hamm (NRW) auf. Im Juni dieses Jahres bedrohte er in seinem Haus in Moabit einen Nachbarn mit einer Schusswaffe [13]. Im Zuge dessen stürmten Beamte eines Spezialeinsatzkommandos seine Wohnung und stellten zwei scharfe Maschinenpistolen und einen Revolver sicher. Aus seiner Sympathie für den NSU macht er keinen Hehl. Als hätte sich seit den Zeiten von „Wotans Volk“ nichts geändert, tönt einem auf Priems Anrufbeantworter auch heute noch eine Maschinengewehrsalve entgegen.
Niemand ist vergessen! – Rassismus tötet!
Die Zwickauer Terrorzelle machte da weiter, wo die militante Rechte zu Gunsten (halb-)legaler Strukturen die Agitation in einen mehr oder weniger legitimen Rahmen stellte. Sie setzte an dem Punkt an, an dem der Mob in Rostock aufgehört hatte – nur eben im Alleingang. Der NSU und die Mörder von Solingen [14], die ideologisch und strukturell von Verfassungsschutz-Männern gezogen worden waren, belegen die Nähe und Wechselwirkung zwischen Neonazis und den ultrakonservativen Fraktionen der staatlichen Organe. Priem, der bereits in den 1980ern paramilitärische Strukturen aufgebaut hatte, ist wiederum ein Beleg dafür, wie sich derlei Strukturen über Jahrzehnte trotz oder gerade wegen des Mitwissens der Sicherheitsbehörden, vollkommen offensichtlich entwickeln konnten. Sowohl der NSU und Arnulf Priem, als auch die Brandstifter_innen von Rostock müssen darum als das benannt werden, was sie sind: ein Produkt staatlicher Blut- und Bodenzucht!
Das Erbe des Antikommunismus, der sich in der BRD konserviert hat, begünstigt auch heute reaktionäre Vorstellungen und Neonazismus, deren Auswirkungen bis zum Mord an nicht-deutschen Menschen und sog. „Volksfeinden“ geht. Noch immer heißt die Losung des deutschen Staates: „Der Feind steht links“, spätestens dann wieder, wenn die aktuelle Sensibilisierung für Neofaschismus in ein paar Jahren verklungen ist.
Wir vergessen jedoch nicht! Darum stellen wir die Demonstration am 14. September 2012 in einen Kontext mit dem Kampf um das Gedenken an die Pogrome und alle Opfer rechter Gewalt. Außerdem ist die Demonstration Teil der „Niemand ist vergessen!“-Kampagne. „Niemand ist vergessen!“ setzt sich für das Gedenken an Dieter Eich ein und organisierte bereits im Mai Demonstrationen gegen Dieter Eichs Mörder und deren Verteidiger Aribert Streubel. Wir denken, dass neonazistische Täter keine Ruhe verdient haben, selbst dann, wenn sie nicht mehr aktiv sind. Zu schwer wiegen ihre Vergehen gegen die Menschlichkeit.
Kommt nach Moabit und demonstriert zusammen gegen Neonazis und rechten Terror!
Am Sonntag vor der Demonstration, am 9. September 2012, werden wir im
Filmrauschpalast in der Kulturfabrik Moabit (Lehrter Straße 35) eine
Infoveranstaltung durchführen. Referent_innen der Kampagne "Rassismus
tötet" werden zur Geschichte des deutschen Neofaschismus nach dem
Mauerfall referieren. Dabei werden sie insbesondere auf die historische
Rolle Arnulf Priems und seine Biografie eingehen.
Die Termine nochmal in Kürze:
Infoveranstaltung
9. September 2012 | 14:30 | Filmrauschpalast (Lehrter Straße 35, 10557 Berlin)
Demonstration
14. September 2012 | 18:30 | U-Bhf Turmstraße
Solitresen im Anschluss an die Demonstration
14. September 2012 | 20:00 | Scherer 8 (Schererstraße 8, 13347 Berlin)
North East Antifascists [NEA] | www.nea.antifa.de
Nazis auf die Pelle rücken! | www.aufdiepelleruecken.blogsport.de
Fußnoten:
[1] Am 23.08.2012 werden ab 12 Uhr bundesweit bekannte Neonazikader in Lichtenagen geischtet. Während des Pogroms werden u.a. folgende Neonazis Identifiziert: Bela Ewald Althans (GdNF), Christian Worch (NL, Hamburg), Christian Malcoci („Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene“ – HNG), Michael Büttner (DA, Cottbus), Arnulf Priem, Gerhard Endress (VAPO, Österreich) und Erik Rundquist (Führer des „Weißen arischen Widerstands“, Schweden), Oliver Schweigert ( Freie Wählergemeinschaft Die Nationalen, GdNF), Norbert Weidner (Initiative Gesamtdeutschland, Anti-Antifa, heute Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter) / 23.08.2012, Neues Deutschland, „Chronik eines Pogroms: Sonntag, 23. August 1992“
[2] Dusiburger Institutes für Sprach- und Sozialforschung, “SchlagZeilen – Rostock: Rassismus in den Medien”, 2. Auflage, Januar 1993, S. 53 (Verweis auf Informationen des britische Antifa-Magazin „Searchlight“, No. 208, Oktober 1992)
[3] Spiegel, 25.8.75
[4] Die NSDAP-Aufbauorganisation (NSDAP/AO) wurde im Jahr 1972 durch den Neonazi Gary Lauck in den USA gegründet. Die NSDAP-AO vertreibt nationalsozialistisches Propagandamaterial, darunter „Mein Kampf“ von Adolf Hitler und den antisemitischen Propagandafilm „Der ewige Jude“, und betreibt über ihre Website ein Internetradio.
[5] 03.03.1997, Spiegel 10/97, „Lebende Zeitbomben“ / 1999, Spiegel TV
[6] Simon Wiesenthal (* 31.12.1908 – † 20.09.2005) war ein österreichisch-jüdischer Überlebender des Holocaust. Er wurde bekannt als Nazijäger, da er ehemalige Hochrangige NS-Funktionäre aufspürte, die an den Gräueln des Nazi-Regimes beteiligt waren.
[7] 04.08.1997, TAZ, „Das Netz des Berliner Neonazi-Terrors“
[8] „Drahtzieher im braunen Netz. Ein aktueller Überblick über den Neonazi-Untergrund in Deutschland und Österreich“, Konkret Literaturverlag 1996
[9] 13.08.1994, Verhaftung während der Antifa-Demo vor Preims Wohnung, Angeklagte des „Dach-Prozesses“: Angeklagten Kay Diesner, Wolfgang Kaiser, Matthias Ridderskamp, Hans-Jörg Rückert, Mike Schildt, Ronald Dieter Spieker, Katrin Maut, Detlef Cholewa, Yvon Susann Starke, Marcus Alexander Bischoff, Oliver Carsten Schweigert, Matthias Morell, Marco Lau, Heinrich Axt, Oliver Werner, Andreas Lück, Enno Gehrmann. / Schweigert, Bischoff, Diesner und Werner waren Aktive der Berliner Anti-Antifa, mit guten Verbindungen ins Militante Lager.
[10] 17.05.1995, Berliner Zeitung, „Priem bestätigt die Vorwürfe“
[11] Initiative “Niemand ist vergessen!”, 08.05.2012, “Der Mord an Dieter Eich”
[12] bnr.de, 15.06.2012, „Waffenfund bei altem „Kameraden“
[13] Initiative “Niemand ist vergessen!”, 14.05.2012, „Der Freispruch als politische Erklärung Aribert Streubel – Strafverteidiger und Freund der rechten Szene“
[14] Neu Rheinische Zeitung, 04.06.2008, „15 Jahre nach dem Brandanschlag von Solingen“